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Gibt es die “europäischen Werte”?

Kategorien: Ost- und Zentraleuropa, Westeuropa, Deutschland, Bürgermedien, Ideen, Kunst und Kultur

Europe Day 2008 / Participants at the Square of the european promise Photo: Sabitha Saul; published with permission

Europatag 2008: Teilnehmer auf dem Platz des europäischen Versprechens. Foto: Sabitha Saul; veröffentlicht mit Genehmigung


Die Idee “europäischer Werte” ist nicht neu [1]. Aber angesichts der tödlichen Angriffe in Paris im November und der hohen Zahlen an Flüchtlingen, die den Kontinent er­reich­en – und aufgrund von zu­nehmen­dem National­ismus und Fremden­feind­lich­keit, die darauf folgte – erfährt das Konzept neue Aufmerk­sam­keit.

Gibt es wirklich gemeinsame Prinzipien in den 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union? Falls ja, welche sind es? Und lebt Europa seine eigenen Ideale?

Der deutsche Blogger Johannes Korten [2] lädt gemeinsam mit dem Künstler Jochen Gerz alle Europäerinnen und Europäer zu einer Blogparade über dieses Thema ein:

Diese Idee steht in diesen Zeiten ernsthaft zur Disposition. Immer mehr zeigt es sich, dass die Idee des „offiziellen“ Europas vor allem von finanziellen und wirtschaftlichen Interessen geprägt war. Und so lange sich Heraus­forder­ungen und Interessen­konflikte noch mit Geld lösen ließen, schien die europäische Idee „in Ordnung“ zu sein.

Nun machen sich Hunderttausende Menschen auf den Weg in eben dieses Europa. Sei es, weil sie vor Krieg, Gewalt und Terror flüchten oder aus wirtschaft­licher Not, die oftmals nicht zuletzt aufgrund unseres eigenen Konsum­verhaltens oder geo­strate­gischer Interessen verursacht wurde. Die Heraus­forderungen, die dieser Zustrom von Menschen mit sich bringt, die in Europa ihren Frieden und ihr Glück suchen, lässt sich nicht allein mit finanziellen Mittel lösen. Europa ist reich genug, diese Menschen aufzunehmen.

Gerz ist der Künstler hinter dem “Platz des Europä­ischen Versprechens” [3], der am 11. Dezember in Bochum eingeweiht wird. Er arbeitete seit 11 Jahren an diesem Platz, auf dem die Namen von 14.726 Persoenen im Boden eingelassen sein werden, die Europa ein persön­liches Versprechen gegeben haben. Die einzelnen Versprechen bleiben geheim, aber ihre Namen auf dem Platz repräsentieren das Versprechen eines vielfältigen und vereinten Europa.

Ausgangspunkt des Künstlers waren zwei Listen, die in der Christus­kirche an diesem Platz zu finden sind: eine Liste der 28 “Feind­staaten Deutschlands” aus dem Jahr 1931 und eine weitere Liste der Toten der Stadt während des Ersten Weltkrieges. Dem wollte Jochen Gerz eine “Liste der Lebenden” gegen­über­stellen.

Korten fährt in seiner Ankündigung der Blogparade [2] mit einer Reihe von Fragen fort, die viele Menschen in Europa bewegen:

Die Herausforderungen liegen auf ganz anderen Ebenen. Sie sind kultureller Natur. Sie sind eine echte Nagelprobe für das, was in Friedenspreis-Reden und anderen großen Ansprachen gern als „europäische Werte“ bezeichnet wird. Doch was genau sind diese Werte? Gibt es sie? Was macht diese europäischen Werte aus? Sind wir wirklich so weltoffen, wie wir vorgeben zu sein? Wie steht es um die Bildung in Europa, die Kultur, die Wissenschaft?

Wir haben in diesen Tagen drängende Fragen zu beantworten. Unsere Politik, aber auch jede und jeder von uns selbst. Was ist uns unsere Freiheit wert? Was ist uns auch die Freiheit der Anderen wert? Wissen wir unser Glück, in demokratischen Gesellschaften zu leben, überhaupt zu schätzen? Was ist uns unsere Bildung wert? Unsere Kultur, unsere Kulturen? Wie gehen wir in diesem Europa miteinander um? Gibt es überhaupt noch soetwas wie eine gemeinsame Idee? Eine Vorstellung dessen, wofür dieses Europa abseits wirtschaftlicher Prosperität noch stehen könnte?

Die Initiatoren der Blogparade möchten einen Dialog darüber in Gang setzen, was die Idee Europas für seine Bürger und Bürgerinnen bedeutet. Wie man teilnehmen kann, ist hier [2] beschrieben.