- Global Voices auf Deutsch - https://de.globalvoices.org -

Netzbürger-Report: Studierende in Kolumbien und Kasachstan verklagt, weil sie fremde Forschungsergebnisse teilen

Kategorien: Kasachstan, Kolumbien, Bürgermedien, GV Advocacy
Diego Gomez, photo courtesy of Fundacion Karisma.

Diego Gomez. Foto: Stiftung Karisma, mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Der Netzbürger-Report von Global Voices Advocacy ist eine internationale Momentaufnahme von Herausforderungen, Siegen und neuen Trends im weltweiten Internetrecht.

Am 7. Juli wird in Kolumbien ein Studierender vor Gericht stehen, weil er eine fremde wissenschaftliche Veröffentlichung im Internet geteilt hat. Der macht in seiner Klage gegen Diego Gomez [1] geltend, dass sein Urheberrecht verletzt worden sei, weil seine Forschungsergebnisse bei Scribd eingestellt worden sind; Scribd ist ein Webportal zum Teilen von Dokumenten. Gomez sieht sich juristisch verfolgt, obwohl er lediglich die Resultate der betreffenden Forschungsarbeit mit seinen Kommilitonen teilen wollte und dadurch keinerlei geldwerte Vorteile hat. Der 27-jährige könnte mit 8 Jahren Gefängnis bestraft werden.

Dieser Fall hat bei den Verfechtern digitaler Rechte in Amerika einen Nerv getroffen. Die Vereinigten Staaten haben auf dem gesamten amerikanischen Kontinent einen unverhältnismäßig hohen Einfluss auf die Urheberrechtspolitik. Das ursprünglich 2006 unterzeichnete Freihandelsabkommen [2] zwischen Kolumbien und den Vereinigten Staaten verlangt, die US-Urheberrechtsvorschriften möglichst gleichlautend in die nationale Gesetzgebung zu überführen. In Kolumbien sehen die in den letzten drei Jahren beschlossenen [3] Gesetze höhere Strafen [4] für Verletzungen des Urheberrechts vor. Es können nicht bloß Geldstrafen, sondern auch Freiheitsstrafen verhängt werden. Um die ganze Angelegenheit noch schlimmer zu machen, gibt es keinerlei Ausnahmeregelungen, wie beispielsweise für eine angemessene Verwendung [Fair Use-Politik [5]].

Gomez, der inzwischen nach Costa Rica gezogen ist, um seinen Studienabschluss in Naturschutz zu machen, illustriert auf beispielhafte Weise, wie Kolumbiens neuerdings verschärfte Urheberrechtsgesetze die akademische Freiheit und das Innovationsvermögen ersticken. Gomez arbeitet aktiv mit der Stiftung Karisma in Bogota zusammen, einer Bürgerrechtsgruppe für digitale Rechte. Dadurch möchte er auf seinen Fall aufmerksam machen [6]. In seinem kürzlich veröffentlichten Aufruf für mehr Unterstützung hat er geschrieben:

Si el acceso abierto fuera la regla y no la excepción para la publicación de los resultados de investigación científica, su impacto seria mayor y casos como el mío no existirían. No habria dudas de que lo correcto es que este conocimiento circule para que pueda servirle a todo el mundo.

Sofern bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen ein freier Zugang die Regel und nicht die Ausnahme wäre, würde deren Wirksamkeit vergrößert werden und Fälle, wie meinen, gäbe es dann nicht. Es kann wohl kaum bezweifelt werden, dass die Welt von einem Recht auf frei verfügbares Wissen profitieren würde.

In Europa hat zwischenzeitlich der Wissenschaftsverlag Elsevier [7] die kasachische Wissenschaftlerin Alexandra Elbakyan wegen SciHub verklagt; einer Internetplattform, die sie gegründet hat, um wissenschaftliche Aufsätze kostenfrei sammeln und teilen zu können. 2011 begann sie mit ihrem Projekt, in Kasachstan und in anderen Ländern, die häufig keinen Zugang zu den großen Forschungsdatenbanken des Westens haben, naturwissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse nutzbar zu machen. In einem Interview mit TorrentFreak erklärte Elbakyan die Rolle von SciHub für russische und zentralasiatische Wissenschaftler:

The software immediately became popular among Russian researchers. There was no big idea behind the project, like ‘make all information free’ or something like that. We just needed to read all these papers to do our research.

Unter russischen Forschern ist diese Plattform schnell populär geworden. Hinter dem Projekt steckte überhaupt keine großartige Idee, wie freie Informationen für alle oder so. Wir mussten einfach nur diese Veröffentlichungen lesen, um forschen zu können.

Trotz der Tatsache, dass Sci-Hub eine freie Plattform ohne kommerzielle Interessen der Betreiber ist, verklagte der Wissenschaftsverlag Elsevier Sci-Hub auf Millionen US-Dollar Schadenersatz. Aber Elbakyan ist nicht gewillt, sich in die Knie zwingen zu lassen.

“Momentan muss ich entweder nachweisen, dass wir das Recht dazu haben, oder wir riskieren eben, genauso hingerichtet zu werden, wie andere Piraten” sagt sie und bezieht sich dabei auf Aaron Swartz [8], den Kämpfer für offenes Wissen und früheren MIT-Studenten, der sich angesichts einer drohenden Inhaftierung das Leben nahm. Ihm wurde vorgeworfen, Aufsätze von einer wissenschaftlichen Datenbank ohne Erlaubnis heruntergeladen zu haben. “Falls Elsevier es schafft, unser Projekt zu beenden oder es in das Darknet [9] hineinzwingt, ist das eine durchaus wichtige Botschaft: Die Öffentlichkeit hat kein Recht auf Wissen.

Equador: Angriffe auf die Medien und ein schwächelndes Mobilfunknetz

Während der jüngsten Proteste [10] gegen steigende Steuern auf Erbschaften und Kapitalerträge haben Equadorianer in Quito und Guayaquil Unterbrechungen der Mobilfunkverbindung [11] bemerkt. Die Ursachen dieser Störungen sind noch unklar. Einige Nutzer vermuten, das Mobilfunknetz sei überlastet gewesen, während andere den Einsatz von Störsendern für möglich hielten. Außerdem gab es DDoS-Attacken [12] auf Ecuavisa.com, LaRepublica und Teleamazonas. Deren Webseiten waren zeitweise offline.

Vietnamesischer Menschenrechtsanwalt aus der Haft entlassen

Der vietnamesische Menschenrechtsanwalt und Blogger Le Quoc Quan ist seit 27. Juni nicht mehr im Gefängnis [13]. Er war wegen Steuerhinterziehung angeklagt worden und verbüßte eine 30-monatige Haftstrafe. Quan ist von den vietnamesischen Behörden mehrmals willkürlich verhaftet worden, weil er in seinem Einsatz für Menschenrechte nicht nachließ. Er veranlasste die Vereinten Nationen, die Verletzung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf einen fairen Prozess zu verurteilen.

Technologieindustrie sagt Großbritannien Tschüß und begründet dies mit den aufgeweichten Datenschutzgesetzen

Immer mehr Unternehmen verlassen Großbritannien [14], um in die Niederlande zu gehen. Sie sind über Regierungspläne besorgt, wonach die Datenschutzgesetze aufgeweicht werden sollen, damit von Technologieunternehmen verlangt werden kann, in ihren Produkten und Diensten einige Hintertüren für den Staat zu öffnen. Besonders erbost sind die Unternehmenschefs über die geplante Abschaffung des Human Rights Act [15]und wegen der Wiederbelebung der sogenannten Schnüffelgesetze [16], die der ohnedies schon massenhaften Überwachung durch den Nachrichtendienst GCHQ [17] noch mehr Raum geben würde. Alles in allem sehen die Unternehmen ihre wirtschaftlichen Interessen bedroht.

Australien bietet dem demütigen Torrent-Freak keinen Rückzugsraum

In Australien ist ein neues Gesetz beschlossen [18] worden, dass es den Inhabern von Urheberrechten leichter macht, einen Gerichtsbeschuss zur Blockierung von Webseiten zu erwirken, die entweder ganz offensichtlich nur den Zweck verfolgen, Urheberrechte zu verletzen oder deren Verletzung möglich machen. Der australische Senat wies eine Reihe von Sicherheitsklauseln zurück, die den betroffenen Parteien sowohl Rechtsmittel als auch das Recht eingeräumt hätten, virtuelle private Netzwerke [19] [VPNs] zu betreiben. Nach aktueller Rechtslage können VPNs blockiert werden, falls gegen sie eine Klage läuft, weil ihre Dienste dazu geschaffen seien, Urheberrechtsverletzungen zu erleichtern.

Dänisches Gericht fordert Facebook auf, alles zu offenbaren

Ein dänisches Gericht hat Facebook aufgefordert, seine Server einem externen Sachverständigen zugänglich zu machen [20], damit geprüft werden kann, dass das Unternehmen tatsächlich über keine Informationen verfügt, die einem jungen Mädchen helfen könnten, herauszufinden, wer ohne ihre Einwilligung ein Sex-Video über sie veröffentlicht hat. Facebook argumentiert: Wer immer das Video veröffentlicht haben mag, derjenige habe ein Benutzerkonto gefälscht, das gelöscht worden ist, bevor das Unternehmen Anfragen zu den Nutzerdaten erhalten hat. “Facebook ist juristisch dazu verpflichtet, die entsprechenden Informationen herauszugeben, weil die unbekannte Person gesetzwidrig gehandelt hat und die nötigen Angaben nicht auf anderen Wegen erlangt werden können”, entschied das Gericht.

Neue Studie [auf Englisch]

Weitere wichtige Artikel von Global Voices Advocacy:

Ellery Roberts Biddle [25], Lisa Ferguson, Hae-in Lim und Sarah Myers West [26] haben zu diesem Report beigetragen.

Netzbürger-Report [auf Englisch] per Email abonnieren [27]