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Russen sagen, die Sprecherin des US-Außenministeriums habe ein “Hundeherz”

Kategorien: Ost- und Zentraleuropa, Russland, USA, Bürgermedien, Humor, Internationale Beziehungen, Kunst und Kultur, RuNet Echo
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Alle Links in diesem Artikel führen, soweit nicht anders gekennzeichnet, zu russchischsprachigen Webseiten.

Ein ungewöhnlicher Videoclip kursiert im russischen Internet; das vorerst letzte Ereignis in einer Reihe [1] [Global Voices Bericht auf Deutsch] von Internet-Memen [2] [de], die Jen Psaki angreifen, die Sprecherin des US-Außenministeriums. Dieser Clip wurde am vergangenen Freitag, dem 20. Juni, gepostet [3] und zeigt eine Szene des 1988 herausgekommenen Sowjetfilms [4] [de] “Hundeherz”, der auf Michail Bulgakows gleichnamiger Erzählung basiert.

In der Szene des Originals bringt Polygraf Polygrafowitsch Bellow, ein in ein menschliches Wesen verwandelter Hund (Bulgakows “schlampige und narzistische Inkarnation des neuen Sowjetmenschen”), von der Arbeit eine Frau mit nach Hause. Seinem Schöpfer erzählt er, dass sie zu heiraten beabsichtigen. In der Erzählung merkt die Frau sehr schnell, dass Bellow eigentlich ein Hund ist und verlässt ihn voller Abscheu.

In dem viralen Video ist Psaki durch eine digitale Nachbearbeitung als Gesicht von Bellows unglückseliger Verlobter hinzugefügt worden. Der Autor des Videos schuf zwei weitere Szenen, in denen die gleichen Filmeinstellungen benutzt werden. In diesen nachfolgenden Versionen wird Psaki zuerst durch Conchita Wurst ersetzt, den Travestiekünstler, der den diesjährigen Eurovision Song Contest gewann und als nächstes durch Valerija Nowodworskaja, einer russische Polit-Aktivistin und früheren Sowjet-Dissidentin.

Das Video hat mehr als 210.000 Aufrufe, davon allein fast 90.000 am 22. Juni, dem Höhepunkt der Popularität. Der Autor des Clips, ein anonymer YouTube-Nutzer, genannt “Viosmart [5],” ist dort seit Mai 2009 aktiv. Das älteste von Viosmart hochgeladene Video ist 27 Sekunden lang und zeigt zwei russische Musiker, von denen einer anzügliche Bewegungen [6] vollführt. 

Die Blog-Suchfunktion von Yandex bringt über 2.000 Ergebnisse [7] für die Wörter “Psaki” und “Sharikow” [Bellow], die seit dem 20. Juni in den sozialen Medien gepostet worden sind, also seitdem Viosmart sein Video veröffentlicht hat. Schaut man sich eine zufällige Auswahl dieser Reposts an, findet man jedoch keinerlei Erklärung dafür, warum der Clip dermaßen gut bei den russischen Internetnutzern angekommen ist. Bei Twitter, VKontakte, Facebook und anderen sozialen Netzwerken teilen die meisten Leute den Clip unter dem Titel “Scharikow [Bellow] und seine Mädels” ohne Kommentar. Sie verbreiten einfach den Link weiter und sammeln “Gefällt-mir-Angaben”.

Es gibt einige Anzeichen dafür, dass diese Art von Humor eine Referenz an die Pointe in Bulgakows Erzählung ist. In dieser Geschichte, ebenso wie im Film, ist Bellows Braut in spe am Boden zerstört als sie erfährt, dass er in der Tat kein menschliches Wesen ist. Beim Teilen des mit Psaki bearbeiteten Clips, der stellvertretend dafür steht, warum andere lachen, schreibt [8] Natascha Melehina auf Facebook: “Armer Scharikow [Bellow].” Dabei deutet sie an, dass die drei Frauen, die in dem Film digital hinzugefügt wurden, noch schlimmer sind als der klägliche neue Sowjetmensch.

Worin auch immer in diesem viralen Video der Spaß zu suchen ist, auf jeden Fall steht fest, dass ihr Zusammenspiel mit Wurst und Nowodworskaja, mit einem Transvestiekünstler und einer feisten, konspirativen Theoretikerin wohl kaum schmeichelhaft erscheinen sollte.