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Netzbürger-Report: Mexiko verabschiedet Telekomgesetz geschickt auf dem Höhepunkt der WM

Kategorien: Mexiko, Bürgermedien, GV Advocacy
Protest against LeyTelecom, Mexico City. Flickr picture by user kinoluiggi. CC BY-NC-SA 2.0.

Proteste gegen LeyTelecom, Mexico City. Foto von kinoluiggi via Flickr. CC BY-NC-SA 2.0.

 Alle Links in diesem Artikel führen, soweit nicht anders gekennzeichnet, zu englischsprachigen Webseiten.

Von Ellery Biddle [1], Mohamed El-Gohary [2], Lisa Ferguson [3], Hae-in Lim, Bojan Perkov, Sonia Roubini und Sarah Myers West [4].

Der Netzbürger-Report von Global Voices Advocacy ist eine internationale Momentaufnahme von Herausforderungen, Siegen und neuen Trends im weltweiten Internetrecht. In dieser Woche beginnt der Report in Mexiko, wo der Senat [5] [Global Voices Bericht auf Englisch] den Entwurf für das “neugefasste Gesetz zur Telekommunikation [6]” [Global Voices Advocacy Bericht auf Deutsch] genehmigt hat. Dieses Gesetz ermöglicht die Überwachung von Inhalten und das Zensieren von Informationen, die die nationale Sicherheit gefährden. Es räumt das Recht ein, Telekommunikationsdienste zu sperren und erlaubt viele andere Dinge. Der Gesetzentwurf stößt bei Bürgerrechtlern auf enormen Widerspruch und wird ausgiebig diskutiert, bevor er in den Kongress kommt. Die dortige Abstimmung war infolge von Massenprotesten in Mexiko City verschoben worden. Das Gesetz wurde in der vergangenen Woche erneut zur Abstimmung vorgelegt, als ein Großteil der Bevölkerung voll auf die Weltmeisterschaft konzentriert war. Obwohl gewisse besorgniserregende Passagen des ursprünglichen Entwurfs im endgültigen Gesetz nicht mehr enthalten sind, bleiben die Verfechter von Internetrechten wegen der Auswirkungen des Gesetzes auf den Datenschutz und die Meinungsfreiheit weiterhin beunruhigt.

Freie Meinungsäußerung: Facebook verschwindet (kurz) in Myanmar 

Am Wochenende hatte die Regierung von Myanmar für jeweils mehrere Stunden den Zugang zu Facebook gesperrt [7]. Angeblich sollte dadurch in Mandalay, Myanmars zweitgrößter Stadt, das Verbreiten von Hasstiraden und das Schüren von Unzufriedenheit gestoppt werden. Dort gab es gewalttätige Zusammenstöße zwischen Muslimen und Buddhisten, nachdem im Internet Gerüchte aufkamen, dass eine buddhistische Frau von ihrem muslimischen Angestellten vergewaltigt worden sei. Der eingeschränkte Zugang zu Facebook überschnitt sich mit einer von der Regierung verhängten Ausgangssperre zwischen neun Uhr abends und fünf Uhr morgens, wobei unklar [8] geblieben ist, welche Regierungsbehörde für diese Maßnahme verantwortlich ist.

Blocked Project prüft, ob Webseiten blockiert werden

Die in London ansässige und für Bürgerrechte eintretende Nichtregierungsorganisation Open Rights Group [9] hat Blocked Project [10] gestartet, ein kostenloses Instrument für Internetnutzer, um einschätzen zu können, ob Webseiten in bestimmten Regionen durch dort eingesetzte Filter blockiert worden sind oder nicht. Die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass fast zwanzig Prozent aller legalen Seiten [11] in Großbritannien durch Filter der Regierung gesperrt worden sind. Diese Maßnahmen wurden im Rahmen von David Camerons “familienfreundlicher” Internetpolitik eingeleitet. 

Tyrannei: Marokkanischer YouTube-Rapper geht für vier Monate ins Gefängnis

Mouad Belghouat, auch bekannt als El Haqed (“Der Ungehaltene”), ist in Marokko zu einer Gefängnisstrafe von vier Monaten [12] verurteilt worden. Der Bürgeraktivist und Rapper war bereits im Jahre 2012 inhaftiert [13], nämlich wegen eines Musikvideos, das hauptsächlich über YouTube verbreitet worden ist und seinerzeit bei den Straßenprotesten in Marokko so etwas wie ein Schlachtruf war. Im Mai wurde Belghouat am Rande eines Fußballspiels [14] [de] festgenommen, wo eine Vielzahl von Zeugen bestätigte, dass die Polizei ankam und sehr aggressiv nach dem jungen Mann suchte. Hier [15] geht es zu der Kampagne, die sich für seine Freilassung einsetzt. 

Überwachung in Großbritannien: Furcht vor Rückkehr von “Schnüfflers Freibrief”

Sieben Internetdienstanbieter aus sechs verschiedenen Ländern reichten eine offizielle Beschwerde [16] gegen Großbritanniens Geheimdienst GCHQ ein, weil er Schadsoftware [17] einsetzt, um in deren Netzwerke einzubrechen. Diese Feststellung basiert auf Veröffentlichungen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, wonach GCHQ angabegemäß Man-in-the-Middle-Angriffe [18] [de] unternimmt, um eine sichere Kommunikation zu erschweren. Es wird argumentiert, dass GCHQ das Gesetz von 1990 gegen Computermissbrauch [19] gebrochen habe.

Großbritanniens Minister erwägen die Genehmigung von Notgesetzen [20] [zur Vorratsdatenspeicherung], um der Regierung weitreichendere Möglichkeiten in der privaten Kommunikationsüberwachung zu geben. Dieses Eilverfahren sei eine Reaktion auf offensichtliche Bedrohungen durch britische Muslime, die im Syrien-Konflikt radikalisiert wurden. Anscheinend haben die Minister Unterstützung von Seiten der Labour Party und der Liberaldemokraten bekommen, allerdings mit einigen Vorbehalten: Die Liberaldemokraten haben darauf bestanden, dass diese neuen Gesetze auf keinen Fall zu einer schleichenden Wiedereinführung von “Schnüfflers Freibrief“ führen dürfe, einem 2013 gescheiterten Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Außerdem hat die Labour Party gefordert, dass jede neue Gesetzgebung eine “Sunset-Klausel” [zeitliche Befristung] haben muss, wonach es nach Ablauf einer bestimmten Frist erneut zu überprüfen ist.

NSA erspäht Informationen mit “hohem geheimdienstlichen Wert”

Eine Recherche der Washington Post enthüllte [21] neues Datenmaterial, aus dem hervorgeht, dass Informationen mit “hohem geheimdienstlichen Wert” tatsächlich durch Spähprogramme der NSA aufgesogen [22] worden sind. Dies schließt Erkenntnisse ein, die zur Verhaftung des “Bali-Bombers” Umar Patek und anderer Personen geführt hatten. Aber diese Daten illustrierten auch erhebliche Verletzungen des Datenschutzes, indem detaillierte persönliche Informationen aus tausenden Biografien offenbart werden und zwar auf einem überaus langweiligen Niveau: Fotos von Kindern, Krankenakten und selbstgeschossene Bilder der spärlich bekleideten Sorte. Der Artikel zeigt im Detail die unbeschwerten und lockeren Praktiken des Datensammelns [23], die das Programm erlaubt und hebt hervor, dass die NSA diese Informationen speichert, obwohl sie nur von geringem strategischen Interesse sind. Durch die Enthüllung dieser Details wird auch klar, dass die Behörde dazu unfähig ist, diese [mitunter sehr intimen] Informationen in dem Maße zu schützen [24], wie sie es ursprünglich behauptet hat.

Branche: Vergesst mich ab jetzt? Ja bitte, sagen EU-Googler

Google ist bei seinen Reaktionen auf das Gerichtsurteil zugunsten des “Rechts auf Vergessen” auf eine neue Hürde gestoßen [25]: Einen öffentlichen Aufschrei wegen etwas, das Zensur genannt werden muss. Als Antwort auf den Vorwurf, man sei beim Löschen von Links “übereifrig”, hat Goolge schätzungsweise 1.000 Links auf Artikel, die tatsächlich nicht zu beanstanden waren, wiederhergestellt [indexiert]. Darunter sind Geschichten über einen schottischen Schiedsrichter, der bei der Angabe von Gründen, die während eines Fußballspiels zu einem Elfmeter führten, gelogen hatte. Google sieht sich jetzt mit einem Arbeitsrückstand von 250.000 Löschanfragen konfrontiert.

Dem Beispiel von Netflix folgend, hat YouTube damit begonnen, Internetdienstanbieter beim Namen zu nennen [26], weil sie die Wiedergabequalität von Videos verschlechtert haben. In diesen Fällen zeigt YouTube eine Nachricht mit dem Wortlaut “Erleben Sie Unterbrechungen?” an, sobald die Internetgeschwindigkeit absinkt. Wenn die Nutzer diesen Text anklicken, erscheint über den betreffenden Internetdienstanbieter ein Bericht, der die aktuelle Qualität der Datenübertragung zeigt und wie hoch die Datenübertragungsrate für das Video sein müsste.

Internet-Governance: Vereinte Nationen stimmen für Bürgerrechte, online und offline

Der UN-Menschenrechtsrat hat die Resolution A/HRC/26/L.24 [27] angenommen, nämlich “zur Förderung, Sicherung und Ausübung von Menschenrechten im Internet, die gewährleistet, dass dieselben Rechte, die von den Menschen offline ausgeübt werden, auch online geschützt werden, insbesondere die Meinungsfreiheit”. Zahlreiche Bürgerrechtsgruppierungen und 82 UN-Mitgliedsstaaten haben die Resolution unterstützt. Die Resolution ist ohne den eingereichten Änderungsvorschlag [28] verabschiedet worden, der unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und religiöser Intoleranz ein Schlupfloch für die Zensur geschaffen hätte.

Artikel und Studien

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