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Acht Monate nach Taifun Haiyan, doch das Land liegt immer noch in Trümmern

Kategorien: Philippinen, Bürgermedien, Ideen, Katastrophe, Medien & Journalismus, Rising Voices

Anmerkung von Rising Voices: Dieser Beitrag ist eine Fortsetzung des Projekts Updates, das von unserer Rising Voices Hilfsempfängergemeinschaft erstellt wird. In diesem Blogbeitrag gibt uns Hope Hervilla einige Informationen über die Umstände, die dazu geführt haben, dass Projekt “Voices of Hope” ins Leben zu rufen. Das Projekt findet in Estancia statt, einer Stadtgemeinde auf den Philippinen.

We are losing hope waiting for the fulfillment of the government’s promises for our livelihood and repair of our damaged houses. Almost all of us are already heavily indebted. We are homeless, jobless, and hungry. We can’t return to our community because have been evicted by the government from our own residential places due to its ‘No Dwell Zone policy’.

Dionesia – Typhoon Haiyan Survivor

Wir verlieren langsam die Hoffnung, dass die Regierung ihr Versprechen einlöst, uns bei der Instandsetzung unserer Häuser und dem Lebensunterhalt zu unterstützen. Fast alle von uns sind schon hoch verschuldet. Wir haben kein Zuhause, sind arbeitslos und leiden Hunger. Aufgrund der Richtlinie der ‘unbewohnbaren Zone’ hat die Regierung unsere Wohnanlagen zwangsräumen lassen, deswegen können wir nicht in unsere Gemeinden zurückkehren.

Dionesia – Überlebende des Taifuns Haiyan

Taifun Haiyan: Der Schlimmste unserer Zeit

Sogar noch acht Monate danach ringen auf der Insel Panay [1] die Überlebenden des Taifun Haiyan [2] (auf den Philippinen Yolanda genannt) mit den Verwüstungen dieses tödlichen Sturms. Als am 8. November 2013 der Sturm auf die zentral gelegenen Regionen der Philippinen traf, starben 10.000 Menschen, 16,1 Millionen Menschen im Umkreis von neun Regionen waren betroffen und circa 4,1 Millionen Menschen wurden dabei obdachlos, berichtet [3] das Nachrichtenmagazin Malaya auf Englisch.

Ein Bericht der Weltbank besagt zudem, dass die anfänglichen Schätzungen der Regierung im März von einem Totalschaden an öffentlichem und privatem Sachvermögen von 424 Milliarden Philippinischer Peso [3] (circa 9,7 Milliarden US-Dollar) ausgehen. Das entspricht 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Instandsetzung und Wiederaufbau werden mit 361 Milliarden Philippinischer Peso beziehungsweise 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts veranschlagt. Hiervon würden in den Jahren 2013 und 2014 ungefähr 125 Milliarden Philippinischer Peso (1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) von der Regierung getragen.

Am 8. Juli, also exakt acht Monate seit der tödlichen Zerstörung durch Taifun Haiyan, trafen sich hundert Überlebende der Insel Panay (Zentralphilippinen). Sie kamen in der Stadt Iloilo City zusammen, um über ihre Notlage zu beraten und um ihr Leiden und ihre Verzweiflung mit anderen zu teilen. Die Gruppe gab sich den Namen “Kusog sang Pumuluyo”, was übersetzt “Stärke des Volkes” bedeutet. Daraus ist ein Bündnis von Überlebenden des Taifuns Haiyan und Mitstreitern entstanden. Das Bündnis fordert Grundversorgung und Unterstützung seitens der Regierung für eine schnelle Erholung von der Katastrophe. 

Während der Treffen tauschen sie ihre Erfahrungen und Ansichten über die Vernachlässigung aus, die sie durch die Regierung erfahren haben. Ihre Lebensumstände und die Art der Unterbringung sind ihre größten Anliegen, auch die Probleme, die den Schulunterricht betreffen, wurden offen dargelegt. Schulgebäude sind noch nicht wieder aufgebaut. Die Kinder leiden unter den schwierigen Lernbedingungen in den Zelten, die von ausländischen Spendern gestiftet wurden.

Tent school. Photo by Hope Hervilla

Eine Zeltschule. Foto von Hope Hervilla

Eltern befürchten, dass ihre Kinder von der stickigen Enge der Zelte krank werden könnten. Denn gerade zu Beginn der Regenzeit sind die Kinder anfällig für Atemwegserkrankungen. Die starken Winde wehen durch die Zelte und ihre Kinder erfahren wenig oder gar keinen Schutz vor den schweren Regenfällen. Ein Sturm folgt dem nächsten.

Die Tortur dauert nun schon acht lange Monate an und immer noch empfinden die meisten Leute, dass die Regierung ihnen nicht die nötige Hilfe gibt für einen schnellen Wiederaufbau.

Estancia: Ein kleines Paradies, am Boden zerstört

Wegen seiner reichen Fischgründe ist Estancia als das “Alaska der Philippinen” bekannt. Jeder ist verzaubert von seine atemberaubenden Panorama, das umrahmt ist von verschiedenen reizenden kleinen Inseln und dem sauberen Wasser der Visayas-See [4]. Aus leckerem, frisch gegrilltem Fisch, Meeresfrüchten und Shrimps werden köstliche Mahlzeiten zubereitet, denen keiner widerstehen kann.

Estancia ist eine Fischergemeinde mit mehr als 25.000 Einwohnern, die vorrangig mit dem Fischfang ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Fischereihafen ist ein Ort, der nie zur Ruhe kommt. Es ist ein Ort der Erholung nach langen Fischfangeinsätzen, eine Zufluchtsstätte für Fischer und Ankerplatz für Boote von benachbarten Inseln während eines Taifuns.

Dieses kleine Inselparadies war die am schwersten getroffene Gemeinde im nördlichen Teil von Iloilo. Es wurde dem Erdboden gleich gemacht und bis auf den Grund zerstört. Als der Taifun Haiyan auf die Insel traf, konnte sich niemand vorstellen, das lebend zu überstehen. Die Geschichten der Überlebenden sind markerschütternd, wie sie sich durchkämpften durch diese Tortur des tödlichsten aller Stürme, der je zu ihren Lebzeiten wütete. Verglichen mit anderen betroffenen Gebieten des Landes hatte – der englischsprachigen Webseite des Global Disaster Alert and Coordination System zufolge – Estancia mit 21,8 Metern Höhe die höchste Flutwelle [5].

Das Martyrium der Überlebenden

Dies ist die Geschichte von Mary Ann, Überlebende und Mutter von vier Kindern:

My two year-old daughter was sick and had just gone for a medical check-up when Typhoon Haiyan hit us. In the morning of November 8, I told my eldest daughter to cook some food in preparation for the typhoon. The wind began to blow hardly starting 8:30 in the morning and by 11 o’ clock, our plates from the kitchen were blown and our house received the strong winds. I was afraid and crying holding my 2 year old baby. My husband told me to transfer to another house for safety. Braving the storm, I wrapped my daughter with blankets going out with my husband and other children.

Sadly, the house we went to collapsed, as did the next house. My daughter was shivering, so we looked for a tarp to cover her. My husband was hit by a hard wood injuring his head. By 3 o’clock in the afternoon, our kids were crying because they were hungry and cold. We had no food left for the rest of the day and upcoming night. The next day, we took some fresh coconuts for breakfast.

Until now, our house is not done, we got some sheets for roofing, but we don’t have other materials for the house, the whole house needs to be rebuilt. We had a boat, but it’s missing. My husband was a fisherman, but now we have no income. We used the trees that fell to make charcoal, and sold it to buy food.

Meine zweijährige Tochter war krank und war gerade zur Untersuchung beim Arzt, als der Taifun uns traf. Am Morgen des 8. November sollte meine älteste Tochter, um für den Sturm vorbereitet zu sein, etwas zu essen kochen. Morgens um acht Uhr dreizig begann der Wind stark zu werden und als es elf Uhr war, waren unsere Teller bereits weggeweht und unser Haus wurde von heftigen Winden getroffen. Ich war verängstigt und weinte, während ich mein zwei Jahre altes Baby in den Armen hielt. Mein Mann verlangte, dass wir aus Sicherheitsgründen in ein anderes Haus wechseln sollten. Dem Sturm trotzend ging ich hinaus mit meinen Kindern und meinem Mann. Meine kleine Tochter hatte ich in Decken gewickelt.

Leider stürzte das Haus ein und genauso das nächste. Meine Tochter zitterte, also suchten wir nach einer Plane, um sie zu schützen. Mein Mann wurde von einem Stück Holz am Kopf getroffen und wurde verwundet. Als es 15 Uhr war heulten unsere Kinder, weil sie Hunger hatten und es ihnen bitterkalt war. Für den restlichen Tag und die kommende Nacht hatten wir kein Essen mehr übrig. Am nächsten Tag nahmen wir uns frische Kokosnüsse als Frühstück.

Bis jetzt ist unser Haus nicht wieder repariert. Wir bekamen ein paar Bleche für das Dach, das ganze Haus müsste neu aufgebaut werden. Wir hatten ein Boot, aber es ist verloren gegangen. Mein Mann war Fischer, aber nun haben wir kein Einkommen mehr. Wir benutzten die umgestürzten Bäume um Holzkohle daraus zu machen und verkauften dann die Kohle, um uns Essen kaufen zu können.

Voices of Hope: Von Opfern zu Aktivisten

Mary Ann ist nur eine der Stimmen von den 25.000 Opfern und Überlebenden des Taifuns Haiyan, die unbeachtet blieben. Viele denken, dass die Regierung weder ihre Qualen bemerkt hat, noch ihre leisen und unbeachteten Hilferufe erhört hat. 

Voices of Hope: Von Opfern zu Aktivisten, ist ein Projekt, das leidenschaftlich dabei ist, den betroffenen Gemeinden wieder Mut zu geben, indem sie ihnen ihre Stimme, und damit das Selbstbewusstsein, wieder zurückgibt. Ermutigt, so dass sie nun dem Sturm der Regierungsverdrossenheit und Vernachlässigung trotzen können. Ungerechter Behandlung die Stirn zu bieten ist Aktivismus, ist der Kampf um Menschenrechte. Die Welt sollte sich ihre Erlebnisse anhören und sollte die Regierung dazu verdonnern, zuzuhören und den Nöten der Menschen gerecht zu handeln. Wir sollten den Bürgerjournalismus [6] fördern, um unsere gemeinsamen Erlebnisse überall bekannt machen zu können, um gehört zu werden und um an Lösungen arbeiten zu können.

Das Voices of Hope-Projekt wird Einheimische in den Dienst nehmen und sie ausstatten, damit sie als Bürgerjournalisten arbeiten können. Es ist ein Training für 15 Bürgerjournalisten, um die Geschichten über den Mut und die Hoffnung der Leute nach der Verwüstung durch den Taifun Haiyan, der Ölverschmutzung und der Vernachlässigung durch die Regierung überall bekannt zu machen. Ziel des Projekts ist es, unser lokales Radioprogramm zu erweitern, um somit die betroffenen Gemeinden von Estancia (Iloilo) zu befähigen, die Situation zu meistern und sich lautstark zu engagieren für Gerechtigkeit in Umwelt, Wirtschaft und Politik. Die Geschichten werden online via Facebook, YouTube oder Blogs ins Netz gestellt. Wir glauben fest daran, dass das Projekt eine große Stimmgewalt erzeugen wird, die uns um viele positive Antworten zu den dringenden Bedürfnissen der Überlebenden aus den Gemeinden von Estancia bereichern wird.

Wir sind sehr gespannt auf die Workshops und auf das gesamte Programm. Die 15 Praktikanten waren davon begeistert, am 18. Juli am Workshop teilzunehmen. Wir hatten schon den Veranstaltungsort und die Bezugspersonen parat, die helfen sollten, den Workshop zu ermöglichen. Unglücklicherweise wurde das Land am 17. Juli von Taifun Glenda [7] (Rammasun, englischsprachiger Link) getroffen. Deswegen mussten wir den Workshop verschieben. Der Korrespondent des Manila Bulletin, Chito Chavez, berichtete am 19. Juli, dass durch Taifun Glenda mindestens 64 Personen auf der Inselgruppe Luzon und in der Großstadtregion Manilas starben. 48 Stunden, nachdem Taifun Glenda das Land böse zugerichtet hatte, drang Taifun Henry [8] (Matmo) in das Land ein, noch während die Opfer geschockt waren von den Trümmerhaufen, die Taifun Glenda [9] hinterlassen hatte, so das Manila Bulletin auf Englisch.

Es bricht einem das Herz, wenn man die Fotos sieht von Menschen die serienweise von Wirbelstürmen heimgesucht werden. Deshalb ist das Voices of Hope-Team fest davon überzeugt, dass das Projekt allen Widrigkeiten zum Trotz fortgesetzt werden muss. Das Projekt wird es der gemeinsamen Stimme aller Überlebenden ermöglichen, auf Gerechtigkeit und Grundversorgung während und auch vor einer Katastrophe zu bestehen. Die Workshops müssen für kurze Zeit verschoben werden, aber im Moment sind wir schon dabei, Workshops vorzubereiten und zu planen. Wir haben auch schon die Zusage einiger Medien und Freunde, die das Projekt unterstützen wollen. Einer, der uns beim Workshop unter die Arme greifen will, ist der Nachrichtendirektor einer TV-Morgenshow. Wir hatten schon eine Orientierungsveranstaltung für die 15 Praktikanten, mit der Unterstützung der gesamten Gemeinde.

Voices of Hope volunteers. Photo by Hope Hervilla

Freiwillige für Voices of Hope. Foto von Hope Hervilla

Wir freuen uns auf aufstrebende junge Bürgerjournalisten, die die Stimmengewalt der stark benachteiligten Bezirke unserer Gesellschaft, nämlich die von der Katastrophe zerstörten Gemeinden von Estancia, verbessern können. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung durch Rising Voices, die unseren Beitrag veröffentlichen und die ganze Welt wissen lassen, dass wir gehört werden müssen, damit man sich rechtzeitig um unsere Anliegen kümmert. Voller Hoffnung rufen wir auch die internationale Gemeinschaft dazu auf, uns in unserem Aufschrei für Gerechtigkeit und Überleben zu unterstützen.