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Washington D.C.: Tausende äthiopischstämmige Amerikaner feiern ihre Herkunft

Kategorien: Subsahara-Afrika, Äthiopien, Bürgermedien, Sport
ESFNA-DC-2015-5 [1]

Fußballmanschaften aus den USA und Kanada umrunden feierlich das Spielfeld. Foto, aufgenommen am 30. Juni 2015: ECAD-Forum, mit Genehmigung veröffentlicht

Wie in jedem Sommer, haben sich vor einer Woche auch in diesem Jahr wieder tausende Menschen der äthiopischen Diasporagemeinschaft in den USA und Kanada getroffen. Sie feierten das größte äthiopische Sportfest und Kulturfestival [2] außerhalb ihres Heimatlandes.

Diesmal fand das vom Äthiopischen Sportverbandes in Nordamerika veranstaltete Fest im Byrd-Stadion [3] statt, das auf dem Campus der Universität Maryland, Washington D.C., liegt. Im nahen Echostage gab es auch Kultur zu bewundern.

Die Organisatoren des Festivals sagten, dass es in den letzten 30 Jahren noch nie so viele Besucher gegeben habe. Unzählige äthiopischstämmige Amerikaner gingen zu den Fußballspielen, Golfturnieren, Konzerten, Handelsmessen, Aufklärungskampagnen und kirchlichen Predigten.

From the EFSNA site.

Quelle: EFSNA Webseite.

Das Festival geht auf das Jahr 1984 zurück. Es gibt einen faszinierenden Blick auf Äthiopien frei und erschließt die äthiopisch-amerikanische Politik, deren Kultur und Geschichte.

Abgesehen von äthiopischen Regierungsvertretern oder staatstreuen Diasporagruppen, die dem Festival größtenteils ferngeblieben sind, nahmen Äthiopier aus allen Lebensbereichen teil, so wie im Exil lebende Journalisten, Politiker und Aktivisten. Auch äthiopische Religionsgemeinschaften, Geschäftsleute und Kunstgaleristen waren dort vertreten. Sie alle haben den tief empfundenen Wunsch, mit den Angelegenheiten ihres Heimatlandes auf dem Laufenden zu bleiben.

Das Institut für Migrationspolitik [4] (MPI) informiert darüber, dass in Äthiopien geborene Einwanderer die zweitgrößte afrikanische Immigrantengruppe der USA bilden, nach Nigeria. Das Institut schätzt, dass heute ungefähr 251.000 äthiopische Zuwanderer und deren Kinder in den Vereinigten Staaten leben. Laut dem früheren Politikanalysten des MPI, Aaron Matteo Terrazas [5], “steigt diese Schätzung auf 460.000, wenn man die Nachkommen der in Äthiopien geborenen Einwanderer hinzuzählt”.

Der jährliche Fußballpokal

Im Mittelpunkt des Festivals steht das alljährliche Fußballturnier [6]. 31 Amateurmannschaften aus den USA und Kanada tragen innerhalb von sechs Tagen insgesamt 46 Spiele aus. Zwei Mannschaften kommen aus Kanada, einige Mannschaften aus unterschiedlichen Regionen der Vereinigten Staaten, beispielsweise aus LA, Dallas, DC, Maryland und Seattle, wo besonders viele Äthiopier leben.

Screenshot from EFSNA.net. [6]

Bildschirmfoto von EFSNA.net.

ESAT, ein für die äthiopische Diaspora produziertes Satellitenprogramm, berichtet [7], dass diese Veranstaltung von den meisten der äthiopischen Amerikaner am Fernsehgerät verfolgt wird und, dass sie dabei die Farben ihres Heimatlandes tragen: rot, gelb und grün.

The parade of the soccer teams, the opening prayers, the book fairs, clothes and dance shows, the food sells and the display of the souvenirs made the event elaborately Ethiopian. The 60th anniversary of Ethiopia’s famed National Theatre will also be commemorated as a part of this year’s event. This festival serves not only as a reunion event but it also provides opportunity for parents to teach their second generation kids their Ethiopian heritage.

Der Einmarsch der Fußballmanschaften, die Gebete zur Eröffnung, die Buchausstellungen, die Bekleidung und Tanzvorführungen, das Essenangebot und die ausgestellten Andenken haben die Veranstaltung zu einer typisch äthiopischen werden lassen.

Die äthiopische Regierung errang einen düsteren Menschenrechts-Rekord

Die demonstrative Abwesenheit von Regierungsvertretern und regierungsnaher Diasporagemeinschaften ist eine Mahnung an die dunkle politische Situation des Landes.

Während das Festival im Stadtgebiet veranstaltet wird, protestieren [8] viele Menschen vor dem Weißen Haus, wo sie äthiopische Fahnen schwenken und heimatliche Musik spielen. Sie beschwören Präsident Obama, seinen geplanten Staatsbesuch in Äthiopien [9] wegen der dort grassierenden exzessiven Menschenrechtsverletzungen abzusagen.

Äthiopien ist ein autokratisch regiertes Land, das seit 24 Jahren von derselben politischen Partei beherrscht wird. Die Opposition wird immer wieder mundtot gemacht. Korruption ist in Äthiopien weit verbreitet und die staatlichen Medien dominieren alles. Im vergangenen Jahr sind mehr als 30 äthiopische Journalisten ins Exil getrieben worden. Seit 2010 hat Human Rights Watch [10] über 60 äthiopische Journalisten berichtet, die “ins Exil geflohen sind, allein im vergangenen Jahr waren es 30. Weitere 19 oder mehr Journalisten darben im Gefängnis. Schikanen und Einschüchterungen durch die Regierung haben 2014 sechs unabhängige Medien dazu veranlasst, ihre Arbeit einzustellen”.

In einem Beitrag für das ECAD-Forum [11] hebt Teshome Debalke hervor, wie sehr Äthiopiens Regierung politische und kulturelle Diskussionen außerhalb des eigenen Landes im Griff hat:

I looked over 10 [Ethiopian] online media [sites] and found [that] except two, none of them even mentioned the festival. One wonders why media [outlets] that consider themselves Ethiopian don’t want Ethiopians to come together celebrating their people. Does [Ethiopia's ruling regime] Woyane have something to do with it?

Ich habe mir eine Übersicht über die Berichterstattung von 10 [äthiopischen] Onlinemedien verschafft und dabei festgestellt, [dass] mit Ausnahme von zwei Publikationen keine dieses Festival erwähnt. Man wundert sich darüber, warum Nachrichtenportale, die sich selbst als äthiopisch betrachten, nicht wollen, dass sich Äthiopier versammeln, um ihr Volk zu feiern. Hat Äthiopiens Woyane-Regime etwas damit zu tun?

Ein von Tamrat Negera, einer in DC im Exil lebenden Journalistin, bei Facebook auf Amharisch veröffentlichter Kommentar [12] vermittelt auch einige Einblicke in das Misstrauen und die Feindseligkeiten innerhalb der äthiopischen Diaspora:

Welcome, all of you who have come from across the United States to the DC area for the sake of the soccer game! How exciting is it to see so many of you like this?! You are warming our houses and brightening the streets. We are loving it, please come again. But, some of you are showing off, [claiming to be better than us], as if we are a bumpkin from Chelenko [an underdeveloped province in Ethiopia], your bragging is embarrassing, please play fair.  Now, I understand why Ethiopians back home are sick of the diaspora, it is because they see the likes of you. It is not good if we look down on each other, because we all know each other, play fair. I would have regretted it if I had not mentioned it to you that when you enjoy in one of the many Ethiopian bars in the area please treat your waitress sister with respect and dignity. You have no right to violate their rights [look down on them or insult them]  no matter how much tip you give.

Herzlich Willkommen, die ihr aus allen Teilen der Vereinigten Staaten wegen des Fußballspiels nach DC gekommen seid! Wie aufregend es doch ist, so viele von euch hier zu sehen?! Ihr seid der Glanz in unseren Häusern und der Sonnenschein in unseren Straßen. Wir lieben das, bitte kommt wieder. Dennoch, einige von euch trumpfen auf [sie behaupten, etwas Besseres zu sein als wir es sind], so als ob wir die Bauerntrampel von Chelenko wären [das ist eine unterentwickelte Region in Äthiopien]. Eure Angeberei ist beschämend. Jetzt verstehe ich, warum die Äthiopier in der Heimat von der Diaspora die Nase voll haben: Weil sie Leute wie Euch vor Augen sehen. Es ist nicht in Ordnung, wenn wir auf andere herabsehen, seid fair. Es hätte mir leid getan, wenn ich euch das nicht gesagt hätte. Also wenn ihr es euch in einer der äthiopischen Bars hier in der Gegend gut gehen lasst, begegnet bitte der Kellnerin, die eine Landsfrau ist, mit Respekt und Würde. Ihr habt nicht das Vorrecht, ihre Rechte zu missachten [zu ihnen herabzusehen oder sie zu beleidigen]. Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, wie viel Trinkgeld ihr gebt.