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Das Internet versiegt: Wie das Recht auf Vergessenwerden Russlands Suchmaschinen verändern könnte

Kategorien: Ost- und Zentraleuropa, Russland, Bürgermedien, Internetaktivismus, Meinungsfreiheit, Recht, RuNet Echo
Search results on the RuNet might dry up as a result of new "right to be forgotten" law. Images mixed by Tetyana Lokot.

Das Recht auf Vergessenwerden könnte zu einem Versiegen der Suchresultate führen. Fotomontage: Tetyana Lokot.

Eine neue Webseite, die von russischen Werbetreibenden initiiert worden ist, fordert dazu auf, sich vorzustellen, wie die Suchmaschinen des russischen Internets im Jahre 2018 aussehen könnten, falls das Recht auf Vergessenwerden tatsächlich in Kraft treten sollte.

Die Webseite mit dem Namen Oblivion [1] [Vergessen] simuliert die Startseite einer Suchmaschine, die verdächtig nach der von Yandex aussieht, Russlands größter Internetsuche.

Front page of the "Oblivion" (zabvenie.com) website.

Startseite von “Oblivion”.

On June 16, 2015 State Duma passed in first reading a draft bill about the “right to be forgotten,” which obligates search engines to delete links to any information that is over three years old, based on citizens’ requests and without court orders. A formal complaint addressed to the search engine and mentioning the topic of the information is enough. This violates the basic principles of the Internet and Article 29 of the Russian Constitution, which guarantees the right to search for information freely using any lawful means.
We invite you to take a look at what search could look like three years after the “right to be forgotten” law is passed.

Am 16. Juni 2015 hat die Staatsduma in erster Lesung einen Gesetzentwurf für ein Recht auf Vergessenwerden beschlossen. Es verpflichtet Suchmaschinen, auch ohne Vorliegen von Gerichtsbeschlüssen Links zu Einträgen zu entfernen, die älter als drei Jahre sind, sofern dies von Bürgern verlangt wird. Eine formale Beschwerde, die unter Angabe des Themas der Information an die Suchmaschine adressiert sein muss, würde ausreichen. Dies verletzt sowohl die Grundrechte des Internets als auch Artikel 29 der russischen Verfassung, die das Recht garantiert, mit allen legalen Mitteln uneingeschränkt nach Informationen zu suchen. Wir laden dazu ein, einen Blick darauf zu werden, wie Suchmaschinen drei Jahre nach dem Inkraftreten des Rechts auf Vergessenwerden aussehen könnten.

“Oblivion” erlaubt die uneingeschränkte Suche, liefert jedoch für jeden Suchbegriff null Resultate, mit einer Ausnahme: Wie lautet der Nachname des russischen Präsidenten Wladimir? Das einzige Resultat dieser Suche [auf Russisch: Putin] ist sein russischer Wikipedia-Eintrag. Alle anderen Suchanfragen werden mit folgender Botschaft beantwortet: “Für Ihre auf das Jahr 2018 bezogene Suchanfrage wurden keine Suchergebnisse gefunden. Das Internet gibt es nicht mehr”.

Only one search query—"Путин" (Putin)—produces any results, and even then, only returns one link.

Bloß noch eine einzige Suchanfrage —”Путин” (Putin)— führt zu Resultaten und sogar dann wird nur noch ein einziger Link angezeigt.

Die Initiatoren von Oblivion, Wjatscheslaw Smirnow und Wladislaw Arbatow, sagten gegenüber TJournal [2], sie hätten nicht die Hoffnung, an diesem Entwurf irgendetwas zu verändern. Aber dennoch möchten sie zeigen, wie gefährlich es werden könnte, wenn er tatsächlich Gesetzeskraft erlangt.

Сайт призван продемонстрировать, что там в принципе ничего нет в поиске. Речь не о цензуре ни в коем случае, а о том, что из себя будет представлять ландшафт поисковых результатов с этим законом (точнее, пока ещё законопроектом).
С другой стороны, речь вполне может пойти и о цензуре, но пока рано об этом говорить, так как непонятно, как процедура будет работать на практике.

Die Webseite ist dafür bestimmt, zu zeigen, dass nichts mehr da ist, in den Suchresultaten. Wir reden nicht über Zensur, nein, aber darüber, wie die Suchmaschinen-Landschaft mit diesem Gesetz (bis jetzt ist es nur ein Entwurf) aussehen würde.
Andererseits können wir sehr wohl eine Zensur sehen. Aber es ist noch zu früh, um darüber zu reden. Es muss erst klar werden, wie diese Verfahrensweise in der Praxis funktioniert.

Die Webseite wurde ins Leben gerufen, um den bereits nach der ersten Lesung erfolgten Parlamentsbeschluss über den Gesetzentwurf hervorzuheben. Bloß ein einziger Abgeordneter hat gegen die Gesetzesinitiative gestimmt [3], 423 waren dafür. Damit dieses Gesetz in Kraft treten kann, hat es in der Staatsduma zwei weitere Lesungen zu überstehen. Anschließend muss es vom Föderationsrat [Oberhaus der beiden Parlamentskammern] genehmigt und vom Präsidenten unterzeichnet werden. Falls das geschieht, wird das Gesetz zum 1. Januar 2016 wirksam.

In Russland haben sich die Vertreter der Internetbranche gegen das Gesetz ausgesprochen. Dort bezeichnet man es als verfassungswidrig und argumentiert, dadurch würde das Recht der Russen auf einen freien Zugang zu Informationen eingeschränkt. In Übereinstimmung mit russischen Medienberichten haben Abgeordnete sich nach einem Treffen mit Vertretern von Yandex und des Russischen Verbands für Elektronische Kommunikation damit einverstanden [4] erklärt, aus der ersten Fassung des Gesetzentwurfs einen strittigen Passus zu entfernen. Dieser hätte es Privatpersonen ermöglicht, Suchmaschinen zur Löschungen von Links zu zwingen, die sich auf jede Art von persönlichen Informationen beziehen, die älter als drei Jahre sind. Dies hätte sogar gelten sollen, wenn keine Beweise dafür vorhanden gewesen wären, dass diese Informationen unrichtig oder verleumderisch sind.