Erinnerung als Pflicht: Der erste Stolperstein in Timișoara, Rumänien

       Gunter Demnig platziert den ersten Stolperstein in Timișoara. Foto von ©anouklederle

Am 23. Mai um 17 Uhr wurde im Beisein des Künstlers Gunter Demnig vor dem Haus Nr. 8 der Piața Romanilor im Viertel Fabric in Timișoara der erste Stolperstein Rumäniens platziert.

Ein “Stolperstein” hemmt den Schritt und zieht den Blick auf sich. Diese Steine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Ihre Oberseite ist von einer Messingschicht bedeckt. Sie befinden sich im Boden, mitten auf dem Bürgersteig, vor dem letzten Wohnsitz eines Opfers der Nazizeit.

In Timișoara ging die Initiative von einer Gruppe junger Rumänen und Deutscher aus. Das Projekt “Istoria altfel” (eine andere Geschichte) wurde im vergangenen Sommer geboren. Die Mitglieder der Gruppe haben in nationalen und regionalen Archiven recherchiert. Sie haben mit Menschen gesprochen und die Synagogen und den jüdischen Friedhof von Timișoara besucht. Von der ihnen so wichtigen Erinnerungsarbeit wollten sie etwas festhalten und haben daher ihre gesamte Forschungsarbeit gefilmt. Mit Unterstützung durch Profis und lokale Partner entstand aus zwanzig Stunden Material ein etwas über zwanzig Minuten langer Dokumentarfilm.

Die Piata Romanilor Nr. 8 in Timisoara. Foto von ©anouklederle

 Betrachtet man die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Rumänien, wird deutlich, wie wichtig Erinnerung gerade hier ist. Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte sie zu den bedeutendsten Europas: Mit 900.000 Personen war sie nach denen in Polen und Russland die drittgrößte. Ab 1940/41 verübten die “Legionäre” der faschistischen “Eisernen Garde” mit Erlaubnis des Staatschefs (“Marschall” Antonescu) zahlreiche Massaker.

cérémonie Stolpersteine - ©anouklederle

Stolperstein-Aktion – ©anouklederle

Ohne von den Nazis dazu aufgefordert worden zu sein, organisierte die rumänische Regierung Pogrome (zum Beispiel in Iași) und Deportationen (nach Transnistrien). Die tragische Bilanz: Über vierzig Prozent der jüdischen Bevölkerung (350.000 bis 450.000 Personen) verloren ihr Leben.

Lorend Bloch Stolpersteine ©anouklederle

Stolperstein für Lorend Bloch  – ©anouklederle

 

 

Heute leben in Timișoara etwa 300 Juden. Ein öffentliches Gedenken an Lorand Bloch, geboren 1909, 1941 in einem Arbeitslager interniert und verstorben am 12.11.1943, hat seinen Sinn. Gunter Demnig sagt:

Je pense à tous les pays où ils ont été victimes du régime nazi. Il y a eu plus de six millions de victimes.  Je sais que je ne pourrai pas poser une pierre dans chaque pays. Mais en nous inclinant nous commençons à commémorer un homme qu’on ne doit pas oublier. Pour lire ce qui est sur la pierre, il nous faut nous incliner devant cet homme.

“Ich denke an alle Länder, in denen Juden Opfer des Nazi-Regimes wurden. Insgesamt hat es über sechs Millionen Opfer gegeben. Ich weiß, dass ich nicht in jedem Land werde einen Stein platzieren können. Aber indem man sich zur Erde neigt, gedenkt man eines Menschen, der nicht vergessen werden darf. Um die Inschrift auf einem Stein zu lesen, müssen wir uns vor diesem Menschen verneigen.

Auf seine Initiative hin wurden in 17 europäischen Ländern mehr als 47.000 Steine platziert. Rumänien ist nun das 18. Land geworden.

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