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200 Tage Krieg im Jemen

Kategorien: Nahost & Nordafrika, Jemen, Bürgermedien, Kriege & Konflikte
Air strike in Sana'a, May 5, 2015. Photo by Ibrahem Qasim. CC 2.0. [1]

Luftangriff auf Sanaa am 5. Mai 2015. (Foto: Ibrahem Qasim – CC-BY-SA 2.0).

Vielen ist es wahrscheinlich entgangen, nicht zuletzt durch die mangelnde Berichterstattung der Mainstreammedien, dass im Jemen seit 7 Monaten Krieg herrscht. Tatsächlich sind genau 200 Tage vergangen, seit eine Koalition unter der Fürhung Saudi-Arabiens [2] am 26. März 2015 mit den Luftangriffen begonnen und eine Seeblockade über die Haupthäfen verhängt hat, um das Vordringen der Huthis [3] (eine Gruppe, die mit der Zaidi-Sekte des Shia-Islams in Verbindung gebracht wird) zurückzuschlagen. Viele Jemeniten sind sich jedoch uneinig darüber, wann der Krieg wirklich begonnen hat. Für einige begann der Krieg am 21. September 2014, als die Huthis die Hauptstadt Sanaa eroberten [4].
Der jüngste humanitäre Bericht [5] des Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen, erschienen am 29. September 2015, weist darauf hin, dass seit Beginn des Konflikts hunderte zivile Häuser und Infrastrukturen, darunter Krankenhäuser und Schulen, durch Explosionswaffen zerstört und Zivilisten aus ihren Häusern vertrieben wurden. Über die letzten Monate des Krieges wurden folgende Statistiken veröffentlicht:

No. of deaths 5,248
No. of injuries 26,191
No. of IDPs 1.4 m
Affected population 21.1 m
People targeted 11.7 m

Tote: 5.248
Verletzte: 26.191
Vertriebene: 1.4 Millionen
Betroffene Bevölkerung: 21.1 Millionen
Menschen unter Beschuss: 11.7 Millionen

Im Bericht wird zudem darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Explosionswaffen während der ersten sieben Monate des Jahres 2015 mehr tote und verletzte Zivilisten im Jemen gibt, als überall sonst auf der Welt. Der Großteil dieser Tode und Verletzungen ereignete sich in bevölkerten Gebieten.

In Yemen 95% of deaths are due to use of explosive weapons in residential areas [6]

95 Prozent der Tode im Jemen sind der Detonation von Explosionswaffen in Wohngebieten zuzuschreiben (UNOCHA/Twitter).

Neben der massiven zivilen Todesrate in den letzten Monaten, wurde auch die jemenitische Infrastruktur zerstört.

Der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen berichtet [7]:

310 civilian infrastructures were partially or completely destroyed by coalition air strikes and ground fighting throughout Yemen, which include 160 private homes and 150 civilian public infrastructures.
53 health facilities were damaged or affected.
96 schools were damaged, while 67 were used by armed groups in 18 affected governorates.
At least 15 heritage sites, including the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) World Heritage Site of Old Sana’a and the Seera Castle in Aden were damaged by the armed conflict

310 zivile Einrichtungen in ganz Jemen wurden teilweise oder ganz durch die Luftangriffe und Bodenkämpfe der Koalition zerstört, darunter auch 160 Privathäuser und 150 öffentliche Gebäude.
53 Gesundheitseinrichtungen wurden zerstört oder sind betroffen.
96 Schulen wurden beschädigt, 67 davon in insgesamt 18 betroffenen Gouvernements wurden von bewaffneten Truppen verwendet.
Mindestens 15 Kulturstätten, darunter auch das UNESCO-Weltkulturerbe der Stadt Alt-Sanaa und das Schloss Seera in Aden, wurden durch den bewaffneten Konflikt zerstört.

Diese Stätten wurden nicht nur durch die Luftangriffe der Koalition zerstört, sondern auch durch Raketenangriffe, Atilleriebeschuss und Bodenkämpfe durch die Huthis. Einige der Orte wurden von den Huthis und den Armeeeinheiten – Anhänger des ehemaligen jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, der an ihrer Seite kämpft – zum militärischen Vorteil genutzt.

Der Jemen ist auf den Import von Nahrung und Öl angewiesen um die Bevölkerung notdürftig versorgen zu können. Mehr als 90% der Nahrungsmittel im Jemen sind importiert. Der Krieg und die von der Koalition verhängte Seeblockade hat die schon vorher schlechte humanitäre Lage verschlimmert und dramatische Nahrungsmittel-, Öl- und Medikamentenknappheit verursacht. Die Huthis hingegen belagerten die Stadt Taiz, so wie auch zuvor in Aden, und Schnitten der Stadt den Zugang zu Trinkwasser, Nahrung und Medikamente ab, so ein Bericht [8] der Organisation Muwatana Organization for Human Rights [9] (Mwatana). Während der Krieg weiter anhält, verschlimmert sich auch die humanitäre Krise. Es wird geschätzt, dass etwa 21 Millionen Jemeniten – das sind 80% der Bevölkerung – humanitäre Unterstützung benötigen.

Beide Seiten des Konflikts (die Saudi-Arabische Koalition und die durch Saleh unterstützten Huthis) haben internationale humanitäre Regelungen und Menschenrechtsgesetzte verletzt, wie aus den Berichten von Amnesty International [10]Human Rights Watch [11] und der Kommission für Menschenrechte der Vereinten Nationen [12] hervorgeht.

In der 30. Sitzung der Menschenrechtskommission forderte eine Resolution der Vereinten Nationen, eingereicht von den Niederlanden, den Hochkommissar dazu auf, eine Mission zu entsenden, die über die Menschenrechtslage im Jemen und über die Fakten und Bedingungen rund um jegliche Verletzungen des internationalen Rechts berichten soll. Saudi-Arabien hat den Vorschlag blockiert [13] , jedoch seine eigene Resolution vorgeschlagen, in der es aber an einem Mechanismus für die Strafverfolgung jeglicher Verstöße gegen das internationale Recht, die eine Faktfindungsmission vielleicht aufdecken könnte, fehlte. [14]

Die Statistiken und Zahlen dieses Krieges sind verblüffend, es gibt aber auch persönliche Dramen — Geschichten über Verlust und Leiden, über die nicht berichtet wird. Der Krieg im Jemen bringt Menschen um, zerstört Häuser und mehr und er zerrt auch am sozialen Gefüge des Landes.

Die Gruppe SupportYemen [15] dokumentierte unaufhörlich die durch den Konflikt entstandenen Risse in der jemenitischen Gesellschaft:

Jemeniten auf Twitter benutzen die Hashtags #200Tage und #Jemen200TageKrieg um ihre Gedanken zum Krieg zu teilen.

Nadwa Al-Dawsari erinnert sich in ihren Tweets an den Kriegsbeginn, als die Huthis die Hauptstadt Sanaa eroberten, was später zu großem Leiden in Taiz führte, wo die Huthis die Stadt belagerten und den Zugang zum Trinkwasser abschnitten.

Es sind nicht #200Tage Krieg, weil der Krieg nicht am 26. März 2015 angefangen hat. Er fing im September 2014 an, als die #Huthis Sanaa mit Gewalt eroberten. #Jemen

#Taiz wird immer noch belagert. Frauen wandern herum und hoffen, Trinkwasser zu finden. #Jemen #JemenKrise #200Tage

YemenPosts, die wichtigste englischsprachige Nachrichtenquelle, veröffentlichte eine Reihe beunruhigender Zahlen über den Krieg.

5882 Zivilisten in 200 TAGEN Krieg im #Jemen GETÖTET.

26250 Zivilisten wurden in 200 Tagen Krieg im #Jemen verletzt und entkamen dem Tod.

200 TAGE KRIEG im #Jemen: 100.000 Luftangriffe und fast 30.000 Tote und Verletzte.

71300 HÄUSER während 200 Tage Krieg im #Jemen zerstört.

274 Fabriken/Firmen während 200 Tage Krieg im #Jemen ZERSTÖRT.

Nasser Maweri teilte einen Artikel über die Grausamkeit des Krieges und die Gefahren, denen Kindern ausgesetzt sind.

#200Tage Sechs Monate brutaler Krieg im #Jemen bringt Millionen von Kindern in Gefahr.

Sadeq Al-Wesabi spekuliert über die wahren Gewinner des Krieges und die gesellschaftlichen Konsequenzen für die Jemeniten.

Die einzigen Gewinner des #Jemen200TageKrieg sind die Waffenhändler, die Schwarzmarkthändler und Qat-Verkäufer. #Jemen

#200Tage tiefgehender gesellschaftlicher Spaltung unter den Jemeniten, die noch Jahre danach nicht geheilt werden kann. #Jemen #Jemen200TageKrieg

Ahmed Jahhaf nimmt Anteil mit den vielen Jemeniten, die den Krieg ertragen müssen.

#200Tage Krieg, Verluste, Schrecken und anhaltendes Leiden im JEMEN. #Jemen200TageKrieg

Ahmed Ali Ahmed ergreift mit dem folgenden Tweet das Wort.

#200Tage langsamer Zerstörung jeder schönen Sache im Jemen. Schrecklicher Geräusche, so wie die, die ich jetzt höre, während ich darauf warte, dass es uns erwischt. #Jemen

Ahlam Hashem beschreibt die harten Lebensumstände und den Mangel am Notwendigsten, wie Elektrizität, Öl, als einen Rückschritt ins Mittelalter.

#200Tage das Mittelalter durchleben. #Jemen

Mohamed Al Muntasir und Mohammed Al-Hajjaji schrieben über die Angriffe der Huthi.

Die Huthis haben den Staat überfallen, terrorisiert, Millionen verhungern lassen und Tausende ermordet und ihr Kultanhänger jubeln weiter. #200Tage #Jemen

#Jemen200TageKrieg der andauernden Morde der #Huthi und der Zerstörung jemenitischer Seelen und Habseeligkeiten im Namen des Kampfes gegen #Amerika und #Israel!

Hisham Alomeisy ist politischer Analyst und lebt in Sanaa. Er fasst seine gesamten Erlebnisse in einem Tweet zusammen.

Nach #200Tagen Krieg? 84% der Bevölkerung im #Jemen braucht humanitäre Unterstützung, 5000+ ermordet, das gesellschaftliche Gefüge zefetzt, Städte, Wirtschaft und Infrastruktur zerstört…

Egal wie lange der Krieg im Jemen noch dauern wird, der Verlust an Leben und der dem Land zugefügte Schaden haben die Nation weit nach hinten geworfen. Diese Wunden werden für Jahrzehnte anhalten, gleichgültig ob der Krieg noch weitere 20 oder 200 Tage dauern wird.