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Dutzende Menschen wurden im Rahmen eines auf Facebook organisierten Protestes, der die konservative Verachtung von Umarmungen und Küssen in der Öffentlichkeit kritisiert, im indischen Bundesstaat Kerala verhaftet.
Für die Kampagne “Küsse der Liebe”, die sich einer “moralischen Kontrolle” durch rechtsorientierter Gruppen entgegenstellt, versammelten sich Hunderte von Demonstranten am Sonntag, dem 2. November 2014, an der Küste der Stadt Kochi in Kerala und widersetzten sich damit einer vorausgegangenen Polizeisperre. Den Demonstranten standen konservative, studentische Mitglieder aus politischen Parteien gegenüber, die verhindern wollten, dass der geplante Ort des Protestes erreicht wurde. Ungefähr 50 Demonstranten, unter ihnen auch die Organisatoren des Protestes, wurden dabei innerhalb kurzer Zeit festgenommen, unter dem Vorwurf, den öffentlichen Frieden gestört zu haben.
Eine Gruppe von Demonstranten durchbrach die Polizeikette und küsste sich in der Öffentlichkeit. Hier hatte sich eine Menschenmenge eingefunden, um den Protest zu beobachten.
Polizisten trieben die Demonstranten gewaltsam unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken auseinander. Der Protest wurde auch auf Twitter laut, wobei viele den hashtag #KissOfLove (Kuss der Liebe) nutzen:
The ‘kiss of love’ in #kochi turned violent as cops used lathi charge and made arrests. #kissoflove http://t.co/OyVec2ZGKL
— Shruti (@shrutidshah) November 2, 2014
Der ‘Kuss der Liebe’ in Kochi schlug in Gewalt um ,als Polizisten Schlagstöcke einsetzten und Festnahmen durchführten.
Kiss of Love Protest from Kerala. Inside the police van as all protestors were arrested by the Police. pic.twitter.com/Yb9SJERbSx
— Inji Pennu (@InjiPennu) November 2, 2014
Kuss der Liebe-Protest in Kerala. Im Polizeiwagen, da alle Demonstranten von der Polizei verhaftet wurden.
The crowd of supporters of #Kissoflove who managed to kiss pic.twitter.com/k6iFa7tZ8V
— Dhanya Rajendran (@dhanyarajendran) November 2, 2014
Die Menge der Unterstützer der Kampagne ‘Kuss der Liebe’, die es schafften, sich zu küssen.
I'm Kerala, people are being arrested for kissing. I'm too stunned to even make a sarcastic comment about it. #KissofLove
— Gaurav Sabnis (@gauravsabnis) November 2, 2014
Ich bin in Kerala, Menschen wurden wegen Küssens verhaftet. Ich bin so geschockt, dass ich nicht einnal einen sarkastischen Kommentar darüber machen kann.
Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit wurden lange als vulgär in indischen Gesellschaften angesehen. Sogar in Bollywoodkinos wurden Kussszenen als revolutionär betrachtet, obleich sich der Trend langsam wandelt.
Umarmungen oder Küsse in der Öffentlichkeit sind aber weiterhin allgemein nicht akzeptiert in Indien. Am 23. Oktober strahlte ein malayalamsprachiger Nachrichtenkanal – der finanziert wird durch politische Parteien des indischen Nationalkongresses – einen Bericht aus, in dem sich junge Paare in verschiedenen Cafés und Restaurants in der nördlichen Stadt Keralas, Kozhikode, öffentlich küssen und umarmen. In dem Bericht wurde dies als “unmoralische Aktivitäten” bezeichnet. Das veranlasste mehrere Menschen, vermeintliche Mitglieder der Bharatiya Janata Yuva Morcha, eine Jugendbewegung die der Bharatiya Janata-Partei nahe steht, in Cafés in Kozhikode zu vandalieren. Sie kritisierten zunächst, dass Paare öffentlich Zuneigung zeigen und begannen dann zu randalieren.
Als Reaktion darauf gründete eine Gruppe, die sich selbst “Freidenker” bezeichnet, eine Fachebookgruppe für den “Kuss der Liebe.” Die Seite hat mittlerweile mehr als 69.000 Likes erzielt. Auf der Seite beschreibt sich die Gruppe folgendermaßen:
Moral policing is a criminal activity. Most political parties and religious organisations try to do that. A group of young bloods join their hands together to prove to the society that kiss is the symbol of love.
Moralische Kontrolle ist kriminell. Die meisten politischen Parteien und religiösen Organisationen versuchen, diese Kontrolle durchzusetzen. In dieser Gruppe von jungen Menschen reichen wir uns die Hände, um der Gesellschaft zu zeigen, dass ein Kuss ein Symbol der Liebe ist.
Über 7.000 Facebooknutzer haben die Einladung für das Facebook-Event “Kuss der Liebe-Protest” am 2.November am Marine Drive in Kochi, angenommen. Die Organisatoren betonten, dass es keine Feier des “Kusses der Liebe” ist, sondern ein Treffen, in dem gegen eine moralische Kontrolle sensibilisiert werden solle.
Die Veranstaltung stieß bereits im Vorhinein auf Widerstand. Freiwillige Helfer wurden von zwei Männern angegriffen, als sie für die Veranstaltung warben. Die Polizei verweigerte die Genehmigung für den Protest, obwohl zugleich auch zwei Petitionen, mit dem Ziel die Veranstaltung zu stoppen, vom Obersten Gerichtshof abgelehnt worden waren.
Der folgende Tweet verweist auf eine Talkshow, die einige Tage zuvor aufgenommen wurde und in der Aktivisten und Konservativ sowie Parteimitglieder gemeinsam diskutierten. Der Kuss von zwei Aktivisten vor der Kamera löste einen erhitzten Aufruhr zwischen den Teilnehmern der Talkshow aus.
What a joke! #KissOfLove organizers faced the ire of Yuva Morcha Jamaath. TV show was disrupted http://t.co/PnLS8TgXpd
— Radha Kapoor Sharma (@radhakaps) November 2, 2014
Dass ich nicht lache! Die Organisatoren vom Kuss der Liebe werden mit dem Zorn der Bewegung Yuva Morcha konfrontiert. Die Fernsehsendung wurde unterbrochen.
Viele Menschen unterstützten die Kampagne auf Twitter:
#KissofLove is not about people supporting public kiss,this is clearly a non-violent protest against the stupid moral policing activists!
— ബോബ് മുരളി (@NeutralGuy42) November 2, 2014
Bei dem #KissofLove (Kuss der Liebe) geht es nicht darum, dass Küsse in der Öffentlichkeit unterstützt werden, sondern es ist eindeutig ein friedlicher Protest gegen eine dumme moralische Kontrolle!
Whatever said and done, #KissOfLove is far better than Hartals and other forms of protests; participation and/or support is one's choice.
— dj_Crow (@StupidBeard) November 1, 2014
Was immer gesagt und getan wird, der #KissOfLove (Kuss der Liebe) ist besser als Generalstreiks oder andere Protestformen. Teilnahme und/oder Unterstützung ist jedem selbst überlassen.
Doesn't matter if #KissOfLove has large turnout or not, it has already created the buzz and some awareness too, good job organizers :-)
— VenkateshThyagarajan (@myjino) November 2, 2014
Es ist unwichtig ob der #KissOfLove (Kuss der Liebe) eine große Beteiligung hat oder nicht, es hat schon viel Begeisterung und ein gewisses Bewusstsein geschaffen. Gute Arbeit, Organisatoren :-)
All i hope is this #KissOfLove wont end as just a campaign. I hope it go further as a movement. a revolutionary movement.
— Jishnu Vediyoor (@pullipuli) November 2, 2014
Alles was ich hoffe ist, dass der #KissOfLove (Kuss der Liebe) nicht nur eine Kampagne ist. Ich hoffe, dass es eine weitreichende Bewegung wird, eine revolutionäre Bewegung.
Allerdings unterstützen einige die Idee des Protestes nicht:
Will the organizers of #KissOfLove send their children/siblings for open kiss parade today?
— Abdulla Madumoole (@AMadumoole) November 2, 2014
Werden die Organisatoren des #KissOfLove (Kuss der Liebe) heute ihre Kinder/Angehörigen ebenfalls zur offenen Kuss-Parade schicken?
Say no to #KissOfLove . Yardstick – whatever you are able to do with ease at home in front of parents, elders, children, etc- do in public.
— Manikant Kant (@ManikantKant) November 2, 2014
Sage nein zum #KissOfLove (Kuss der Liebe). Maßstab – was immer du ungezwungen zuhause vor deinen Eltern, Älteren, Kinder etc. machst – mach es in der Öffentlichkeit.
ABVP Kerala create protective wall against Love Jehadi intrusion in the name of ‘Kiss of Love’ pic.twitter.com/SZJLLsbbtK
— Jayashankar (@jaypanicker) November 2, 2014
ABVP Kerala hat eine schützende Mauer gegen den Liebes-Dschihad, der im Namen des ‘Kuss der Liebe’ stattfindet, errichtet.
Die moralische Kontrolle ist ein Problem in Kerala geworden, bei dem vor allem Frauen oft zur Zielscheibe solcher Bestrebungen werden. Shahina KK analysiert die Psyche von diesen Männern, die andere in offenen Zeitungen seit Jahren verurteilen. Die Autorin benennt, dass das Problem, das Kerala anhaftet, zu tun hat mit “einer Geschlechterkrise in Kerala”. Sie zeige, dass eine moralische Kontrolle nicht immer von rechtsgerichteten Gruppen ausgehe, sondern auch andere politische Gruppen umfassen könne:
Men in Kerala appear over-concerned about what women do, how they turn up in public—with whom, how, and when. Public spaces are being fumigated, so to speak, to protect society from such dangers as public displays of affection.To fall in love is almost seen as a crime in the state now. A couple sitting together in a park or on a beach can expect to be roughed up by strangers, some of them in police uniform. Meanwhile, cases of sexual harassment, molestation and rape have reached levels never seen before.
Männer in Kerala scheinen übermäßig besorgt zu sein über das, was Frauen machen, wie sie in der Öffenlichkeit erscheinen – mit wem, wie und wann. Sich zu verlieben genießt beinnahe schon das Ansehen eines Staatsverbrechens. Der öffentliche Raum ist sozusagen bereinigt, um die Gesellschaft vor Gefahren wie Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit zu schützen. Ein Paar, das gemeinsam in einem Park oder am Strand sitzt, kann erwarten, rüde von Fremden gestört zu werden, einige davon in Polizeiuniform. Unterdessen sind Fälle von sexueller Belästigung, Missbrauch und Vergewaltigungen angestiegen auf ein Anzahl wie noch nie zuvor.
Die “Kuss der Liebe”-Kampagne erinnert an die Pink Chaddi-Kampagne in Mangalore, im Nachbarstaat Karnataka, wo am Valentinstag 2009 Hunderte von Menschen pinke Unterwäsche zum Büro der rechtsgerichteten Gruppe Sree Ram Sena schickten, die zuvor Frauen in einem Pub belästigt hatten, um sie moralisch zu kontrollieren.
Es bleibt abzuwarten, wann Küsse in der Öffentlichkeit allgemein in Indien akzeptiert sein werden.
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