Partnerprojekt: Mit dem neuen Tool von Tactical Tech die Beobachter beobachten

Screen capture from shadow video, by Tactical Technology Collective.

Screenshot des Videos “Ich und mein Schatten” des Tactical Technology Collective.

Geschrieben von Fieke Jansen und Maria Xynou des Tactical Technology Collective.

Wenn wir an Überwachung denken, neigen wir dazu, zu vergessen, dass viele unserer alltäglichen Tätigkeiten aufgezeichnet und zu kommerziellen Zwecken erfasst werden. Dazu gehört beispielsweise das Lesen der Nachrichten im Internet. Das geschieht oft ohne unser Wissen und ohne unsere Einwilligung und es stellt für die, die diese Daten auswerten sowie die Datenindustrie eine Goldgrube dar. Diese Industrie ist intransparent und es ist uns nicht klar, welche und wie viele Unternehmen uns folgen, wenn wir auf Webseiten zugreifen. Es bleibt auch im Verborgenen wie mit unseren Daten umgegangen wird und an wen sie schließlich weitergegeben werden.

Die Organisation Tactical Technology Collective arbeitet daran, die Datenindustrie mithilfe der neuen Open Source-Anwendung Trackography zu untersuchen und grafisch darzustellen. Dieses Tool bringt zum Vorschein, welche Drittparteien uns nachverfolgen und wohin unsere Daten geführt werden, wenn wir auf Internetseiten von Medien zugreifen.

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Wenn sich unsere Daten ihren Weg durch das Internet suchen, einem internationalen Netzwerk der Netzwerke, bewegen sie sich mehrfach durch verschiedene Server rund um die Welt. Bei dem Besuch einer Webseite reisen unsere Daten zu den Servern der Webseite und denen von nachverfolgenden Drittparteien, beispielsweise Werbetreibenden.

Das Tool Trackography veranschaulicht, dass das Lesen der Nachrichten im Internet weit politischer ist, als wir es uns möglicherweise ausmalen. Laut eines Tests, der mit Trackography durchgeführt wurde, gehen die Daten derjenigen in der Ukraine, die auf die beiden nationalen Medienseiten pravda.com.ua und vesti.ua zugreifen, durch die Netzinfrastruktur Russlands. Und es folgen ihnen auch verschiedene Dritte, datenerfassende Unternehmen, unter anderem Yandex aus Russland. Angesichts der politischen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine, wirft es Fragen auf, dass ein russisches Unternehmen zur Datenerfassung kommerziell Profile von ukrainischen Internetnutzerinnen und -nutzern erstellt. Insbesondere, da das Unternehmen diese Profile an Dritte weitergibt. Es bleibt dabei unklar, wie lange die Daten gespeichert werden, zu welchem Zweck die Profile anschließend verwendet werden und wer darauf Zugriff hat.

Datenpolitik betrifft aber nicht nur diese geopolitischen Routen, die jeder Intuition widersprechen, sondern sie kann auch mit dem Datenschutz in Konflikt stehen. Während wir möglicherweise auf Onlinenachrichten von Ländern aus zugreifen, in denen es einen wirksamen Datenschutz gibt, werden unsere Daten unter Umständen in Länder geleitet, in denen es das nicht gibt. Ein Test von Trackography zeigt, dass die Daten von Personen, die von Deutschland aus auf die Webseiten deutscher Medien zugreifen, durch die Netzinfrastruktur von Indien geleitet werden, wo zur Zeit noch kein Datenschutzgesetz in Kraft ist. Es ist also fraglich, wie unsere Daten adäquat geschützt werden können, wenn der Zugriff auf verschiedene Webseiten impliziert, dass sie in weitere Länder übermittelt werden, in denen es andere Schutzmaßnahmen gibt – oder eben überhaupt gar keine.

Ein kurzer Blick in die Datenindustrie

Die überwiegende Mehrheit der Webseiten, auf die wir zugreifen, verfügt über integrierte Bilder und Kodes, die Informationen über uns sammeln und an die Server der Unternehmen weiterleiten. Diese Unternehmen sind die “datenerfassenden Dritten”, die unsere IP-Adresse speichern und durch die Verwendung von Cookies der Webbrowser und anderer Technologien unsere Internetaktivität nachverfolgen. Oft speichern sie auch allerlei Technologien zur Datenverfolgung auf unserem Browser, was es ihnen ermöglicht, auch alle anderen Webseiten zu erfassen, die wir von da an besuchen. All das dient dazu, unsere Interessen abzubilden und Profile von uns zu erstellen.

Trackography veranschaulicht, wie bestimmte Unternehmen uns überwachen, immer dann, wenn wir auf eine Medienseite zugreifen. Tests von Tackography in 37 Ländern weltweit haben ergeben, dass sich Google, Facebook und Twitter am stärksten an die Spur der Leserschaft von Onlinenachrichten heften.

Es bleibt allerdings weiterhin unklar, wie die Unternehmen mit den Daten verfahren, die sie sammeln. Eine Untersuchung der Datenschutzbestimmungen der führenden datenerfassenden Unternehmen zeigt, dass die meisten von ihnen personenbezogene Informationen sammeln, die Dritten gegenüber preisgegeben werden ohne dass ihnen ausdrücklich untersagt wird, diese Daten zu unbestimmten Zwecken zu nutzen. Es ist darüber hinaus bemerkenswert, dass ein Großteil dieser Unternehmen in ihren Datenschutzbestimmungen schreiben, dass sie die erfassten Daten speichern, ohne dabei anzugeben, für wie lange.

Das mag alles harmlos klingen, aber es sollte nicht vergessen werden, dass das Erstellen von Profilen Kernstück der Onlineüberwachung ist. Die Daten, die durch das Nachverfolgen im Internet erfasst werden, können mit anderen Daten aggregiert werden, die sowohl im Internet als auch offline erhoben werden, um individuelle Profile zu schaffen. Wir können größtenteils nicht kontrollieren, welche Art von Profile von uns erstellt werden, weder ob sie zutreffen, noch, an wen sie anschließend verkauft werden.

Tactical Tech hat Trackography entwickelt, um Transparenz hinsichtlich der weltweiten Datenindustrie zu schaffen und um als Quelle zu dienen für Forschung und Kampagnenarbeit. Jede und jeder kann etwas zu Trackography beitragen, sei es beim Betreiben der Software und/oder durch einen Beitrag zur Liste der Medienseiten und der Auswertungen der Datenschutzbestimmungen. Helft uns dabei, die Überwacher zu überwachen und Transparenz in der weltweiten Datenindustrie zu schaffen!

Geschrieben von Fieke Jansen und Maria Xynou des Tactical Technology Collective.

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