Hongkongs Bürger verlangen Rechtsschutz für Metadaten zu Telefongesprächen

Data privacy protest, Unter den Linden, Germany. Photo from Flickr User: Lindsay Eyink (CC: AT)

Demonstration für den Datenschutz, Unter den Linden, Deutschland. Foto von Flickr-Nutzer: Lindsay Eyink (CC: AT)

Hongkongs höchstgestellter Datenschutzbeauftragter stellte endlich klar, welches rechtliche Verfahren die Anfragen, die der Gesetzesvollzug bei Internetanbietern nach Nutzerdaten stellt, reglementiert. Dadurch kann nun mit Sicherheit gesagt werden, dass in Hongkong in solchen Fällen keinerlei rechtliches Verfahren zum Tragen kommt. Dieser Umstand provoziert die Frage, ob Regierungsbehörden wirklich Zugang zu unseren Metadaten erhalten sollten, ohne dabei von Gerichten kontrolliert zu werden?

Lai Tung-Kwok, Hongkongs Staatssekretär für Sicherheit, gab bei einer Zusammenkunft des Legislativrats am 29. April an, dass Exekutivbehörden Nutzerdaten (wie beispielsweise Account-Namen, IP-Adressen und Protokolle) von Internetanbietern anfordern dürfen, wenn es darum geht, bei der Ermittlung in Kriminalfällen Zeugen, Beweise oder Verdächtige aufzuspüren. Eine Vollmacht wird nur dann benötigt, wenn der Inhalt von Unterhaltungen und Dokumenten erfasst werden soll. Um Metadaten anzufordern ist hingegen keine Vollmacht notwendig. Folglich unterliegen die 23.946 Anfragen nach Nutzerinformationen, welche die Polizei sowie die Zollbehörde Hongkongs in den vergangenen fünf Jahren gestellt haben, keinerlei gerichtlichen Kontrollen.

Die Vollzugsbeamten sind scheinbar der Meinung, dass Metadaten, sogenannte “non-content” [übersetzt etwa “inhaltslose”] Daten, nicht heikel sind. Im Zeitalter moderner Technologien können Metadaten jedoch eine große Menge an personenbezogenen Informationen enthüllen. Die Protokolle von Websites bezüglich Benutzerangaben und IP-Adressen können der Polizei zum Beispiel Aufschluss darüber geben, wann man sich in ein lokales Forum einloggt und wie lange man dort verweilt. Mithilfe der Internetanbieter ist es der Polizei zudem möglich, zu ermitteln, wo genau man sich gerade aufhält, wenn man auf das Forum zugreift.

Die Entwicklung hin zur Speicherung riesiger Datenmengen und nutzerorientierter Werbung beweist, dass Metadaten sehr wohl Informationen beinhalten. Wenn man bedenkt, was Konzerne alles über einen Menschen erfahren können, indem sie lediglich Zugang zu dessen Metadaten erhalten, kann man sich unschwer vorstellen, dass Regierungen ebenso handeln könnten.

Chiang Yam Wang, Hongkongs Datenschutzbeauftragter, äußerte kürzlich in einem Blog-Post seine Befürchtungen darüber, dass die Metadaten von Internetnutzenden zu wenig geschützt würden. Er ist überzeugt, dass unsere Metadaten verräterischer sein können als der eigentliche Inhalt von Unterhaltungen.

Metadata portrays a detailed, comprehensive and time-stamped picture of who is communicating with whom, when, how often, and for how long; where the senders and recipients are located, who else is connected to whom, and so forth. It thus reveals the details of our personal, political, social, financial, and working lives.

Metadaten geben ein detailliertes, umfassendes und zeitlich genau festgelegtes Bild dessen wieder, wer mit wem wann, wie oft und über welchen Zeitraum hinweg kommuniziert; auch, wo sich Sender und Empfänger befinden, wer sonst noch mit wem verbunden ist und so weiter. Somit enthüllen sie Einzelheiten über unsere Persönlichkeit, politische Einstellungen, soziale und finanzielle Aktivitäten sowie unser Arbeitsleben.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in Hongkong den Zugriff auf persönliche Daten regulieren, hinken denen anderer Staaten hinterher – selbst solcher Staaten, in denen der Datenschutz einen geringen Stellenwert einnimmt. Beispielsweise wird der US-amerikanische Electronic Communications Privacy Act [Gesetz, das sich mit Datenschutz in Bezug auf elektronische Kommunikation befasst] ständig dafür kritisiert, Metadaten zu wenig zu schützen. Dennoch sind dort Regeln dafür festgelegt, denen Strafverfolgungsbeamte folgen müssen, wenn sie Internetanbieter dazu zwingen, die Metadaten ihrer Nutzenden herauszugeben. Selbst der häufig verteufelte Abschnitt 215 des USA PATRIOT Act, der als Reaktion auf die Angriffe des 11. Septembers erlassen wurde, verlangt nach einer gerichtlichen Zustimmung, wenn es darum geht, große Massen an telefonischen Metadaten zu sammeln. Zwar haben Rechtsexperten kein großes Vertrauen in das spezielle Gericht, welches derartige Maßnahmen überwacht – um genau zu sein hat ein Bundesgerichtshof dessen Vorgehen erst am 7. Mai diesen Jahres als verfassungswidrig erklärt. Dennoch übertrifft selbst diese Richtlinie das Vorgehen, welches in Hongkong angewandt wird.

Zudem fehlt es in Hongkong an klaren Leitsätzen, welche die Speicherung gesammelter Daten regeln. Dasselbe Problem trat in letzter Zeit in verschiedenen Teilen der Welt auf. Vergangenen März bereitete ein Richter in den Niederlanden dem holländischen Gesetz zur Speicherung von Daten ein Ende. Dieses sah vor, dass die Daten der Kunden von Telekommunikationsfirmen ein Jahr lang, die derer von Internetanbietern sechs Monate lang gespeichert werden. Nach Aussage des Richters helfe das Gesetz zwar, Kriminalität zu bekämpfen, verletze aber zugleich die Privatsphäre der Nutzenden von Telefon und Internet. Im Gegensatz dazu wurde im selben Monat in Australien ein umstrittenes Gesetz zur Sicherheit erlassen, welches Telekommunikations- und Internetanbieter dazu verpflichtet, persönliche Kundeninformationen zwei Jahre lang zu speichern. Dies soll dem Gesetzesvollzug dabei behilflich sein, inländischen Terrorismus zu bekämpfen.

Bei der Diskussion um “persönliche Privatsphäre gegenüber öffentlicher Sicherheit” lohnt es sich, eine Idee des Rechtstheoretikers Robert Post in Betracht zu ziehen: Datenschutz bedeutet nicht, dass persönliche gegen gesellschaftliche Interessen ankämpfen, sondern, dass das Individuum durch die Regeln und Werte der Gesellschaft geschützt wird. Probleme, die den Datenschutz betreffen, beinhalten das Ausbalancieren gesellschaftlicher Interessen in beide Richtungen.

Hongkong ist stolz auf seine Rechtsstaatlichkeit. Daher verunsichert es, zu sehen, wie hier ohne Gesetze oder Verordnungen, welche den Zugang der Polizei zu Metadaten regulieren und überwachen, vorangeprescht wird. Besonders alarmierend ist dieser Umstand außerdem, wenn man bedenkt, wie sich dies auf die freie Verbreitung von Informationen und die Redefreiheit auswirkt. Der Verlust ihrer Privatsphäre im Internet ist sicherlich kein Preis, den die Bürger Hongkongs zu zahlen bereit sind, um denjenigen aus dem Weg zu gehen, die tatsächlich Verbrechen begehen.

Jennifer Zhang ist Wissenschaftlerin für den Hong Kong Transparency Report [Bericht über Transparenz in Hongkong] am Journalism and Media Studies Centre der Universität von Hongkong.

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