Gaza: Ärzte retten unter Bombardierung Leben und twittern zwischen den Schichten bewegende Nachrichten

Al Shifa hospital's Dr Bassel Abuward sarcastically tweets "6m old (terrorist) infant being treated by Drs to remove shrapnel from his back."

Dr. Bassel Abuward vom Krankenhaus Al-Shifa twittert sarkastisch: “Sechs Monate altes (terroristisches) Kleinkind wird von Ärzten versorgt, die ihm Granatsplitter aus dem Rücken holen.”

Alle Links in diesem Artikel führen zu englischsprachigen Webseiten.

Acht Krankenhäuser, neun medizinische Praxen und 14 Rettungswagen wurden bombardiert, seitdem Israel die Offensive gegen den dicht besiedelten und schmalen, 40 Kilometer langen Küstenstreifen Gaza begonnen hat. Diesen Ort, an dem 1,8 Millionen Palästinenser leben, hat der britische Premierminister David Cameron als ein “Freiluftgefängnis” bezeichnet.

Laut dem Gesundheitsministerium von Gaza wurden in den letzten zwanzig Tagen vier der tausend medizinischen Fachkräfte getötet und von den 6.000 Verletzten gehören 14 zum medizinischen Personal.

Israelische Kampfflugzeuge und Panzer haben Wohngebäude getroffen, Schulen und Schutzräume. Die Vereinten Nationen schätzen, dass mehr als 74 Prozent aller Getöteten Zivilisten sind.

Unter der Bedrohung durch Bomben, vollbringen Ärzte wie Bassel Abuward, Belal, Saeed Kanafany und Mads Gilbert in Gazas größtem Krankenhaus Al-Shifa Wunder. 

Gerade eben in Gaza, ein Baby kommt zur Welt, von einer Mutter, die bereits verstorben ist, getötet von der israelischen Armee. Leben aus dem Tod.

Hunderte Zivilisten suchen im Al-Shifa Hilfe. In einem Bericht zu Gaza vom 20. Juni erklären die Vereinten Nationen:

The situation could not be more dire for the collapsed health sector in Gaza, with this latest conflict only adding to the burden on overwhelmed doctors and medical staff.

This is the third war in five and a half years endured by the people of Gaza. As with previous conflicts, there is nowhere for women, men and children to escape to. The Strip is densely populated and the seven-year Israeli-imposed blockade means that people’s movement to and from Gaza remains virtually banned.

Die Zustände könnten kaum schlimmer sein für den Gesundheitssektor in Gaza, der bereits zusammengebrochen ist und dem dieser jüngste Konflikt an Last nur noch eines draufsetzt, bei bereits völlig überlasteten Ärzten und medizinischem Personal.

Dies ist der dritte Krieg in fünfeinhalb Jahren, der von der Bevölkerung von Gaza erduldet werden muss. Wie in den Konflikten zuvor, haben Frauen, Männer und Kinder keinen Ort, zu dem sie flüchten können. Der Streifen ist dicht besiedelt und die siebenjährige Blockade durch Israel bedeutet, dass Menschen sich faktisch weder nach Gaza rein noch raus bewegen können.

Ärzte des total überfüllten Krankenhauses Al-Shifa sind Zeugen einer gewaltigen Tragödie. Mehrere Patienten werden in der Notaufnahme in einem Bett versorgt. Gefährdete Neugeborene sterben, da es an spezieller Pflege mangelt.

Israel versucht, die Zukunft Gazas zu zerstören, indem es die meisten unserer Kinder tötet und den Rest zu Invaliden macht.

An einem besonders blutigen Tag der Offensive, an dem Shejaiya unter Beschuss steht, einer der Stadtteile Gazas, der am heftigsten umkämpft ist, twitterte ein Korrespondent der NBC diese Nachricht aus dem Shifa:

In 13 Jahren habe ich niemals den Tod in dieser Form gesehen oder gerochen wie ich in gesehen und gerochen habe bei den Leichen, die heute aus Shejaiya in die Leichenhalle des Shifa gebracht wurden.

Die Ärzte retten nicht nur Leben, sondern berichten auch der Welt von dem Ausmaß der Tragödie in Gaza, indem sie aus der Notaufnahme Nachrichten schicken und über Twitter von dem Anblick der Zerstörung berichten, der sich ihnen auf dem Weg von der Arbeit nach Hause bietet.
 

@BelalMd12

Der Blogger und Arzt Belal twittert von seinem Account @Belalmd12 zwischen seinen Schichten und unter der Bombardierung. Er ist bei der unabhängigen, US-amerikanischen Fernsehsendung Democracy Now aufgetreten und schrieb einen herzerweichenden Beitrag für Electronic Intifada, einer Online-Nachrichtenseite, die von Palästina und Palästinensern berichtet:

Dozens of people arrived to Gaza City’s al-Shifa hospital, where I was on shift that night. Some arrived torn to pieces, some beheaded, some disfigured beyond recognition, although still alive and breathing […] The medical staff were lucky to get a break of less than half an hour. Some spent it watching the flares and bombs Israel was raining on the eastern neighborhoods of Gaza City, while others refueled with coffee or lay down for a few moments.

Dutzende Menschen kommen im Krankenhaus Al-Shifa in Gaza Stadt an, wo ich heute Nachtdienst hatte. Einige wurden in Stücke zerrissen zu uns gebracht, einige enthauptet, einige bis zur Unkenntlichkeit entstellt, aber immer noch am Leben und atmend […]. Das Personal konnte froh sein, eine Pause von weniger als einer halben Stunde zu haben. Einige verbrachten die Pause damit, den Leuchtgeschossen und Bomben zuzuschauen, die Israel auf die Stadtteile im Osten von Gaza Stadt feuerte, andere füllten sich mit Kaffee ab oder legten sich für einen kurzen Moment hin.

Hier einige seiner Twitternachrichten:

Meine Schicht endete um neun Uhr morgens und ich kann so lang ich möchte twittern, nur so lang ich am Leben bin natürlich.

Ein Notfall trifft im Krankenhaus ein. Ein Arzt muss feststellen, dass es sein Sohn ist, der den Märtyrertod starb. Er macht ein letztes Foto.

Sie sagen ihnen, sie sollen evakuieren und dann zielen sie auf sie, wenn sie es tun. Israel hat eben gerade eine Schule des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) beschossen, in der Menschen Zuflucht gesucht hatten.

Sprecher der israelischen Armee prahlt damit, dass 120 Bomben auf Shejaiya niedergegangen sind, jede von ihnen mit einem Gewicht von einer Tonne Explosionsmaterial. Dieser Tweet kann für ICC aufgehoben werden [die Kampagne #ICC4Israel, die Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof sieht].

Das Rote Kreuz lässt die Menschen im Stich und reagiert nicht mehr bei Anrufen. Wofür seid ihr denn hier? Um Picknicks zu organisieren?

Nachdem vier palästinensische Jugendliche von den so fortschrittlichen, israelischen Luftwaffen erschossen wurden, als sie am Strand spielten, twitterte er:

Acht ihrer wenigen Lebensjahre haben sie unter Belagerung verbracht. Sie hatten nie die Chance, die Welt zu sehen, der Welt waren sie egal und die Welt hat nie auf sie gewartet.

Dies ist das Krankenhaus Beit Hanoun. Es ereilte dasselbe Schicksal wie das europäische Gaza-Krankenhaus, das Krankenhaus Al-Aqsa und das Krankenhaus Al-Durra.

 

@DrBasselAbuward

Dr. Bassel Abuward twittert Bilder aus den Krankenhäusern, von der Zerstörung in Gaza und retweetet Solidaritätskundgebungen und Unterstützung aus aller Welt.

Tausende demonstrieren heute für Gaza in den Straßen von Chicago. Danke.

Ich weiß noch, dass ich erschrocken war von der Zerstörung in Syrien. Was ich heute in Gaza gesehen habe, ließ sich davon praktisch nicht unterscheiden.

Vater und Sohn wollten ihr Haus kontrollieren und fanden das hier! Das Foto sagt mehr als tausend Worte.

Das schlimmste Erlebnis in meinem Leben: Dieser Mutter auf der Suche nach ihren Kindern sagen zu müssen, dass sie alle tot sind.

Das Kinderkrankenhaus Al-Durrah in Gaza ist gester stark beschädigt worden von Luftangriffen in der unmittelbaren Umgebung. Dabei wurden 30 verletzt und ein Mensch getötet.

Aufgrund der hohen Zahl an Verletzten, werden mehr als nur ein Patient im selben Bett versorgt. Wieder einmal trifft es Kinder.

 

@DrSaeedKanafany

Dr. Saeed Kanafy schreibt über Twitter von den Tragödien und der Realität, mit der medizinische Fachkräfte konfrontiert sind.

Der Rettungsassistent Mohammed Al Abadlah stirbt den Märtyrertod und ist nun in Gottes Hand. Wie ich sagte, alle roten Linien wurden übertreten.

Das Krankenhaus Beit Hanoun ist gerade unter Beschuss. Israel hat alle roten Linien übertreten, sogar die Krankenhäuser.

So trinken Ärzte in Gaza Wasser.

"The moment you see Doctors crying , Is the moment when you realize all red lines have been crossed" @DrBasselAbuward

“Der Moment, in dem ein Arzt in Tränen ausbricht, ist der Moment, in dem man realisiert, dass alle rote Linien übertreten wurden.” @DrBasselAbuward

Die USA statten Israel jedes Jahr mit 3,1 Milliarden Militärhilfe aus. Immer dann, wenn das israelische Militär eine zerstörerische und tödliche Offensive auf Gaza startet – dies ist die dritte in sechs Jahren – muss das von den USA mitfinanzierte Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) mit den Konsequenzen leben.

Dr. Mads Frederick Gilbert

Der Norweger Dr. Mads Frederick Gilbert, der mit Bassel, Saeed und Bilal im Krankenhaus Al-Shifa arbeitet, veröffentlichte am 17. Juli einen offenen Brief an Präsident Obama, der sich im Internet schnell weiterverbreitet und auf vielen Webseiten wiederveröffentlicht wurde:

‘Mr. Obama – do you have a heart?
I invite you – spend one night – just one night – with us in Shifa. Disguised as a cleaner, maybe.
I am convinced, 100%, it would change history.
Nobody with a heart AND power could ever walk away from a night in Shifa without being determined to end the slaughter of the Palestinian people.

Herr Obama – Haben Sie ein Herz? Ich lade Sie ein – eine Nacht mit uns in Shifa zu verbringen – nur eine einzige Nacht. Vielleicht als eine Reinigungskraft verkleidet. Ich bin davon überzeugt, zu hundert Prozent, dass dies die Geschichte verändern würde. Niemand mit einem Herzen UND Macht könnte nach einer Nacht in Shifa von dannen ziehen, ohne sich zur Aufgabe zu machen, das Massaker an den Palästinensern zu beenden.

Unter unserem deutschsprachigen Dossier “Angriffe auf Gaza 2014” finden sich weitere Beiträge zum Hintergrund der israelischen Offensive, zur internationalen Berichterstattung und zu weltweiten Solidaritätskundgebungen.

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