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Was man über den Fall Äthiopien gegen Zone9-Blogger wissen muss: Das Urteil wird für den 20. Juli erwartet

Kategorien: Äthiopien, Bürgermedien, Internetaktivismus, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, GV Advocacy
Police lead Natnael Feleke (center right) and fellow blogger Atnaf Berahane (center left) to court. Photo courtesy of Trial Tracker Blog.

Die Polizei führt Natnael Feleke (in der Mitte rechts) und seinen Bloggerkollegen Atnaf Berahane (in der Mitte links) ins Gerichtsgebäude. Foto: Trial Tracker Blog, mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Seitdem sie am 25. April 2014 verhaftet und inhaftiert worden sind, haben Äthiopiens Blogger [1] der Zone9 viele Wendungen ihres Falls erlebt. Alle erzählen, sie seien innerhalb von 15 Monaten 30-mal vor Gericht erschienen und das Verfahren ist jedesmal verschoben worden. Aber jetzt hat der Fall einen kritischen Punkt erreicht, nachdem in der vergangenen Woche fünf der Gefangenen auf freien Fuß [2] gesetzt worden sind. 

Fünf äthiopische Autoren (vier im Gefängnis und einer in Abwesenheit) werden wegen des Vorwurfs, terroristische Straftaten begangen zu haben, immer noch gerichtlich verfolgt. Die äthiopische Regierung wirft ihnen vor, seit Mai 2012 straffällig geworden zu sein. Am 20. Juli 2015 wird erwartet, dass Äthiopiens Oberstes Gericht in diesem Fall das Urteil spricht.

Endalk Chala, ein Gründungsmitglied des Bloggerkollektivs Zone9 und Global Voices-Autor beantwortet sechs Schlüsselfragen, die sich Unterstützer aus aller Welt in Gedanken stellen.

Was genau wird den Autoren vorgeworfen?

Die Staatsanwälte sagen, dass sich die Autoren im Verborgenen für eine Abschaffung, Änderung oder Aussetzung der Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien durch Gewalt, Drohungen oder Konspiration engagiert hätten. Darüberhinaus beschuldigt die Staatsanwaltschaft die Autoren, ihre Kommunikation verschlüsselt zu haben. Außerdem beruht die Anklage auf dem Vorwurf der Verbreitung aufrührerischer Schriften, deren Ziel es sei, Unruhe in der Öffentlichkeit zu schaffen, um die verfassungsmäßige Ordnung des föderalen Staates zu beseitigen, zu ändern oder zeitweise auszusetzen. Während im ersten Anklagepunkt geltend gemacht wird, dass die Autoren die Antiterror-Gesetze des Landes verletzt hätten, bezieht sich der zweite Vorwurf auf eine Verletzung des Strafgesetzbuches der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien. Beide Formen der Anklage [3] sind angesichts des zu erwartenden Strafmasses schwerwiegend, wobei sich die Medien in ihrer Berichterstattung meistens darauf fokussieren, dass die Autoren des Terrorismus beschuldigt werden.

Wurden in der vergangenen Woche nicht alle Autoren freigelassen?

Zehn Personen stehen unter Anklage, nur fünf von ihnen sind in der letzten Woche plötzlich aus ihrer Haft entlassen worden. Die Art und Weise ihrer Freilassung ist dermaßen mysteriös, dass sogar ihr Strafverteidiger erst im Radio von der Haftentlassung seiner Mandanten erfahren hat. Kritiker meinen, die Regierung versuche, durch die Freilassung einiger weniger Personen wegen des bevorstehenden Staatsbesuchs von US-Präsident Obama [4] in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ihr Gesicht zu wahren.

Was genau ist ein Einzelrichterprozess?

In Äthiopiens Rechtsordnung gibt es ausschließlich Einzelrichterprozesse, in denen ein einzelner oder auch mehrere Richter, aber keine Geschworenen, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten feststellen. Dementsprechend sind die Verfahren gegen die Blogger der Zone9 von einem  Richter namens Shelemew Bekele geleitet worden, der dem aus drei Richtern zusammengesetzten Gericht vorsitzt. Allerdings haben die Blogger der Zone9 wiederholt hervorgehoben, dass in ihrem Fall die Person des präsidierenden Richters mindestens viermal gewechselt hat, seitdem die Prozesse gegen sie begannen. Nachdem die Blogger bei der Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen den Richter stellten, versprach Shelemew Bekele sein Amt in diesem Fall niederzulegen, aber er ist immer noch Vorsitzender.

Welches Schicksal werden die Blogger haben?

Da fünf der Autoren, denen ganz ähnliche Tatbestände vorgeworfen werden, freigelassen worden sind, besteht die Hoffnung, dass das äthiopische Gericht auch die verbliebenen fünf Blogger entlasten wird. In kurzen Stellungnahmen haben die auf freien Fuß gesetzten Autoren gesagt, sie seien vollkommen ratlos, warum ihre Kollegen im Gefängnis bleiben mussten. Gleichzeitig seien sie aber optimistisch, dass ihre Freunde schnell wieder bei ihnen in Freiheit sein werden.

Was ist, wenn die Blogger schuldig gesprochen werden?

Für Terrorismus und Anstiftung zum Aufruhr liegt in Äthiopien die dafür zwingend vorgeschriebene Strafe bei mindestens acht Jahren Haft. Wegen des Fehlens irgendwelcher Beweise, die zur Untermauerung der Vorwürfe herangezogen werden könnten, hoffe ich jedoch auf Freisprüche. Das Gericht möge erkennen, dass die Blogger ausschließlich dafür angeklagt worden sind, dass sie ihre Arbeit getan haben, die mit Menschenrechtsaktivitäten zusammenhängt, so wie es aus ihren regierungskritischen Artikeln hervorgeht.

Was sagt uns dies über Äthiopiens Rechtssystem? 

Der Fall der Zone9-Blogger ist in Äthiopiens stark beeinträchtigtem Rechtssystem leider keine Ausnahme. Die Triebkraft der politischen Korruption und die Tatsache, dass die Justiz nur noch aus einer elitären und mächtigen Minderheit besteht, ist nur die Spitze des Eisbergs.

Endalk Chala ist Gründungsmitglied des Bloggerkollektivs Zone9. Er absolviert gegenwärtig in den USA an der Universität von Oregon ein Doktorandenstudium.