Kindestötungen und Selbstmorde zeigen die schwere Last der Frauen in Tadschikistan

Shadow of a mother and child. Torange.us. Licensed to re-use.

Schatten einer Mutter mit Kind. Torange.us. Lizenz zur Wiederverwendung.

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate erschüttert die Tat einer Mutter die Gesellschaft in Tadschikistan zutiefst. Die Mutter dreier Kinder hatte versucht, sich selbst und ihre Kinder zu ertränken. In diesem wie auch in einem früheren Fall konnten die jungen Mütter gerettet werden, die Kinder starben jedoch.

Am 21. September, wenige Tage vor dem Opferfest – einem der wichtigsten muslimischen Feiertage – brannte eine 23-jährige Frau namens Salomat ihr Haus nieder und führte ihre drei Kinder zum nahegelegenen Ufer des Flusses Wachsch.

Salomat konnte später von Anwohnern ihres Dorfes lebend aus dem Wasser gezogen werden, aber für ihren Sohn Alisher (vier Jahre alt) und ihre Töchter Sadbarg (zwei Jahre alt) und Sumaya (sechs Monate alt) kam jede Hilfe zu spät. Dies ist der zweite herrzzeißende Fall innerhalb kurzer Zeit.

Nur drei Monate zuvor brachte eine andere Frau namens Parvina ihre drei Kinder von ihrem Heimatdorf in die Hauptstadt Dushanbe. Nach einem kurzen Spaziergang durch einen Park führte Parvina sie zum Ufer des Flusses, der durch Dushanbe fließt und sprang mit ihnen hinein. Parvina konnte gerettet werden, ihr Sohn Ziyovuddin (sieben Jahre alt) und ihre fünf- und sechsjährigen Töchter Omina und Mahina ertranken.

In beiden Fällen wurden die Mütter in Foren, Kommentaren auf Nachrichtenwebseiten und in den sozialen Medien für ihre Tat verurteilt:

Дура, а чё нарожала та?

Idiotin, warum hast du überhaupt Kinder bekommen?

Сад дар сад ин зан гунахкор аст,3-нафаро ба катл расонид.Магар дигар занхои точик,дар дигар нохияхо,дехотхо камбуди надоранд.Худоро шукр гуфта зиндаги кардан даркор…. Худкушии занхо,хонавайрони,талоки занхо хама айби занхост.

Diese Frau ist 100 % schuldig. Sie hat ihre drei Kinder getötet. Haben andere Frauen in Dörfern in Tadschikistan vielleicht keine Probleme? Du solltest Gott danken und dein Leben leben. Frauen sollten die Verantwortung für Selbstmord, Scheidung und alles andere tragen.

ин гуна занхои котилро хатман бояд чазои сангин интизор бошад. наход модар котили тифлони бегунохи худ шавад. касти куштори худ медошт чаро кудаконро ба об партофт бояд худашро танхо мепартофт. аз ин маълум мешавад, ки ин зан худ гунахгор буда кудакони ноболигаш шохиди асли вокеъ будаанд.

Diese Mörderinnen sollten streng bestraft werden. Wie kann eine Mutter bloß ihre eigenen Kinder töten? Wenn du dich umbringen willst, warum wirfst du auch die Kinder ins Wasser? Geh doch allein ins Wasser. Das zeigt, dass sie selbst nicht unschuldig war und die Kinder etwas davon mitbekommen hatten.

Die Frauen wurden von sogenannten Intellektuellen als Monster und Unmenschen beschimpft und mit anderen abfälligen Bezeichnungen betitelt. In Tadschikistan kostet das Internet 25 US-Dollar (umgerechnet etwa 20 Euro) pro Monat, das enstpricht zwei Dritteln des Mindestlohns. Beide Frauen kamen aus Familien, die unterhalb der Armutsgrenze lebten – ein Status den sie mit mehr als einem Drittel der Bevölkerung teilen.

Im Fall der Trägodie, die sich im September erreignet hatte, sind die genauen Umstände der Tat noch unklar. In dem im Juli bekannt geworden Fall sagte Parvina aus, sie habe den Verstand verloren nachdem ihr Mann ihr gesagt hatte, dass er sie nach elf Ehejahren für ihre Cousine verlassen wolle.

Neben vielen Beleidigungen für die Täterinnen sehen einige Internetnutzer hingegen die Ursache für beiden Taten auch in direktem Zusammenhang mit der großen Bürde, die Frauen tragen seit Tadschikistan als das ärmste Land aus den Trümmern der ehemaligen Sowjetunion hervorging.

Уже не первый и не 10 случай,,, пора задуматься родителям и правительству, чтоб не только учить готовить убирать и смотреть мужу в рот а давать образование нашим женщинам, трудоустраивать, помогать им- Ане бросать на них все( мол женщина стирай убирай молчи). Пора уже сделать психологические центры( или как правильно называется)…. Очень жалко детей, ну эту проблему нельзя оставлять так!!!!

Dies ist nicht der erste derartige Vorfall und auch nicht der zehnte. Es ist an der Zeit, dass Eltern und die Regierung endlich anfangen, Mädchen Zugang zu Bildung zu verschaffen, ihnen Arbeit zu geben und ihnen zu helfen statt ihnen nur beizubringen, wie man kocht, putzt und sich dem Ehemann unterordnet. Es wird Zeit, dass Zentren aufgebaut werden, in denen Mädchen psychologische Unterstützung bekommen. Es tut mir wirklich leid um die Kinder, aber es wird Zeit, sich diesem Problem zu stellen.

Это все потому что у нас нет социальной защиты населения. Т.е. сама инстанция есть , но она абсолютно бесполезное. Нет программ для поддержки таких семей . Да и возможно у ней была послеродовая депрессия. Это кошмар. Очень жаль детей и больше всего саму женщину. А три ребенка для Таджикистана это норма. Зачем сразу нападать , что типа “куда плодилась” . Жаль , очень жаль.

All dies passiert, weil es kein soziales Netz für die Bevölkerung gibt. Es gibt zwar eine Behörde dafür, aber die ist völlig nutzlos. Es gibt keine Hilfsprogramme für bedürftige Familien. Vielleicht litt [Salomat] an postnataler Depression und Stress? Eine furchtbare Geschichte […] Warum sind die Leute so schnell damit, sie mit “warum hast du überhaupt Kinder bekommen” [und anderen Beleidigungen] anzugreifen?

Aus einer 2012 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Studie geht hervor, dass in Tadschikistan 4,2 Selbstmorde auf 100.000 Einwohner kommen. Damit liegt das Land auf dem 139. Platz von insgesamt 172. UNICEF legte in einer Studie ähnliche Daten vor, die zeigen, dass die Selbstmordrate unter Jugendlichen (zwischen 15 und 19 Jahren) in Tadschikistan auf 63 Prozent angestiegen ist. Damit stieg die Zahl zwischen 2008 und 2010 von 2,8 auf 4,5 (pro 100.000 Einwohner).

Diese Statistiken spiegeln aber nur einen Teil der Geschichte wieder.

Selbstmord und Depressionen sind in der tadschikischen Gesellschaft stigmatisiert und werden verurteilt. Viele Fälle werden deshalb nie gemeldet und auch die staatlichen Medien berichten lieber nicht darüber.

Vielleicht führt die steigende Zahl von Männern, die sich das Leben nehmen, dazu, dass in Zukunft offener über Selbstmord gesprochen wird. Die ständig steigenden Lebenshaltungskosten und die starke Verschlechterung der Wirtschaftslage infolge der Krise des Rubels in Russland – mehr als eine Million Tadschiken arbeiten dort, was dazu führt, dass Tadschikistan das Land ist, dessen Wirtschaft am stärksten von den Geldüberweisungen seiner im Ausland arbeitenden Bevölkerung abhängig ist – führen dazu, dass Selbstmord längst nicht mehr geschlechtsspezifisch ist.

Parvina, die Frau, die im Juli aus dem Fluss gerettet wurde, ist aktuell in Haft. Ihr steht eine Gefängnisstrafe von 15 bis 25 Jahren bevor. NGOs, die für die Rechte der Frauen in Tadschikistan kämpfen, haben einen Anwalt für Parvina engagiert und machen auf ihren psychischen Zustand während des Vorfalls aufmerksam in der Hoffnung damit ihre Gefängnisstrafe verringern zu können.

Unterstützer der Kampagne sagen, dass Frauen wie sie und Salomat ihre wahre Strafe schon längst erhalten hätten: Ein Leben, in dem der Gedanke, sich und die eigenen Kinder zu töten überhaupt möglich ist.

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