Das Leben war endlich zurückgekehrt auf den Berg, gleich hinter dem “Campamento de Paz de la Digna Resistencia” (friedlichen und würdevollen Widerstandslager), in einem dichten Wald zwischen der mexikanischen Hauptstadt und der Stadt Toluca gelegen, bevor das Idyll im Oktober 2014 schon wieder zerstört wurde.
“Niemand kann es mit dem Berg aufnehmen. Auch wenn man es versuchen sollte, die Bäume brauchen nur drei Jahre um (nach) zu wachsen,” erklärt eines der Mitglieder der lokalen Otomi Gemeinschaft, während er entlang des Areals spaziert, auf dem die Toluca-Naucalpan Autobahn gebaut werden soll.
Die Otomis (oder auch ñätho, wie sie sich in ihrer eigenen Sprache nennen) waren gerade dabei ein Widerstandslager aufzubauen, um die Zerstörung ihrer Ländereinen, sowie der sechs darauf errichteten Häuser, zu verhindern, als sie vom Befehl des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto hörten, fast 100 Hektar davon für das Autobahnprojekt zu enteignen.
Der Projektauftrag ging an die Teya Corporation, welche Teil der Grupo Higa ist, einem Unternehmen, dass erst kürzlich ein 7 Millionen-Haus in Lomas de Chapultepec – einem Gebiet mit der höchsten Immobilienwertsteigerung des Landes – als Geschenk für den Präsidenten erbauen ließ. Dieser Skandal hat vor weniger als einem Jahr, im November 2014, für weltweite Aufmerksamkeit gesorgt.
Die Frauen im Lager sagen, dass seit dem Beginn der Bauarbeiten unaufhörlich psychologischer Terror herrscht. Es ist nicht nur, dass sie die Bäume fallen und das Land ohne Bewuchs sehen müssen; Es ist auch die konstante Anwesenheit der Polizei und die Spaltung innerhalb der Gemeinschaft zwischen jenen, die vom Projekt profitieren und jenen, die das nicht tun. Wenn die Polizei vorbeikommt, “schreien die Kinder zur Verteidigung ihres heiligen Berges”, sagen die Frauen im Lager, während jene, die vom Projekt profitieren werden “den Polizisten Blumen, Brot und Früchte” anbieten.
Einen Tag, nachdem sie von dem Erlass des Präsidenten erfahren hatten, verlangten die Otomis vor der Nationalen Kommission für Menschenrechte Schutzmaßnahmen gegen den Eninfall der Polizei und der Teya Corportation.
Der schriftliche Erlass des Präsidenten sagt jedoch, dass man sich mit den Otomis zwischen dem 5.-12. Juni beratschlagt hat, im Einklang mit dem ersten und zweiten Absatz der mexikanischen Konstitution und Konvention 169 der internationalen Arbeiterbewegung, sowie der Deklaration der Vereinten Nationen zu den Rechten indigener Völker.
“Es una consulta que se inventaron en unos días” asegura José Luis Fernández, vocero y comunero de Xochicuautla. “El presidente dice que fuimos consultados. Es una gran mentira. No puede haber una consulta de pocos días como dice el decreto”, denuncia.
“Diese Konsultation hat man sich vor ein paar Tagen ausgedacht,” versicherte Jose Luis Fernandez, Sprecher und Mitglied der Xochicuautla Gemeinschaft. “Der Präsident sagt, wir wurden hinzugezogen. Das ist eine fette Lüge. Innerhalb des kurzen Zeitraumes, der im Erlass angeführt wird, kann keine Konsultation stattgefunden haben.”
Fernandez erklärte auch, wie 2007 Vermessungstechniker damit begannen, das Land ohne Erlaubnis der Bevölkerung zu vermessen. Ein Jahr später berief die Gemeinschaft eine Versammlung ein, bewaffnet mit Informationen zu dem Projekt, die sie selbst herausgefunden haben, um zu entscheiden, ob sie dem Bau der Autobahn zustimmen sollten.
“Am 24. Februar 2008, nachdem wir die Bräuche und Gewohnheiten unserer Gemeinschaft genauer untersucht hatten, entschieden wir uns dagegen,” erinnert sich Fernandez.
Der Erlass erklärt in seinem ersten Absatz, dass die Enteignung des Landes für den Bau der Toluca-Naucalpan Autobahn für den “öffentlichen Nutzen” durchgeführt wird. Es steht darin auch, dass der indigenen Bevölkerung etwa 674.000 Dollar als Entschädigung gezahlt wird.
“Esta obra enlaza directamente con el Aeropuerto Internacional de Toluca a toda la zona norte y noroeste de la zona metropolitana de la Ciudad de México, lo que significa una enorme aportación al desarrollo socioeconómico de toda la región centro del país”, dice el decreto.
“Dieses Projekt wird den Internationalen Toluca Flughafen direkt mit den nördlichen und nordöstlichen Stadtgebieten von Mexiko City verbinden, was eine enorme Steigerung der sozio-ökonomischen Entwicklung der gesamten Zentralregion des Landes bedeuten würde,” so der Erlass.
Was im Erlass nicht steht ist, dass es bereit eine Bundesautobahn zwischen der Stadt Toluca und Naucalpan gibt. Genauso wird nicht erwähnt, dass es sich um eine Mautstraße handeln wird und dass die Teya Corporation den Zuschlag für den Bauauftrag 2007 bekommen hat, als Peña Nieto Landeshauptmann des Bundesstaates Mexiko war, wo die vorgeschlagene Autobahn gebaut werden soll.
Peña Nieto enteignete 2014 Huitzizilapan und weitere benachbarte Gemeinschaften von Xochicuautla. Nach Angaben der Bundesregierung, war die Autobahn Ende 2014 zu 34% fertiggestellt.
Gerade einmal ein paar Monate nachdem Peña Nieto sein Präsidentenamt antrat, hat die Banobras Bank (die nationale Arbeits- und Öffentlichkeitsbank Mexikos) 172 Millionen Dollar für die Finalisierung des Projektes bis zur zweiten Jahreshälfte 2015 zur Verfügung gestellt.
Teya hat eine Tochterfirma, Autovan Inc., der vom Bundesstaatsanwalt, dem Sekretär für Umwelt und natürliche Resourcen, sowie der mexikanischen Umweltschutz Agentur “Rechtsverstöße”, das “Zerstören von Bewuchs” und die “Fällung von Bäumen” auf dem bewalteten Gemeinschaftsland der Indigenen (Otomi) vorgeworfen werden.
Seit 2011 entsendet die Bundesregierung die Bereitschaftspolizei zur Überwachung der Gemeinschaftstreffen in Xochicuautla, die dabei bereits 22 Mitglieder festgenommen haben: 14 im Mai 2013 und acht im November 2014. Sie wurden nach ein paar Tagen aufgrund des Mangels an Beweisen wieder entlassen.
Neben der Gebieten Xochicuautla und Huitzizilapan, betrifft der Bau auch die Otomi Gemeinschaft in Ayotuxco. Diese hat Beschwerde eingereicht, um die Bulldozer der Teya Corporation, die bereits Teile ihres Landes zerstört haben, aufzuhalten.
Die Verteidigung des Waldes
Das Projekt verläuft durch einen Wald, der die Hauptstadt des Landes von der Stadt Toluca trennt. Der Wald wird vom Staatsgesetz geschützt, genauso wie auch der staatliche Otomi-Mexica Park als ökologisches Reservat geschützt ist.
Der Otomi-Mexica Wald hat eine Schlüsselposition in der Erhaltung des Aquifers, welches Mexiko City und Toluca mit Wasser versorgt. Der Wald ist auch Heimat einheimischer Tierarten, wie dem Wassersalamander und dem Hirsch. Er ist einer der traditionellen Routen mehrerer indigener Bevölkerungen, die den Berg besteigen um dort Riten für eine fruchtbare Ernte, sowie für die natürliche und spirituelle Balance der Region durchzuführen.
Xochicuautla verteidigt seine Wälder schon seit 8 Jahren und wendet dabei verschiedene Strategien an, wie zum Beispiel das Ausrichten von Foren zusammen mit anderen indigenen Gemeinschaften, wie dem Yaqui Stamm aus dem nördlichen Bundesstaat Sonora, die Zapatista Armee für die nationale Freiheit, die seit 1994 kämpft, und die Familien der vermissten 43 Studenten aus Ayotzinapa, welche die indigenen Gemeinschaft am 20. Juli besuchen werden.
Durch ihre Verteidigung dieses Heiligtums hat sich die Gemeinschaft des Sergio Mendez Arceo Menschenrechtspreises für würdig erwiesen. Dieser ist die angesehenste unabhängige Anerkennung in Mexiko.
Bei einer Pressekonferenz am 15. Juli verkündete das Zeferino Ladrillero Zentrum für Menschenrechte, welches die Otomis rechtlich unterstützt, dass Xochicuautla einem “Zurückgewinnungs Gegenerlass” zugestimmt hat, um Land, welches bereits verwendet wurde, zurückzugeben. Der “Gegenerlass” wurde durch Repräsentanten der Gemeinschaft und des Indigenen Obersten Rates unterzeichnet, mit der Absicht, einen Präzedenzfall in Mexiko zu schaffen.
Armando Garcia, Abgesandter für Bräuche und Gewohnheiten, rief die allgemeine Öffentlichkeit und andere indigine Gruppen dazu auf, ihre Sache zu unterstützen und dem Lager beizutreten.
“Es ist klar, dass das Agrargesetz nur dazu gedient hat, die Vertreibung der einheimischen und indigenen Gruppen zu legalisieren, nicht nur in Xochicuautla. Es gibt auch Gegenwehr gegen den La Parota Damm im Bundesstaat Guerrero und gegen den Bau eines Aquädukts im Gebiet unserer Freunde, dem Yaqui Stamm,” sagt Fernandez, Sprecher und Mitglied der Gemeinschaft von Xochicuautla. “Das selbe passiert überall in ganz Mexiko,” fügt er hinzu.