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Jemens Kulturerbe, ein Kriegsopfer

Kategorien: Jemen, Bürgermedien, Geschichte, Katastrophe, Kriege & Konflikte, Kunst und Kultur
 A captivating view of Old Sana'a by photographer Ameen Alghabri

Fesselnder Blick über Alt-Sanaa, fotografiert von Ameen Alghabri

Jemen ist eines der ältesten Zentren der Zivilisation in der arabischen Welt, aber auch das ärmste arabische Land und steht nun schon seit mehr als drei Monaten durch die Luftangriffe seines Nachbarn Saudi-Arabien unter Dauerbeschuss. Die Offensive begann, nachdem Huthi-Rebellen die Hauptstadt Sanaa unter ihre Gewalt brachten und somit die Flucht des Präsidenten Abdu Rabu Mansour Hadi in die Hafenstadt Aden erzwangen. Wenig später suchte dieser Asyl in der saudischen Hauptstadt Riyadh.

Laut dem aktuellen Bericht [1] des Büros der Vereinten Nationen zur Koordination Humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA), wurden seit Beginn des Krieges am 25. März mehr als 2.500 Menschen getötet und über 11.000 verletzt. Eine Million Menschen sind obdachlos im eigenen Land und 21,1 Millionen Menschen – 80 Prozent der Bevölkerung – sind auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Aber die Bevölkerung des Landes sind leider nicht die einzigen Opfer dieses Krieges. Jemens Kulturerbe litt ebenfalls.

Am 9. Mai nahmen saudische Jets die Imam al-Hadi Moschee, eine Huthi-Festung, in Saada ins Visier. Die Moschee wurde vor 1.200 Jahren erbaut und ist die drittälteste im Jemen.

Die saudischen Angriffe nehmen die historische Imam Al-Hiadi Moschee in Saada ins Visier. Das Video stammt vom TV-Sender der Huthi TV Almasirah. #Jemen #FriedenfürJemen

Foto von der Al-Hadi Moschee in der Provinz Saada, heute von den saudischen Luftangriffen getroffen, 4 Tote und 10 weitere Verwundete.

Jamila Hanan, eine Menschenrechtsaktivistin, teilte Fotos der antiken, wunderschönen Moschee:

Habe von der wunderschönen Al-Hadi Moschee aus dem 9. Jahrhundert in #Saada im #Jemen gelesen. Kann kaum glauben, dass sie bombardiert wurde.

Am 11. Mai wurde die Altstadt Sanaas, der Hauptstadt Jemens, einer der ältesten bewohnten Städte auf der Welt, über Nacht schwer unter Beschuss genommen. Dies führte zu schweren Schäden an vielen der historischen Gebäude. Weitere von den Luftangriffen betroffene Gebiete sind die Altstadt von Saada und die archäologische Stätte Baraqish, eine vorislamische, befestigte Stadt. Daraufhin gab die Generaldirektorin der UNESCO Irina Bokova, eine Stellungnahme [11] ab, in der sie alle beteiligten Parteien dazu aufforderte, Jemens Kulturerbe zu schützen:

I am particularly distressed by the news concerning air strikes on heavily populated areas such as the cities of Sana’a and Saa’dah. In addition to causing terrible human suffering, these attacks are destroying Yemen’s unique cultural heritage, which is the repository of people’s identity, history and memory and an exceptional testimony to the achievements of the Islamic Civilization…I call on all parties to refrain from any military use or targeting of cultural heritage sites and monuments, in respect of their obligations under international treaties

Mir machen besonders die Meldungen von Luftangriffen in dicht besiedelten Gebieten, wie zum Beispiel die Städte Sanaa und Saada, Sorgen. Zusätzlich zum schrecklichen menschlichen Leid, das sie verursachen, zerstören diese Angriffe auch Jemens einzigartiges Kulturerbe – die Aufbewahrungsorte der Identität, Geschichte und Erinnerung des Volkes und ein außergewöhnliches Zeugnis für die Errungenschaften der islamischen Zivilisation… Ich rufe alle beteiligten Parteien dazu auf, sich ihrer Pflichten durch die internationalen Abkommen klarzuwerden, die Verwendung militärischer Maßnahmen zu unterlassen und kulturelle Stätten und Monumente nicht ins Visier zu nehmen.

Am 24. Mai wurde die antike Al-Shareef Zitadelle in Bajel (Provinz Al-Hudaida) angegriffen [12].

Jemens Kulturerbe von Saudis angegriffen. Fotos von der Al-Shareef Festung in Bajel, Al-Hudaida im #Jemen, dreimal von den Saudis getroffen.

Am 25. Mai wurde das regionale Museum Dhamars vollkommen zerstört. In der Sammlung des Museums befanden sich tausende Artefakte der Himyar [15] Zivilisation.

Das Dhamar Museum, Heimat von über 10.000 Artefakten der Himyar Zivilisation, sowie die nahegelegene Ausgrabungsstätte Zafar wurden durch Raketen der #KSA (Saudi-Arabische Koalition) zerstört. #Jemen

Das Museum in #Dhamar vor und nach den kürzlich durchgeführten Luftangriffen der Koalition unter Führung der #Saudis.

Am 1. Juni wurde der antike Staudamm von Mareb angegriffen und zerstört [25]. Die saudischen Jets beschädigten dabei die besser erhaltene, nördliche Schleuse. Der Staudamm wird als “eines der größten Wunder der Technik der antiken Welt” bezeichnet und ist eine der wichtigsten antiken Stätten des Jemen. Sein Bau wird in die Zeit der Königin von Saba datiert. Der ursprüngliche Damm wurde im 8. Jahrhundert in Marib, der Hauptstadt des einstigen Königreiches Saba (Sheba), erbaut.

Das “Technik-Wunder” in Königin Sabas Stadt durch Luftangriffe beschäftigt.

Die Zeitung Yemen Post teilte Vorher-Nachher Fotos des großen Damms:

Vorher und Nachher… Fotos der historischen Touristenattraktion im #Jemen, der “Marib-Staudamm” wurde durch Luftangriffe beschädigt.

Am 4. Juni viel angeblich auch Dar-al-Hajar den saudischen Luftangriffen zum Opfer. Der “Steinpalast” sitzt auf einem Felsen im Wadi Dhar, nördlich von Sanaa und wurde um 1786 von Imam Mansur erbaut.

Dar al-Ahajer wurde heute durch Jets der saudiarabischen Koalition bombardiert. Das Kulturerbe und die Geschichte des Landes befindet sich ebenfalls unter saudischen Beschuss. #Jemen

Am 5. Juni wurde auch die Festung Al-Qahera (Kairo) zerstört. Die Festung überblickt die Stadt Taiz und wurde angeblich von den Huthi und den Streitkräften des vertriebenen Präsidenten Ali Abdulla Saleh als militärischer Posten zum Beschuss der Gegner in der Stadt genutzt. Yemen Post twittert Fotos der Festung unter Beschuss und Vorher-Nachher-Fotos, die den Schaden zeigen:

AlQahera Festung ZERSTÖRT: Eine der wichtigsten historischen Stätten im #Jemen und #UNESCO Weltkulturerbe durch #Saudi Luftangriffe getroffen.

VOR und NACH dem ANGRIFF: Die 800 Jahre alte, historische AlQahera Festung in Taiz gibt es Dank der saudischen Raketen nicht mehr. #Jemen

Die Zerstörung all dieser Kulturdenkmäler durch die Luftangriffe der Saudis im Jemen blieb bisher weitgehend unbeachtet, bis zum Morgen des 12. Juni, als eine saudische Rakete das Qassimi Viertel in der Altstadt Sanaas traf. Das Viertel steht auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes und konnte 9.000 Lehmziegelhäuser vorweisen, einige davon wurden im 11. Jahrhundert erbaut. Die Welt war empört über die Nachricht von der Zerstörung des 3.000 Jahre alten Kulturerbes durch die Luftangriffe der Saudis, besonders die Jemeniten waren tief betroffen.

Ein Video, hochgeladen von UNESCO [39], verschafft einen kleinen Einblick in das alte Sanaa:

Die Fotografin Alex Potter schreibt dazu:

Asche zu Asche. #Sanaa #Jemen

Der Bericht in der Spätausgabe von @CNN über die Zerstörung der Altstadt von #Sanaa.

Und ein weiteres Mal verurteilt und beklagt die Generaldirektorin der UNESCO die Angriffe auf die Altstadt Sanaas. In einer Stellungnahme [47] sagt sie:

I reiterate my call to all parties to respect and protect cultural heritage in Yemen. This heritage bears the soul of the Yemeni people, it is a symbol of a millennial history of knowledge and it belongs to all humankind.

Ich wiederhole meinen Aufruf an alle beteiligten Parteien erneut, das Kulturerbe Jemens zu respektieren und zu schützen. Diese Denkmäler tragen die Seele des Volkes in sich, sie sind ein Symbol der jahrtausende alten Geschichte des Wisssens und dieses gehört der gesamten Menschheit.

Ahmed Al-Sayaghi teilte Fotos des Qassemi Viertels in Alt-Sanaa vor und nach den Angriffen, mit den zerstörten Häusern.

#SANAA STADT vor und nach den Luftangriffen #Jemen

In seinem Bericht auf al-Araby al-Jadeed [51] drückt Abubakr Al-Samahi sehr wortgewaltig aus, was viele Jemeniten fühlen:

We have become accustomed to seeing the destruction of Yemen.
Yet, when the places destroyed are buildings you remember, streets you walked down and sights you loved, the pill is harder to swallow…Of course, the lives of the thousands killed in Yemen's war are more important. But I, and many other Yemenis, feel a deep sense of pain when we see the destruction of our heritage, places that we want to share with the world.
It took our ancestors hundreds, if not thousands of years to build our cities in the sands and our palaces in the mountains. All it takes is a moment for them to be destroyed.

Wir haben uns daran gewöhnt, die Zerstörung des Jemen mit anzusehen. Wenn aber die Zerstörung Orte betrifft, an die man sich erinnert, Straßen, auf denen man spaziert ist und geliebte Sehenswürdigkeiten, dann ist es eine bittere Pille… Natürlich sind die tausenden ausgelöschten Leben des Krieges im Jemen wichtiger. Dennoch fühle ich, wie viele andere Jemeniten auch, einen tiefgründigen Schmerz, wenn ich die Zerstörung unseres Kulturerbes sehe, Orte, die wir mit der Welt teilen wollen. Unsere Vorfahren brauchten hunderte, wenn nicht tausende Jahre um unsere Wüstenstädte und Bergfestungen zu bauen. Alles was es für ihre Zerstörung braucht ist ein kurzer Augenblick.

Ali Almurtada zog einen Vergleich, um das Gefühl des jemenitischen Schmerzen zu erklären:

Wenn es euch schwerfällt nachzuvollziehen, was Alt-Sanaa den Jemeniten bedeutet, stellt euch vor, die Pyramiden in #Ägypten wurden zerstört. #Jemen

Der Jemen mag vielleicht wirtschaftlich gesehen ein armes Land sein, kulturell gesehen, [54] ist es jedoch sehr reich. Sein Kulturerbe und seine Geschichte ist eine Quelle des Stolzes für die Jemeniten und seine Zerstörung mitanzusehen ist ein schmerzlicher Verlust. Es scheint als ob die saudiarabische Offensive “Hoffnung wiederbringen” mehr und mehr zu “Geschichte zerstören” wird. Heute weinen die Jemeniten für Mensch und Stein, Leben und Geschichte, zerstört im Krieg durch alle Beteiligten – den vertriebenen Präsident Saleh, die Huthi Kämpfer und die saudiarabische Koalition.