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GV Face: Alles, was man über die massiven “Ihr stinkt”-Proteste im Libanon wissen muss

Kategorien: Nahost & Nordafrika, Libanon, Bürgermedien, Internetaktivismus, Protest, Regierung, GV Face

Am 22. und 23. August erlebte die Stadt Beirut die größten Proteste ihrer jüngsten Geschichte, als sich 20.000 Menschen versammelten, um der Regierung zu sagen: “Ihr stinkt.”

In dieser Ausgabe von GV Face (Video auf Englisch), spricht die Global Voices-Autorin Faten Bushehri [1] mit Joey Ayoub [2], einem Global Voices-Autoren aus Beirut, der eng mit dem Organisationsausschuss von Ihr stinkt (auf Arabisch طلعت ريحتكم oft auch englisch als You Stink bezeichnet) zusammenarbeitet.

Die Müllkrise des Libanon begann am 17. Juli, als Anwohner(innen) die größte Mülldeponie des Landes in der Stadt Na'ameh stilllegten. Auf der Deponie werden Abfälle aus Beirut und dem Libanon-Gebirge entsorgt – einem Gebiet, in dem fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes lebt.

Die Unfähigkeit der Regierung, die Abfallkrise zu lösen, endete in Müllbergen, die sich in den Straßen stapeln und die Menschen, die an ihnen vorbeilaufen, dazu zwingen, Schutzmasken zu tragen.

Die Ihr stinkt-Bewegung wurde angestoßen durch die Forderung von nachhaltigen Lösungen für das Müllproblem und sie brachte die Menschen auf die Straße. Die Situation eskalierte aber schnell und es ging schon bald nicht mehr nur um Abfall, sondern um größere Probleme, die mit der Korruption in der derzeitigen Regierung zusammenhängen.

Der Libanon, der bereits unter einer schwachen Infrastruktur und täglichen Stromausfällen leidet, hat über ein Jahr lang keinen Präsidenten gehabt. 2009 verlängerte das Parlament seine Amtszeit bis 2017, ohne dass Wahlen stattfanden. Als Grund dafür wurde Instabilität genannt.

Hier veröffentlichen wir einen Auszug aus einem Beitrag mit dem Titel “Kann das Reden über Müll einen politischen Wandel im Libanon antreiben? [3]” (Global Voices-Beitrag auf Englisch), den Joey bereits zwei Wochen vor dem Beginn der Proteste geschrieben hat:

I’ve been fortunate enough to experience a Lebanon that isn’t tainted by such helplessness. I’ve experienced political happiness, a term broadly defined by the anthropologist David Graeber as the experience of being able to make sense of a situation through a realization of common purpose—a sense that you trust the people around you because you’re all dedicated to solving the same problem.More recently, I experienced it my interactions with طلعت ريحتكم (‘tol3et re7etkom’, meaning ‘You Stink’), a grassroots movement created as a response to the government’s inability to solve the trash crisis.

Ich konnte mich glücklich schätzen, einen Libanon erlebt zu haben, der nicht von einer solchen Hilflosigkeit beschmutzt war. Ich habe politisches Glück erlebt, ein Begriff, den der Anthropologe David Graeber als die Erfahrung definiert, einer Situation durch die Verwirklichung eines gemeinsamen Ziels Sinn verleihen zu können – einen Sinn, dass man den Menschen um sich herum vertraut, da sich alle der Lösung desselben Problems widmen. Vor kurzem habe ich das bei meinem Austausch mit طلعت ريحتكم (was “tol3et ri7itkom” ausgesprochen wird und “Ihr stinkt” bedeutet) erlebt, einer Graswurzelbewegung, die als Antwort auf das Unvermögen der Regierung geschaffen wurde, die Müllkrise zu lösen.