Worum geht es also in diesem Krieg? Wie in anderen bewaffneten Konflikten gibt es auch in diesem auf beiden Seiten Todesopfer. In diesem Fall stehen auf der einen Seite die Maras – die Banden – und auf anderen die Polizei. Und wie in anderen bewaffneten Konflikten sind auch hier die Zivilisten – Menschen, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben – diejenigen, die am meisten darunter leiden. Das liegt daran, dass die maßlose Gewalt in El Salvador alle Aspekte des täglichen Lebens betrifft. Und oft auf eine Art, die man nicht erwartet hätte.

Das ist Iris. Aus Sicherheitsgründen haben wir uns entschieden, ihren Nachnamen nicht zu nennen. Iris versucht ihr ganzes Leben lang, wie so viele andere Salvadorianer auch, Problemen aus dem Weg zu gehen. Im Allgemeinen ist ihr das auch gut gelungen. Sie hat einen guten Job und und ist beruflich erfolgreich. Die Banden nehmen kaum Notiz von ihr. Sie ist gut gekleidet und legt Wert auf ihr Äußeres. Und sie tut etwas, was sie seit ihrer Jugend wirklich mag: Sie färbt sich die Haare.

Es ist ein Teil ihres Aussehens, ein Teil ihrer Identität. Und genau darum geht es in dieser Geschichte. Denn die Gewalt und Unsicherheit, die die Maras über das Land gebracht haben, ist mehr als das, was man in den Schlagzeilen liest. Eine Schießerei hier, ein Überfall dort. Nein, eben nicht. Es geht um die Details. Um Momente, wenn man das Böse direkt vor sich hat. Oder neben sich.

Momente, wie dieser.

Iris: Yo iba en un Coaster, o sea un microbús, y una muchacha se sentó a la par mío… Una muchacha poquito más gordita que yo. Andaba las cejas súper delgaditas, el pelo maltratado, pintado.

Daniel Alarcón: Color rubio. La boca delineada con rojo… Pantalones de lycra estampados con piel de leopardo. Según Iris, este tipo de vestimenta… en El Salvador, es un código.

Iris: Y por la forma en que comenzó a hablar sabía que no era una muchacha normal, que quizá a lo mejor era la mujer de un pandillero.

Iris: Ich war in einem Coaster, einem Bus, unterwegs. Dann setzte sich ein Mädchen neben mich… Sie war etwas dicker als ich. Ihre Augenbrauen waren ganz dünn gezupft und ihr Haar war ganz kaputt und gefärbt.

Daniel Alarcón: Sie war blond. Ihr Lippen rot geschminkt.… Leggings mit Leopardenmuster. Diese Art Kleidung, erzählt Iris, ist in El Salvador ein Code.

Iris: Und so wie sie redete, wusste ich sofort, dass sie kein normales Mädchen war, dass sie vielleicht die Freundin eines Bandenmitglieds war.

Dabei muss man auch bedenken, dass Busse in El Salvador gefährlich sind, weil die Banden das Transportwesen infiltriert haben. Fahrgäste laufen Gefahr, überfallen und ausgeraubt zu werden. Manchmal verlangen die Banden auch Geld von den Beförderungsunternehmen. Wenn diese nicht zahlen, töten die Maras die Fahrer. In manchen Fällen stecken die Busfahrer auch mit den Bandenmitgliedern unter einer Decke. Die Situation ist also sehr komplex.

Iris: Ella me enseñó una cicatriz que andaba en el estomago. Y me dijo, “Mirá, estas son heridas de guerra. Esta demuestra en la calle el valor que tenemos nosotros”, me dijo ella. Nosotros. Es decir, La Mara. Y luego, la muchacha vino con esto:

“Mirá. Cámbiate el pelo. Porque si yo te vuelvo a ver en esta ruta o uno de los motoristas te ve en esta ruta, ya vas a quedar fichada, porque aquí todos nos conocemos. Y como no has querido decirme de donde venís, cuidáte. Y cambiate el pelo”.

Y yo me quedé helada. Fue como…por Dios, ¿qué hago? Había un rumor acá, verdad, que si tu andabas de pelo rojo eras de cierta pandilla, y que si tu tenías pelo rubio pertenecías a otra pandilla.

Iris: Sie zeigte mir eine Narbe auf ihrem Bauch. Und sie sagte: „Schau genau hin, das ist eine Kriegsverletzung. Das zeigt den Menschen auf der Straße unseren Mut”, sagte sie.

„Hey, färb dir die Haare. Denn wenn ich dich das nächste Mal sehe oder wenn einer der Fahrer dich das nächste Mal sieht, erkennen wir dich. Hier kennt jeder jeden. Und da du mir nicht sagen willst, wo du herkommst, solltest du vorsichtig sein. Und färb dir die Haare.”

Ich war wie erstaart. Ich dachte die ganze Zeit…Oh Gott, was mache ich denn jetzt? Damals gab es Gerüchte, dass wenn man rote Haare hatte, man zu dieser Bande gehörte, wenn man blonde Haare hatte zu einer anderen Bande.

Daran hatte Iris nicht gedacht, als sie sich entschloss, sich die Haare zu färben… Ein kleiner Akt, die eigene Persönlichkeit zu zeigen – zunichtegemacht von den Banden. Verglichen mit dem, was man in den Zeitungen liest, scheint dies vielleicht unwichtig. Aber das ist es nicht. Wenn Banden Aspekte des täglichen Lebens beeinflussen – egal wie nebensächlich diese auf den ersten Blick erscheinen mögen – dann ist das als würden sie den Menschen sagen: „Hey, wir haben hier das Sagen. Nicht du. Nicht die Regierung. Nicht die Polizei. Wir.”

Die komplette Folge gibt es hier zum Nachhören: