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Dem Osmanischen Reich habt ihr den Taco zu verdanken, den ihr gerade esst!

Kategorien: Lateinamerika, Nahost & Nordafrika, Israel, Libanon, Mexiko, Palästina, Syrien, Türkei, Bürgermedien, Essen, Migration & Immigration
Tacos al pastor from Carmela's Mexican Restaurant in Beaumont, Texas. Credit: Randy Edwards/CC BY-NC-ND 2.0 [1]

Die Tacos al Pastor in Carmelas mexikanischem Restaurant in Beaumont, Texas. Foto: Randy Edwards/CC BY-NC-ND 2.0

Dieser Artikel und der dazugehörige Radiobericht von Deena Prichep [2] und Daniel Estrin [3] für The World [4] erschien ursprünglich auf PRI.org [5] am 7. Mai 2015 und wird hier als Teil einer Content Sharing Vereinbarung auszugsweise neu veröffentlicht.

Im mexikanischen Supermarkt in Portland, Oregon, findet man einen sich drehenden Schweinefleisch-Spieß vor, bestückt mit Chilis und Zwiebeln und triefend vor Fett. Wenn du dir davon etwas in eine Tortilla schneidest, hast du einen Taco al Pastor, das traditionelle mexikanische Streetfood.

Einmal um die halbe Welt, in Jerusalem, ergibt sich das gleiche Bild. In dem winzigen Restaurant Al Waary wird ein vertikaler Grillspieß mit Rindfleisch nahe der Flammen geröstet, gewürzt mit scharfem Essig. Schneide dir davon etwas in eine Pita und du hast eine Shawarma — das typische Street Meat des Mittleren Ostens.

Wenn du jetzt darüber nachdenkst, ob diese beiden beliebten Gerichte miteinander verwandt sein könnten, liegst du richtig. Also haben wir uns auf die Spur des Streetfoods begeben, um Näheres herauszufinden, beginnend mit Jerusalem.

“Shawarma ist sehr, sehr interessant,” sagt Ali Qleibo, ein Anthropologe aus Palästina. Wir treffen ihn in der kleinen Shawarma Bude Al Waary an. Die Ursprünge des Wortes Shawarma stammen aus dem Türkischen, von dem Wort çevirme, was so viel wie “drehen” bedeutet.

Ali Qleibo, a Palestinian anthropologist, in front of Al Waary shawarma stand in Jerusalem. Credit: Daniel Estrin. Published with PRI's permission

Ali Qleibo, ein Anthropologe aus Palästina, vor dem Al Waary in Jerusalem. Foto: Daniel Estrin. Mit freundlicher Genehmigung von PRI

Man findet verschiedenste Versionen der Shawarma überall dort im Mittleren Osten, wo einst das Osmanische Reich regierte.

“Die Türken nennen ihn Döner Kebab, die Griechen nennen ihn Gyros, bei den Irakern heißt er Kas,” erzählt Qleibo. “Diese Beispiele zeigen dir den allgegenwärtigen Einfluss des Osmanischen Reiches, da alle ehemaligen Angehörigen des Osmanischen Reiches die Shawarma essen, auch wenn sie unterschiedliche Namen dafür haben.”

Natürlich blieben nicht alle Osmanen im Reich selbst. Etwa 36.000 Menschen unter osmanischer Herrschaft machten sich zwischen dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert nach Mexiko auf.

“Die Leute kamen von weit her, sogar aus Ägypten. Ich habe auch einige Leute ausfindig gemacht, die aus dem Irak kamen,” erzählt uns Theresa Alfaro-Velcamp, eine Geschichtsprofessorin an der staatlichen Universität, welche die Migrationen aus dem Mittleren Osten nach Mexiko nachverfolgte. “Die Mehrheit kam aus der Levante, wie es zu dieser Zeit hieß und heute das Gebiet der modernen Staaten Libanon und Syrien umfasst.”

Die Migranten gingen aus den üblichen Gründen: die Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten, Verweigerung der Wehrpflicht und Flucht vor religiöser Gewalt. Und als sie hier ankamen, brachten sie auch ihr Essen mit. “Ab den 1930ern gab es Restaurants, die Shawarma servierten,” sagt Jeffrey Pilcher, Historiker und Autor des Buches “Planet Taco [6].”

A shawarma sandwich in Jerusalem. Swap in pork for lamb, and a tortilla for a pita, and you've got the Mexican classic, Taco al Pastor. Credit: Daniel Estrin. Published with PRI's permission

Ein Shawarma Sandwich (Jerusalem). Wenn man das Lamm durch Schwein austauscht und die Pita mit der Tortilla, dann hat man einen mexikanischen Klassiker, den Taco al Pastor. Foto: Daniel Estrin. Mit freundlicher Genehmigung von PRI

Dann entwickelte sich die Küche weiter: “Während der 1960er eröffneten die in Mexiko geborenen Kinder der libanesischen Einwanderer … ihre eigenen Restaurants und begannen, eine Art Mischform zu kreieren,” sagt Pilcher.

“Sie nehmen die Technologie, mit der sie in den libanesischen Restaurants aufgewachsen sind, den vertikalen Grillspieß — doch anstatt Lamm zu benutzen, nehmen sie Schweinefleisch,” so Pilcher. “Sie marinieren das Fleisch in roter Chilisauce, welche auch für die charakteristische Färbung verantwortlich ist, bereiten es zu und servieren es als Taco al Pastor.”

Sogar die Bezeichnung “al Pastor,” also “nach Art des Hirten,” ist eine Anspielung auf die ursprünglich nahöstliche Version des Gerichtes mit Lamm.

Als die mexikanische Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg boomte, verbreitete sich der Taco al Pastor von den kleineren Dörfern aus auch in den größeren Städten und gelangte letztendlich bis in die USA.

“Die Tatsache, dass dieses klassische Gericht ein eher moderner Import aus dem Mittleren Osten ist, macht es deswegen nicht weniger mexikanisch.” fügt Pilcher, der Taco Historiker, hinzu. “Authentizität ist nicht immer etwas, dass sich bis zu den antiken Azteken oder Mayas zurückverfolgen lassen muss,” meint er. “Was bedeutet, dass sich Mexiko kontinuierlich mit jeder weiteren Generation wieder neu erfindet.”

Ob nun Lamm oder Schweinefleisch, Tortilla oder Pita, Jerusalem oder Portland, das Wesentliche hat sich nicht geändert: Fett und Feuer, eine Hand voll Gewürze, eine schnelle Mahlzeit — und der Geschmack von Tradition.