Freut euch, liebe Russen! Das lang ersehnte „Meduza“ Portal ist jetzt zugänglich!

Romanischer Mosaikfußboden in dem archäologischen Museum in Sousse, Tunesien. Foto von Ad Meskens CC 3,0.

Romanischer Mosaikfußboden in dem archäologischen Museum in Sousse, Tunesien. Foto von Ad Meskens CC 3,0.

Das neue Portal Meduza ist eine Mischung aus Nachrichtensammlungen und selbstständiger Berichterstattung und das Spannendste, das vor Kurzem im russischen Journalismus aufgetaucht ist. Der Sitz des Projekts ist interessanterweise gar nicht in Russland, sondern in Riga, Lettland, wohin ungefähr 18 ehemalige Mitarbeiter der Onlinezeitung Lenta.ru nun umziehen, nachdem sie ihr kosmopolitisches Leben in Moskau verlassen haben. Meduza ist der Idee von Galina Timchenko, die zuvor als Chefredakteurin von Lenta.ru arbeitete. Vor einigen Monaten wurde sie entlassen: sie hatte zu viele Geschichten aus der Sicht der ukrainischen Nationalisten in Kiew veröffentlicht (die vor ihrer Entlassung aufgrund der Veröffentlichung zu vieler Geschichten aus dem Blickwinkel der ukrainischen Nationalisten als Chefredakteurin gearbeitet hatte).

Die Website erhielt wegen ihres hybriden Designs bereits viel Aufmerksamkeit. Letzte Woche führte Meduzas Mitbegründer Ivan Kolapkov ein Gespräch mit RuNet Echo über die Herstellung von Inhalten:

«Медуза» будет агрегировать новости и лучшие тексты на русском языке из самых разных источников — от государственных информагентств и газет до сайтов некоммерческих организаций и блогов (мы будем производить и свой собственный контент). Понятно, что прямой агрегации твитов быть не может — их сложнее всего проверять, они не обладают достаточной полнотой, но не мониторить их нельзя. А вот посты из фейсбука и «Вконтакте» нам, конечно, очень интересны — сами по себе. В некоторых ситуациях это уже готовый продукт.

Статус источника для «Медузы» совершенно неважен. Важны качество и достоверность. В этом, собственно, идея — искать и находить в русском интернете must reads: новости и тексты, без которых нельзя понять, что происходит сегодня в стране и мире.

Meduza trägt Nachrichten und die besten russischen Texte vieler verschiedener Quellen zusammen; Artikel von staatlichen Nachrichtenagenturen und Zeitungen sowie Websites und Non-Profit Blogs werden gesammelt. Außerdem veröffentlichen wir unsere eigenen Inhalte. Natürlich ist die direkte Sammlung von Tweets am schwierigsten, denn die Verifizierung der Tweets ist nicht immer leicht. Ein Tweet allein enthält nicht genug Informationen, obwohl wir sie natürlich ständig im Auge behalten. Beiträge auf Facebook und Vkontakte werden für uns wesentlich wichtiger und in einigen Fällen können wir sie sogar direkt neu veröffentlichen.

Die Inhalte sind für Meduza absolut irrelevant. Nur Qualität und Genauigkeit sind uns wichtig. Das Hauptziel ist es, die essenziellen russischen Nachrichten und Texte im Internet zu finden; ohne die wäre es unmöglich die aktuellen Ereignisse der russischen Welt zu verstehen

Ivan Kolpakov, Facebook.

Das Erkennen wichtiger und relevanter Texte ist eher eine Kunst als ein wissenschaftlicher Prozess. Dies unterscheidet Meduza von anderen RuNet Projekten wie MediaMetrics.ru und der Tweetsammlung Seite TJournal.ru, die Algorithmen benutzen, um die am häufigsten diskutierten und geteilten Geschichten und Beiträge im russischen Internet zu finden. Anderseits ist Meduza ein Versuch, die Leser mit einem „Informationsexistenzminimum“ auszustatten (Ein Ausdruck, der im Russischen viel schöner klingt, so Kolpakov).

Это правда должны быть лучшие тексты — эксклюзивы, расследования, аналитика и репортажи, связанные с текущей повесткой; тексты-события, сами формирующие повестку; выдающаяся публицистика. Посмотрели «Медузу» — и знаете, о чем все говорят, и ничего не пропустили.

Dabei beschränken wir uns wirklich auf die besten Texte wie z.B. exklusive Untersuchungen, Analysen und Berichte, die von täglichen Nachrichten handeln; die Ereignisse, die die Nachrichten selbst und jeden angesehen Journalismus beeinflussen. Besucht Meduza und seid über alles informiert, ohne etwas zu verpassen.

Schon am ersten Tag online, hatte Meduza schon eine kleine Anhängerschaft. Das Projekt und seine Mitarbeiter waren sehr aktiv auf Social-Media Plattformen, insbesondere auf Instagram, Dort veröffentlichten sie viele Fotos von unerschrockenen, jungen Journalisten in ihrem Sitz in Riga. Im frühen Oktober 2014 veröffentlichte Sultan Suleimanov, einer der Editoren der Website, einen Fotoreport über Meduzas coole Neuigkeiten: Mitarbeiter, die mit neuen Mac Computern arbeiten, und glänzenden Fenstern, die die Büros trennen.

„Wir versuchen hier ein kleines Moskau zu bauen“, erzählte uns Kolapkov. Bis jetzt sieht der Versuch erfolgreich aus. „Die Mitarbeiter hatten kaum etwas gegen den Schritt nach Riga“ meinte er. „Wenn es notwendig wäre, nach, zum Beispiel, Usbekistan umzuziehen wäre das auch kein unüberwindliches Hindernis“.

Obwohl Meduza jetzt 800 km von Moskau entfernt ist, starteten Kritiker schon eine Schmutzkampagne gegen das Projekt. Im Oktober veröffentlichte die Regime-freundliche Nachrichtenseite Ridus.ru einen Artikel, der das Projekt angriff und behauptete, dass Meduza mit den Nazis sympathisiert und von dem Oligarchen Michail Chodorkowski finanziert wird (dieser hatte das Projekt tatsächlich unterstützt doch die Unterstützung später eingestellt, laut Meduza). Der Artikel von Ridus wiederholte auch einen Witz von dem Pro-Kreml Blogger Konstantin Rykov, der den Namen „Meduza“ ins Lächerliche zog, denn auf Russisch hat er dieselben Bedeutungen, wie auf Deutsch (die Griechische Göttin der Rache und eine Qualle) aber, nach Aussagen im Internet, steht das Wort auch umgangssprachlich für weibliche Geschlechtsteile.

Kolapkov meinte, dass sein Team für eine solche Belästigung bereit sei, die er als den ersten Spritzer vor dem Shitstorm beschreibt. Mit geheimer Finanzierung und einem Sitz außerhalb Russlands hat Meduza jetzt noch eine dritte Waffe gegen die Unterdrückung, die die Selbstständigkeit von Lenta.rus zerstörte: Meduza ist für Mobile Apps auf den iOS und Android Plattformen geeignet.

Während der vergangenen zwei Jahre entwickelte der Kreml Methoden, um Websites zu sperren, die als extremistisch oder als illegal galten. Bis jetzt ist die schwarze Liste von verbotenen Websites kurz, aber Meduza könnte sich plötzlich im Fadenkreuz des Kremls befinden, falls das Projekt ein großer Erfolg wird oder ein besonders welterschütternder Artikel veröffentlicht wird.

Meduza.io, now up and running.

Meduza.io: Jetzt zugänglich.

Der russische Enthüllungsjournalist und Geheimdienstexperte, Andrei Alexejewitsch Soldatow, berichtete RuNet Echo, dass er die technischen Bedingungen für die Sperrung von mobilen Apps in Russland nicht kennt. Er erklärt, “das Problem könnte nur durch ‘administrative Vorgehensweisen’ geklärt werden, also durch direkten Druck auf Unternehmen wie Apple.”

Soldatov erzählte weiter, dass der Kreml das Silicon Valley nicht unbedingt angreifen muss, sondern DPI (Deep Packet Inspection) Zensur benutzen könnte, die Apps blockieren kann, ohne durch Apple oder Google gehen zu müssen. Um Daten abzufangen benötigt man allerdings teure Geräte, die sich viele russische Internetdienstangeber im Moment nicht leisten können. Auch wenn der russische Staat die Internetdienstangeber dazu zwingen würde, in DPIs zu investieren, gibt es Mittel, wie Psiphon, die „dafür entwickelt wurden, um Mobile Apps wie BBC und Radio Free Europe in repressiven Länder verfügbar zu machen“

Die Bemühungen der russischen Zensoren werden sich wahrscheinlich mit dem wachsenden öffentlichen Interesse an Meduza verstärken. Im Moment ist Meduza jedoch in einer guten Position, gut ausgelegt, geschützt vor der üblichen Zensur und bereit, das russische Internet zu verändern. 

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