Welches Ziel verfolgt der IS in Zentralasien?

Photo by Thierry Ehrmann. Flickr.

IS-Graffiti. Foto : Thierry Ehrmann, aufgenommen in Frankreich. Nur zu repräsentativen Zwecken genutzt. Flickr.

IS ist ein Schlagwort in Zentralasien, wo die lokalen Regierungen die radikale Gruppe als direkte Sicherheitsbedrohung betrachten, obwohl sich die zentrale Führung der Organisation nur selten auf die ehemals sowjetische, muslimische Mehrheit in der Region bezieht.

Schätzungen über die Anzahl von Bürgern aus Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, die zur Zeit für den IS kämpfen, variieren zwischen einigen Hundert und einigen Tausend. Die brutale Abspaltung von Al-Qaida kontrolliert momentan halb Syrien und enorme Teile des Irak.

Seitdem nach Beginn des syrischen Bürgerkrieges bekannt wurde, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um für den IS in den Kampf zu ziehen, rückte der IS die Hizb ut-Tahrir und die Islamische Bewegung Usbekistan (ISU) schnell in den Hintergrund und ist nun die extremistische Organisation über die in Zentralasien am meisten gesprochen wird.

Aber genauso wie Analysten sich uneinig sind über die Gründe aus denen Zentralasiaten sich dem IS anschließen, genauso wenige Hinweise gibt es auf einen allgemeinen, taktischen Plan, den die Gruppierung in der Region verfolgen könnte.

Während sich Journalisten streiten und regionale Beamte Verwirrung stiften, indem sie alle Bedrohungen mit dem IS unter einen Hut stecken, kann man den Videos, die der radikalen Gruppe zugesprochen werden und Bürger aus der Region zeigen, entnehmen, wie wenig Hinweise es auf die Verbreitung von IS-Kämpfern unter Zentralasiaten gibt.

Zu Hause anrufen?

Furat Media, eine Medieneinheit des IS, die sich auf die Länder der ehemaligen Sowjetunion konzentriert, veröffentlichte am 25. Juli ein Video unter dem Titel “Botschaft an die Menschen aus Kigisistan”. Das Video zeigt einen Mann, der kirgisisch spricht und Kirgisen dazu aufruft, sich dem IS anzuschließen. Der Mann wurde später als Einwohner der südlichen Region Dschalalabad (Afghanistan) identifiziert, der seine Heimat verlassen hat, um über Moskau vermutlich nach Syrien zu reisen.

In dem Video verschreit er Demokratie als “Gesetz, das von Menschen geschaffen wurde” und rief Mitbürger auf “vom Land der Ungläubigen in das Land des IS” zu ziehen.

Eine anonyme Quelle, die später die lokale Medienstelle Kloop.kg kontaktierte, identifizierte den Sprecher als “Ulan”, ein Mann Ende 20, der “nicht sehr kommunikativ” war, als sie noch gemeinsam die Schule besuchten. Die Quelle sagte, “Ulan” habe einige Zeit in Ägypten verbracht und seit seiner Kindheit arabisch gesprochen, was für die meisten Kirgisen sehr untypisch ist.

Obwohl das bereits gelöschte Filmmaterial mit dem Furat Logo gekennzeichnet war, fehlen die Spezialeffekte und die Gewalt einiger anderer IS-Videos, die über diesen Kanal produziert wurden. Die Frage bleibt offen, ob alles was der Kanal produziert auch streng vom IS PR-Team kontrolliert wird oder ob es sich um eine Art “offenes Mikro” für IS-Kämpfer handelt, die den Menschen in ihrer Heimat den Dschihad predigen.

John Heathershaw, ein britischer Akademiker, der davor warnt die Bedrohung durch den IS in Zentralasien hochzuspielen, sagte zu Kloop:

Presumably, the people behind the message are Kyrgyz, who are led to believe that they will be able to spread the [so-called] caliphate as far as Kyrgyzstan.

Wahrscheinlich sind die Menschen hinter der Botschaft Kirgisen, die zu dem Glauben veranlasst wurden, dass sie im Stande seien das [sogenannte] Kalifat bis nach Kirgisistan auszuweiten.

Schau, wer da spricht

Die Beziehung zwischen dem tadschikischen Staat und Religion ist weiterhin eine der am meisten reizbaren in der Region. Es ist verboten auf der Straße zu beten, die Regierung führt einen Krieg gegen den Hidschab und lokale Polizeibeamte halten manchmal folgsame Muslime an, um ihnen die Bärte abzurasieren.

Am 28. Mai veröffentlichte Furat ein Video über Gulmurod Halimov, einen tadschikischen Polizeichef, der abtrünnig geworden war und dem IS übergetreten ist. In der 12-minütigen Videobotschaft schimpfte Halimov über die antireligiösen Regelungen des Staates und rief Tadschiken, die in Russland als Migranten, als “Sklaven” arbeiten, dazu auf, dem IS im Mittleren Osten beizutreten.

Der Blogger Akmal Rustami kommentierte auf dem beliebten tadschikischen Blog Blogiston.tj:

Целевая аудитория Видео — обращения направлена на трудовых мигрантов которые работают в Российской Федерации а также на обычных молодых неграмотных людей Таджикистана.

Die Zielgruppe dieses Videos sind nicht nur Wanderarbeiter, die in der Russischen Föderation arbeiten, sondern auch gewöhnliche junge, ungebildete Menschen aus Tadschikistan.

Aufgrund Halimovs hoher Position, hat sein Überlaufen eine große mediale Relevanz für die Gruppe. Bei dieser Gelegenheit hat Furat sichergestellt, dass die Produktion besonders effektiv war.

Das ist der am besten umgesetzte Film eines tadschikischen IS-Kämpfers. Wenig überraschend, dass sie Halimov schnell dafür nutzten weitere Kämpfer zu rekrutieren.

Das erste offizielle IS-Video, das sich auf Bürger aus Zentralasien bezieht, erschien im November 2014. Darin erscheint ein Junge, der Kasachisch zu sprechen scheint, sich selber als Abdullah bezeichnet und damit droht Ungläubige zu töten.

In einem Folgevideo im Januar scheint derselbe Junge zwei mutmaßliche, russische Spione zu erschießen. Kloop widersetzte sich dem allgemeinen, regionalen Trend indem es beide Videos veröffentlichte und wurde anschließend in Kasachstan gesperrt und kurzerhand in Kirgisistan aus dem Netz genommen.

Wie das Video über Gulmurod Halimov, zog auch das Video über den Kindersoldaten Abdullah die Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich und war deutlich an ein Publikum außerhalb Zentralasiens gerichtet. Das zweite Video von Halimov dagegen, ist laut einem Analysten viel persönlicher, darin “fehlt die professionelle Bearbeitung sowie Grafik, die in seinem ersten Video erkennbar sind.”

Halimov droht damit seinem Bruder den Kopf abzuschneiden, dafür dass er sich auf die Seite der tadschikischen Regierung gestellt hat, anstatt sich dem IS anzuschließen.

Überschuss an Arbeitskräften

Der IS hat vergleichsweise einen eher eingeschränkten Erfolg dabei Menschen in der Region zu rekrutieren. Proportional gesehen ist es nicht wahrscheinlicher, dass ein kirgisischer Bürger im Vergleich zu einem französischen für den IS in den Kampf zieht. Um einiges unwahrscheinlicher ist es noch, dass ein Kirgise im Vergleich zu einem Libanesen den IS unterstützt. Aber mit einer schnell wachsenden Bevölkerung, wächst auch das Potential der Region die Organisation mit weiteren Anhängern zu versorgen.

Die meisten Zentralasiaten, die ihre Heimat verlassen um dem IS beizutreten, tun dies über den Weg durch Russland oder die Türkei. Am 30. Juli gab der russische Geheimdienst FSB bekannt, dass er einen Kirgisen aufgehalten habe, der das Land verlassen wollte, um sich dem IS anzuschließen. Viele Andere fallen jedoch durchs Netz.

Für Zentralasiaten ist die Reise nach Russland geläufig. Statistiken der Russischen Föderalen Migrationsbehörde zufolge, arbeiten dort 2,5 Millionen Bürger aus Usbekistan, mehr als eine Million aus Tadschikistan und über eine halbe Million aus Kirgisistan. Illegale Migranten sind in den Zahlen nicht enthalten.

Jahrelang haben Bürger aus der Region Lücken in der russischen Wirtschaft gefüllt, das unter dem demographischen Wandel und unter Arbeitermangel leidet. In den zentralasiatischen Republiken gibt es viele Arbeitslose und Unterbeschäftigte.

All das macht die Region zu einer unberührten Mine für die Rekrutierung. Selbst wenn das Kalifat Zentralasien nie nahe kommen sollte, könnten zentralasiatische Kämpfer eine immer wichtigere Rolle spielen, wenn sie ihre Reichweite im Mittleren Osten erweitern.

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