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Hier sind die Geheimnisse der Geolokalisierung

Kategorien: Ost- und Zentraleuropa, Russland, Ukraine, Bürgermedien, Fotografie, Kriege & Konflikte, Technologie, RuNet Echo
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Dieser Artikel ist Teil eines umfangreichen Ratgebers, den RuNet Echo publiziert hat: Der Ratgeber zeigt und erklärt, wie man Open Source Recherchen im russischen Internet durchführt. Der komplette Ratgeber [1] ist auf der speziellen Webseite des Projekts zu finden.

Der verlässlichste Weg, die Echtheit von Fotos und Videos zu prüfen, besteht in den meisten Fällen darin, diese mithilfe von Satellitenbildern zu ermitteln: Die sogenannte Geolokalisierung kann Inhalte dabei mit bekannten Orten verbinden. Manchmal erfordert diese Methode, Veränderungen solcher Orte über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu beobachten. Satelliten haben mittlerweile so gut wie jeden Zoll unseres Planeten fotografiert. Doch die Verfügbarkeit von Satellitenbildern und Straßenaufnahmen in Russland und der Ukraine betreffend, sollte man ein paar spezielle Dinge präsent haben. Dieser Artikel bietet eine Anleitung zum Gebrauch von Satellitenbildern, besonders für historische Aufnahmen sowie für verfügbare Straßenbilder, die es von russischen und ukrainischen Städten gibt.

Google

Wahrscheinlich die mit Abstand nützlichste Software zur Durchführung von Open Source Geolokalisierungen ist Google Earth Pro, welche hier [2] gratis heruntergeladen werden kann. Google kauft sämtliche seiner Satellitenbilder von Digital Globe, einem privaten Unternehmen, das zahlreiche Satelliten in der Erdumlaufbahn betreibt.

Google Earth – ein Programm, das heruntergeladen werden kann – ist nicht dasselbe Programm wie Google Maps. Letzteres kann man durch mobile Applikationen oder mit dem Webbrowser gebrauchen, bei http://maps.google.com [3]. Während der Bilderdienst Google Earth viele identische Funktionen bietet, die auch das bekanntere Google Maps hat, liefert Google Earth zusätzlich noch leicht zugängliches historisches Bildmaterial, 3D Topografie, benutzerdefinierte Orte und Markierungen, die sich schnell importieren oder exportieren lassen, sowie viele weitere Funktionen. Mit anderen Worten: Google Earth richtet sich an anspruchsvollere Nutzer, während Google Maps mehr etwas für den zufälligen Gebrauch ist.

Zahllose Open Source Berichte verwenden in ihren jeweiligen Analysen historisches Bildmaterial, das miteinander verglichen wird. Nun gibt es ein Beispiel jüngeren Datums aus dem Bellingcat-Bericht [4] vom März 2015 (Anmerkung des Autors dieses Artikels, Aric Toler: Er verfasste auch ebendiesen Bellingcat-Bericht). Darin wird ein großes russisches Trainingscamp nahe der ukrainischen Grenze analysiert. Dieses Trainingscamp liegt etwas südlich des Dorfes Chkalova im Rostov-Oblast [Oblast = ein russischer Verwaltungsbezirk [5], A.d.Ü.]. Zu sehen ist ein extrem weitläufiges, gut besuchtes Trainingslager.

1 [6]

Bildschirmabdruck eines Fotos auf Google Earth, 9. Oktober 2014.

Eine Frage drängt sich dabei gleich auf: Wurde dieses Trainingslager ganz neu angelegt oder besteht es bereits seit Jahren, ohne jeglichen Zusammenhang mit der ukrainischen Krise? Scrollt man sich durch das historische Bildmaterial bei Google Earth, taucht die Antwort sehr bald auf.

2 [7]

Nachdem im Menü “View” [Anzeigen] die Option “Historical Imagery” [Historische Bilder] angeklickt wurde, erscheint auf dem Satellitenbild ein Zeit-Schiebebalken, in dessen linken oberen Ecke. Bewegt man diesen Balken – und damit die Bilder – zeitlich etwas zurück, so zeigt sich, dass dieser Platz im Oktober 2013 noch intaktes Agrarland war. Was bedeutet, dass das Trainingslager entstanden ist, nachdem die Krise in der Ukraine begann.

3 [8]

Bildschirmabdruck eines Fotos auf Google Earth, 19. Oktober 2013.

Yandex

Die russische Suchmaschine Yandex betreibt einen Kartenservice [9]ähnlich dem bei Google Maps. Inklusive Straßenkarten, Satellitenbilder und selektiver Straßenaufnahmen.

Man kann Yandex Karten auf zweierlei Art erreichen – entweder via maps.yandex.ru oder via maps.yandex.com. Und wie Sie bereits richtig vermuten: Letztere ist auf Englisch, die erst genannte auf Russisch. Beide Dienste sind weitgehend identisch, bis auf kleine Layout-Unterschiede.

4 [10]

Oben: Das englische Yandex, unten: Das russische Yandex.

Die obere Version ist die englische Seite, die untere die russische. Der weitere Verlauf dieser Anleitung basiert auf der russischen (unteren) Version. Doch da die englische Version mehr oder weniger äquivalent ist, sind auch die Instruktionen größtenteils übertragbar.

Anstelle des Anzeige-Modus “Street view” verwendet Yandex den Begriff “Panorama”: Gemeint sind verfügbare Straßenansichten bestimmter Städte in Russland, der Ukraine, Weißrussland, Kasachstan (Astana, Almaty und Karaganda) sowie der Türkei. Wie die Karte direkt hier unten deutlich zeigt, gibt es nur zu den größeren Städten oder Straßen Bildmaterial. Blau markierte Bereiche geben dies an. Der Panorama-Anzeigemodus wird aktiviert, indem man auf die Schaltfläche Panorama (Панорамы) klickt, rechts oben auf der Seite..

5 [11]

Eine sehr nette Funktion, die Google nicht hat, sind Live-Videos von Orten (meistens von Verkehrskameras). Wählt man diese Videokamera-Option rechts oben in der Ecke (Видеокамеры), so kann man danach die roten Kamerasymbole auf der Karte anklicken (diese sind meist in dicht besiedelten Stadtregionen zu finden), um ein Live-Video vom Geschehen am betreffenden Ort zu sehen. Hier unten das Videobild einer Verkehrskamera aus dem Stadtzentrum Moskaus:

6 [12]

Wie bei Google Maps können auch bei Yandex Nutzer ihre eigenen, geolokalisierten Fotos auf ihrer Karte platzieren. Hierdurch gibt es noch mehr Bilder, die direkt vor Ort aufgenommen wurden.

7 [13]

Beim obigen Bildschirmabdruck sieht man den Titel des Fotos (hier: “Untitled = ohne Titel” = без названия), zusammen mit dem Namen des Nutzers, der das Bild hochgeladen hat (rotes Kästchen links unten) sowie das Datum, wann das Foto hochgeladen wurde (rotes Kästchen rechts unten). Die Fotos, die jeweils für einen Kartenabschnitt verfügbar sind, werden eingeblendet, sobald man “Photographs” (фотографии) auswählt, oben rechts in der Ecke.

Die Satellitenbilder von Yandex, die einzig von den Google Maps (DigitalGlobe) Satellitenbildern stammen, können auch via Wikimapia [14] angesehen werden.

Wikimapia

Wikimapia [14] kombiniert eine Serie von Satellitenbilddiensten mit Ortsbeschreibungen, die seitens Nutzern beigesteuert werden. Hierdurch entsteht eine imposante Datenbank professionell erstellter (Satellitenbilder), ortsspezifischer (Beschreibungen) Information.

8 [15]Die verfügbaren Satellitenbilder können in der oberen rechten Ecke angesehen werden. Sie umfassen Bilder von Google (DigitalGlobe) Google Terrain, Bing, Yandex, Here, OSM (Open Street Map) und Yahoo.

Dieser Tweet [16] wurde ein paar Stunden vor der MH17 Katastrophe gepostet. Er zeigt ein Buk Flugzeugabwehrsystem, vermutlich in der Stadt Snezhnoe. Mit Wikimapia können wir ein paar der Orientierungspunkte, die im Tweet erwähnt sind, lokalisieren und so den Ort des Bildes bestimmen.

9Die fünf Orte, die im obigen Tweet genannt werden, sind hier nachfolgend zusammen mit ihren englischen Übersetzungen nochmals genannt:

  1. в Снежном: in Snezhnoe
  2. дом 50 лет октября: Haus/Gebäude 50 Jahre Oktober
  3. в нем пирка: es ist in pirka
  4. уголек: ugolek (kleines Stück Kohle)
  5. фуршет: furshet (Buffet, smorgasbord)

Man kann annehmen, dass die Person, die dies gepostet hat, kaum schreiben wollte, dass das Buk-Abwehrsystem sich in der Nähe eines Speisebuffets befindet oder gar bei einem kleinen Stückchen Kohle. Wir müssen uns also etwas mehr Mühe geben, wollen wir den echten Sinn und Kontext dieser Beschreibung herausfinden. Die Suchfunktion von Wikimapia hilft dabei nicht viel weiter. Deswegen ist es meist besser, die Seite via Google zu durchsuchen, die Suchergebnisse dabei jedoch zu begrenzen auf die von Wikimapia. Das geschieht mittels der “site: search” [Seite: Suchen] Funktion.

11 [17]

Folgt man nun dem ersten Ergebnis, so stellt sich heraus, dass “50 Jahre Oktober” ein Straßenname im Stadtzentrum von Snezhnoe ist. Von Wikimapia aus können wir uns die nähere Umgebung ansehen und dann die anderen im Tweet erwähnten Orientierungspunkte suchen: Ugolek, Firshet und Pirka.

22 [18]

Zwei davon sind sehr schnell gefunden, zu beiden Seiten der Straße 50 Jahre Oktober (diese Straße verläuft vertikal zwischen beiden Orientierungspunkten). Und klicken wir beide Einträge auf Wikimapia an, dann sehen wir: Furshet ist ein Supermarkt und Ugolek ist ein Restaurant.

33 [19]

Wir wissen noch nicht, wo Pirka ist (doch würden Sie lang und intensiv genug suchen, so würden Sie sehen: Es ist ein Laden in einem der Apartment-Gebäude dieses Stadtviertels). Dafür haben wir inzwischen vier der fünf genannten Orientierungspunkte identifiziert: Die Stadt, die Straße, die beiden Orte. Genug Information, um unsere Suche nach den Spuren des Buk-Abwehrsystems, das auf dem Foto zu sehen ist, auf dieses Gebiet zu konzentrieren. Ab hier ist der Rest eine Sache der Geolokalisierung plus Abgleich übereinstimmender Bildelemente wie Sichtwinkel, Bäume und die Straße.

Sollten sie sich gefragt haben: Das Buk System war tatsächlich dort in Snezhnoe platziert. Es wurde ungefähr 3-4 Stunden fotografiert, bevor die MH17 abgeschossen wurde. Der Ursprung des Fotos wurde zurückverfolgt zu einem Gebäude in der Straße “50 Jahre Oktober”. Der Fotograf hatte die Kamera auf das dortige Wohngebäude Karapetyana 13a gerichtet.

***

An welchem Ort auch immer ein Foto aufgenommen wurde – es gibt immer die Option der Geolokalisierung. Ob es nun ein Live Videostream aus dem Internet ist, oder ein verschwommenes Satellitenfoto aus 2012. Gebrauchen Sie die Ressourcen in dieser Anleitung, dann sollte es Ihnen gelingen, exakteste und brauchbarste Bilder zu Orten in Russland und der Ukraine zu finden. Unabhängig davon, ob es von Diensten wie Google, Yandex oder Wikimapia ist oder von weniger brauchbaren für Russland und die Ukraine, wie TerraServer [20] oder Bing Maps [21].