Jonathan McCully trug zu diesem Artikel bei. Wenn nicht anders angegeben, führen die Links in diesem Artikel zu englischsprachigen Webseiten.
Im vergangenen Monat wurde Rafael Marques de Morais mit dem Index on Censorship Freedom of Expression Award for Journalism ausgezeichnet, dem Preis des Index für Pressefreiheit im Journalismus. Er erhielt den Preis für seinen “einflussreichen, originellen und standhaften investigativen Journalismus”, den er in seinem Heimatland Angola betreibt. Morgen steht er vor Gericht. Ihm werden mehrere Anklagen auf kriminelle Diffamierung zur Last gelegt, aufgrund seiner journalistischen Arbeit.
In seiner Dankesrede für die Auszeichnung hatte Marques de Morais seinen Glauben an die “Macht der Solidarität” bekräftigt. Er widmete die Auszeichnung seinen äthiopischen Kollegen Eskinder Nega und Reeyot Alemu, die zur Zeit inhaftiert sind, weil sie Gebrauch machten von Ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung.
Marques de Morais ist bereits seit über zwei Jahrzehnten ein prominenter investigativer Journalist Angolas. Er arbeitet für nationale und internationale Medien und betreibt einen eigenen, webbasierten investigativen Nachrichtendienst, Maka Angola (englisch/portugiesisch). Gegenstand der Gerichtsverhandlung ist sein Buch Blood Diamonds: Corruption and Torture in Angola (Blutdiamanten: Korruption und Folter in Angola). Dieses Buch wurde nicht nur als seriöses Werk investigativer journalistischer Arbeit gelobt, sondern auch als bedeutsame Reportage zu Menschenrechten: Das Buch dokumentiert zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, die von Generälen des angolanischen Militärs während des Diamantbergbaus in Angola begangen wurden. Und diese Reportage rückt einen Bereich der angolanischen Wirtschaft in den Blickpunkt, von dem oft zu wenig berichtet wird. Als Folge dieser Berichterstattung werden an Marques de Morais Schadensersatzforderungen gestellt, die sich auf insgesamt $1.6 Millionen belaufen. Zusätzlich drohen ihm neun Jahre Gefängnis. Für jemanden, der die Öffentlichkeit über gravierende Menschenrechtsverletzungen informiert, ist diese für ihn geforderte Strafe ein dreister Erpressungsversuch. Seine Gerichtsverhandlung beginnt am 23. April, vor dem Landgericht in Luanda, Angola.
Schon öfter verurteilt wegen kritischer Berichterstattung
Marques de Morais ist diese Form der Unterdrückung wohl vertraut. Bereits dreimal hatte er im Jahr 1999 Artikel für die unabhängige angolanische Zeitung Agora geschrieben, in denen er Kritik am Präsidenten Dos Santos geäußert hatte. Er schrieb, der Präsident sei verantwortlich ‘für die Zerstörung des Landes’ und klagte ihn an, der Inkompetenz und Korruption des politischen Lebens des Landes Vorschub zu leisten. Marques de Morais wurde seinerzeit 43 Tage lang inhaftiert, ohne Anklage. Danach wurde er weiter verfolgt und letztendlich schuldig befunden, den Präsidenten “verbrecherisch geschädigt zu haben”. Die Strafe bestand aus einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, plus Schadensersatzzahlungen.
Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen vertritt die Ansicht, dass die Schwere dieser kriminellen Sanktionen “nicht als angemessene Maßnahme gelten kann, um die öffentliche Ordnung zu erhalten oder die Ehre und den Ruf des Präsidenten zu schützen. Letzterer ist schließlich eine öffentliche Person und hat als solche auch mit öffentlicher Kritik und Opposition zu rechnen.”
Blutdiamanten: Korruption und Folter in Angola
Zu Beginn der 2000 Dekade recherchierte Marques de Morais über den Handel mit Diamanten aus den Konfliktgebieten Angolas. Im Zuge dieser Recherchen entdeckte er Menschenrechtsverletzungen in der Region von Lunda in Angola. 2011 erschien sein Buch Diamantes de sangue: Corrupção e tortura em Angola (Blutdiamanten: Korruption und Folter in Angola) in Portugal. Das Buch informierte detailliert zu Morden, die begangen worden waren sowie zu Folterungen, Einschüchterungen und Landenteignungen, die Einwohner der Diamantbergbauregion bei Lunda während des Zeitraumes von 18 Monaten erfahren hatten. Es enthielt bahnbrechende Reportagen zu 500 Folterungen und 100 Morden. Laut den Berichten dieses Buches waren Wächter einer privaten Sicherheitsfirma sowie mehrere Generäle der angolanischen bewaffneten Streitkräfte Komplizen bei diesen Misshandlungen.
Im November 2011 erstattete Marques de Morais in Luanda Anzeige, wobei er neun angolanische Generäle des Verbrechens gegen die Menschlichkeit anklagte sowie der Korruption im Zusammenhang mit den Diamantbergbauaktivitäten, die in der Region Luanda stattgefunden hatten. Der Generalstaatsanwalt jedoch weigerte sich, die Anzeige aufzunehmen mit dem Argument, dass die Information, die die Opfer gegeben hätten, “wertlos” sei, da diese “keine neuen Informationen enthielten” außer denen, die sie Marques de Morais für sein Buch bereits gegeben hatten.
Der Strafprozess in Portugal, Angola
2012 klagte eine Gruppe angolanischer Generäle in Portugal Marques de Morais öffentlich an, mit seinem Buch kriminelle Diffamierung betrieben zu haben. Am 11. Februar 2013 entschied die portugiesische Staatsanwaltschaft, sehr zur Unzufriedenheit der Generäle, die Anklage fallen zu lassen. Als Begründung gab sie an, dass die Intention seitens Marques de Morais’ “eindeutig gewesen sei, zu informieren und nicht, zu beleidigen.” Im März 2013 reichten die Generäle beim Gerichtshof von Lissabon eine Zivilklage ein. In dieser forderten sie $400,000 Schadensersatz für angebliche diffamierende Bemerkungen, die in dem Buch gemacht worden seien.
Noch während das Strafverfahren in Porugal lief, wurde Marques de Morais am 3. April 2013 zum Verhör bei der Abteilung für organisiertes Verbrechen der Nationalen Polizei in Luanda, Angola vorgeladen. Die Vorladung geschah ohne richterliche Vollmacht, de Morais wurde in Abwesenheit seines Anwaltes verhört und wurde auch nicht zu der Art der Beweislast informiert, die gegen ihn versammelt worden war. Nach einer ganzen Reihe solcher irregulären Vorladungen und Begegnungen mit der Staatsanwaltschaft wurde Marques de Morais schließlich informiert, dass die Gerichtsverhandlung im Dezember 2014 stattfinden würde. Die Anhörung wurde letztendlich seitens der angolanischen Behörden verschoben; ein offensichtlichen Versuch, ausländische Prozessbeobachter und Mitglieder der Öffentlichkeit davon abzuhalten, bei der Verhandlung anwesend zu sein.
Angola muss die Afrikanische Charta der Menschenrechte respektieren
Zum Jahresende 2014 entschied der African Court on Human and Peoples’ Rights (Afrikanischer Gerichtshof für Menschen- und Völkerrecht), dass Inhaftierungsmaßnahmen nur in sehr besonderen Fällen als legitime, mit freier Meinungsäußerung kollidierende Intervention geschehen dürften, wie beispielsweise der Anstiftung zum Hass oder zur Gewalt. Das Gericht entschied auch, dass alle Strafen für kriminelle Vergehen, inklusive solcher zivilrechtlicher Art, in entsprechend proportionellem Verhältnis zum jeweiligen Straftatbestand stehen müssen.
Die Behörden Angolas versuchen, Marques de Morais auf der Basis einer Auslegung von krimineller Diffamierung zu beschuldigen, die einen klaren Angriff auf das Recht der Meinungsfreiheit darstellt. Dieses Recht ist im angolanischen Rechtssystem jedoch mittels Artikel 9 des African Charter (der Afrikanischen Gesetzgebung zu Menschen- und Völkerrecht) verankert. Und als solches ist dieses Recht auch bindend für Angola. Nicht nur droht de Morais hier eine neunmonatige Inhaftierung, weil er zu Themen öffentlichen Interesses berichtet hat. Es gibt auch keinen erkennbaren legitimen Grund, weswegen die Behörden eine solch drastische Strafe verhängen sollten.
Marques de Morais’ Fall ist eine anschauliche Illustration der anhaltenden Kampagnen, mittels derer diejenigen verfolgt werden, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Seine Geschichte zeigt besonders deutlich die oft unproportionalen strafrechtlichen Sanktionen, die über die verhängt werden können, die versuchen, in Angola ihre Stimme gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen zu erheben. Wir hoffen, dass das angolanische Gericht seine Verpflichtung lauf Artikel 9 der Afrikanischen Charter nachkommen wird, wenn dort am 23. April 2015 die Anhörung zu diesem Fall stattfindet. Doch wir wissen auch, dass die Lage von Marques de Morais eine prekäre bleibt.
Jonathan McCully ist Case and Project Support Officer (Fallbetreuer und Projektunterstützer) bei der Media Legal Defence Initiative (MLDI, Rechtsbeihilfe für Medienschaffende), einer global agierenden Organisation, die Journalisten, Blogger und unabhängige Medien dabei unterstützt, ihre Rechte zu verteidigen. Dies geschieht seitens der Organisation durch das Angebot finanzieller Unterstützung und substanzieller Prozesshilfe. Nani Jansen ist MLDI's Legal Director (Chefjuristin).