Saudi-Arabien: Sieben Beispiele für die Verfolgung von Internetaktivisten

Raif Badawi campaign poster; photo of Waleed Abu-Khair, used with permission.

Das Kampagnenposter für Raif Badawi. Foto von Waleed Abu Al-Khair von seinem Twitterprofil.

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In Saudi-Arabien [de] hat die Verfolgung von Onlineaktivisten in den letzten Monaten ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Verteidiger der Menschenrechte sehen sich Bedrohungen und Schikanen ausgesetzt: Schmutzkampagnen in den Medien, willkürliche Verhaftungen, illegale Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen sowie inszenierte Gerichtsprozesse. Die Menschenrechtsorganisation Gulf Center for Human Rights setzt sich für ein stärkeres Bewusstsein über die aktuellen Willkürmaßnahmen der Justiz gegen Onlineaktivisten in Saudi-Arabien ein.

Saudi-Arabien ist eine der wenigen noch verbliebenen Monarchien in der Welt mit zutiefst besorgniserregenden Menschenrechtsverletzungen. Die erste Strafprozessordnung des Landes wurde im Jahre 2001 eingeführt. Nachdem König Abdullah 2005 den Thron bestieg, ist eine ganze Reihe weiterer Gesetze verabschiedet und in Kraft gesetzt worden, einschließlich der Gesetze gegen Internetkriminalität sowie zur Terrorbekämpfung. Diese beiden Regelungen werden jetzt zur Verfolgung von Menschenrechtskämpfern und Internetaktivisten benutzt.

Menschenrechtsanwalt zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt

Am 6. Juli 2014 hat der Sonderstrafgerichtshof in Dschidda den prominenten Menschenrechtsanwalt Waleed Abu Al-Khair zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, mit fünf Jahren Bewährung und einem 15-jährigen Reiseverbot, sowie einer Geldstrafe in Höhe von 200.000 Saudi-Rial (umgerechnet ungefähr 53.300 US-Dollar) [dazu unser Global Voices-Bericht auf Deutsch]. Er ist Gründer und Direktor der Organisation Monitor of Human Rights in Saudi-Arabien (MHRSA) und hat ein aktives Twitterprofil mit mehr als 76.000 Abonnenten.

Erstmals verhängte jetzt der Generalstaatsanwalt Strafen auf Grundlage des Gesetzes gegen Internetkriminalität. Allerdings wurde dabei eine Vielzahl erfundener Straftatbestände vorgebracht, beispielsweise gegen Al-Khair, wie “Aufhetzung internationaler Organisationen gegen das Königreich” (bezieht sich auf sein Engagement für internationale Menschenrechte und entsprechende Wirkungsmechanismen, wie dem System der Vereinten Nationen), “Aufhetzung der öffentlichen Meinung gegen staatliche Behörden”, “Gründung und Führung eines nicht genehmigten Verbandes” (damit ist die MHRSA gemeint) und “Vorbereiten, Lagern und Verbreiten von dem, was die öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnte”.

In einer ersten Anhörung wurde den Behörden unter Berufung auf Kapitel XIII der erwähnten Gesetzgebung befohlen, die Webseite von Waleed Abu Al-Khair und seine Emailkonten zu sperren. Glücklicherweise wurde dieser Beschluss bis zu seiner Verurteilung nicht vollstreckt.

Iman Al-Qahtani: “Oh liebe Mutter, nur für dich höre ich auf. Lebewohl!”

Die erfahrene Journalistin Iman Al-Qahtani arbeitete für verschiedene Zeitungen in Riad. Sie hat auch für die Tageszeitung The Guardian geschrieben und den Prozess gegen die Direktoren der saudischen Vereinigung für zivile und politische Rechte (ACPRA) begleitet. Sie berichtete sehr ausführlich über inhaftierte Menschenrechtskämpfer und hat sich mit deren Familien solidarisiert.

Mit mehr als 73.000 Followern bei Twitter berichtet sie aktiv über Verletzungen von Menschenrechten und damit zusammenhängende Geschichten in Saudi-Arabien. Die Sicherheitsbehörden haben ihr damit gedroht, Familienangehörigen Leid zuzufügen, besonders ihrer Mutter, es sei denn, sie würde mit ihren Menschenrechtsaktivitäten aufhören. Angesichts fortgesetzter Schikane durch die staatlichen Behörden hat Al-Qahtani tatsächlich ihre Arbeit eingestellt. Sie hat ihr Profil geschlossen, verbirgt ihre alten Kurznachrichten und hat sich vollständig aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dennoch wird sie von den saudischen Behörden weiter verfolgt. Am 19. Juli 2013 wurde sie am Flughafen Dammam von Beamten angehalten und daran gehindert, nach Istanbul zu reisen. 

Der Gründer des Forums “saudische Liberale” ist zu zehn Jahren Gefängnis und 1.000 Peitschenhieben verurteilt worden

Raif Badawi campaign image by Amnesty International.

Raif Badawi-Kampagnenbild von Amnesty International.

Raif Badawi [Global Voices Advocacy-Bericht auf Deutsch] kämpft für Menschenrechte und gibt The Liberal Saudi Network heraus, eine Webseite, die er mit anderen Menschenrechtsaktivisten – unter anderem mit Suad Al-Shammari – in dem Bestreben gestartet hat, in Saudi-Arabien politische und soziale Debatten anzustoßen.

Am 29. Juli 2013 hat das Landgericht in Dschidda ihn zu sieben Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt und zusätzlich 600 Peitschenhiebe gegen ihn verhängt. Außerdem wurde verfügt, dass seine Webseite zu schließen ist. Neben anderen Vorwürfen wurde Badawi angeklagt, weil er eine Webseite führte, die das Wort “liberal” in ihrem Namen trug. Am 7. Mai 2014 wurde Badawi von einem Berufungsgericht wiederverurteilt und zwar zu zehn Jahren Gefängnis, 1.000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Saudi-Rial (umgerechnet etwa 266.600 US-Dollar). 

Gründer der Saudischen Vereinigung für zivile und politische Rechte verurteilt

Mohammed Al-Qahatani, ein Jurist und Mitgründer der saudischen Vereinigung für zivile und politische Rechte (ACPRA), verbüßt gegenwärtig eine zehnjährige Gefängnisstrafe, nach deren Ende ein Reiseverbot von ebenfalls zehn Jahren folgt. Die Vereinten Nationen haben gefordert, die gegen ihn verhängten Strafen aufzuheben und ihn aus dem Gefängnis zu entlassen.

Der Kämpfer für Menschenrechte und Hochschullehrer Dr. Abdullah Al-Hamid, ebenso ein Mitgründer von ACRPA und dem Rat zur Verteidigung gesetzmäßiger Rechte, ist bei zahlreichen Gelegenheiten festgenommen und inhaftiert worden. Im Jahre 2004 war er im Gefängnis und wurde zwei Jahre später begnadigt. 2008 musste er im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit eine Haftstrafe von sechs Monaten antreten.

Im März 2013 ist Al-Hamid vor dem Strafgerichtshof in Riad zu einer Gesamtstrafe von elf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Davon entfallen fünf Jahre auf zwölf Anklagepunkte, einschließlich angeblicher “Weigerung, sich dem Willen des Königs zu unterwerfen”, “Aufwiegelung” und “Kommunizieren mit ausländischen Organisationen”. Weitere sechs Jahre gab es für ein Urteil aus dem Jahre 2004, das bis dahin nicht vollstreckt worden war. Außerdem wurde ihm ein Reiseverbot von elf Jahren auferlegt, das unmittelbar nach Beendigung seiner Freiheitsstrafe in Kraft tritt. Der Anklagepunkt des “Kommunizierens mit ausländischen Organisationen” bezieht sich, zumindest teilweise, auf sein Engagement bei den Vereinten Nationen. In einer besonderen Anhörung vor dem Strafgerichtshof in Riad beschuldigte ihn der vorsitzende Richter, die internationale Staatengemeinschaft darüber informiert zu haben, dass es in Saudi-Arabien 30.000 politische Gefangene gibt.

In der Haft war er weiteren Quälereien ausgesetzt. Am 25. Juli 2013 begann er einen Hungerstreik, nach dessen Beendigung er in Isolationshaft gesteckt worden ist. Ihm wurde der Zugang zu seinem Rechtsanwalt verwehrt und man unterrichtete ihn davon, dass er seine anwaltliche Vertretung wechseln müsse.

Blogger angeklagt wegen des “Schreibens und Veröffentlichens von Onlineartikeln gegen die innere Sicherheit des Staates”

Am 17. April 2014 hat der Sonderstrafgerichtshof in Riad den Menschenrechtskämpfer und Blogger Fadhel Al-Manasef auf der Grundlage des Gesetzes gegen Internetkriminalität zu 15 Jahren Gefängnis, einem 15-jährigen Reiseverbot im Anschluss an die Haftstrafe sowie zu einer Geldstrafe in Höhe von 100.000 Rial (umgerechnet etwa 26.700 US-Dollar) verurteilt

Al-Manasefs Anwalt berichtete, dass diese Verurteilung auf folgenden Anklagepunkten basiert:

  • Aufwiegelung zu und Teilnahme an Straßenprotesten,
  • Veröffentlichung von Artikeln im Internet, die die innere Sicherheit des Staates gefährden würden,
  • Unterzeichnung einer Petition, die gegen die Regierung gerichtet sei und
  • Kontaktaufnahme zu ausländischen Medien ohne staatliche Autorisierung,
  • Begleitung von Reportern zu Straßenprotesten und Überlassung abträglicher Informationen über das Königreich.

Er stritt ab, irgendwelche Straftaten begangen zu haben und kündigte an, gegen diese Verurteilungen Berufung einzulegen. Bereits in der Vergangenheit war er wegen seiner Menschenrechtsaktivitäten im Gefängnis.

Mokhlif Al-Shammari: Verfolgt wegen des “Versuchs, das Königshaus von Saudi-Arabien zu verunglimpfen”

Auch der Menschenrechtskämpfer und Journalist Mikhlif Al-Shammari ist wegen seiner internetgestützten Menschenrechtsaktivitäten verfolgt worden. Er sieht sich mit Anklagen konfrontiert wie der Kommunikation mit verdächtigen Organisationen und dem Versuch, das Königshaus von Saudi-Arabien in den Augen der Öffentlichkeit des In- und Auslands zu diskreditieren.

Prangert die Missstände in Saudi-Arabien an

Dies sind nur einige wenige Beispiele für Internetaktivisten und Onlineautoren, die im Königreich Saudi-Arabiens bedroht werden. Hunderte anderer Blogger und Aktivisten, die soziale Medien genutzt haben, um ihre Sicht der Dinge auszudrücken, sind daraufhin inhaftiert worden. Einige bleiben ohne Gerichtsverfahren und ohne zu wissen, was ihnen vorgeworfen wird, für Jahre im Gefängnis.

Menschenrechtskämpfer und Internetaktivisten werden dem Vernehmen nach in Beriman, Dhahban, Sha'ar, Al-Tarfiyah, Ulaysha und Al-Hayer gemeinsam mit gewöhnlichen Kriminellen eingesperrt. Die Gefängnisse sind überfüllt und die inhaftierten Aktivisten beschweren sich über mangelnden Schlaf und zu wenig Platz, schlechtes Essen, unzureichende medizinische Versorgung und schlechte sanitäre Verhältnisse in den Haftzellen.

Trotz dieser äußerst bedenklichen Situation ist die Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft und der zwischenstaatlichen Organisationen wie den Vereinten Nationen extrem enttäuschend gewesen. Für Menschenrechtskämpfer und Internetaktivisten in Saudi-Arabien hat es nur wenig Unterstützung gegeben. Das Gulf Center for Human Rights drängt die Unterstützer, sich um die Aufmerksamkeit des UN-Sonderberichterstatters zur Meinungsfreiheit, Frank La Rue, zu bemühen und auch Regierungsvertreter des Königsreichs Saudi-Arabien einzubeziehen. Auf der Aktionsseite des Gulf Centers steht, wie man diese Arbeit unterstützen kann.

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