- Global Voices auf Deutsch - https://de.globalvoices.org -

Aus den virtuellen Schützengräben der Ostukraine

Kategorien: Nahost & Nordafrika, Ost- und Zentraleuropa, Russland, Ukraine, Aktuelle Meldungen, Bürgermedien, Ethnie & Rasse, Internationale Beziehungen, Internetaktivismus, Kriege & Konflikte, Politik, Technologie, RuNet Echo
Donetsk People's Republic commander Igor Strelkov (Girkin) on the left. Donbass battalion volunteer commander Semyon Semynchenko on the right.

Links: Igor Strelkow (Girkin), Kommandeur der Volksrepublik Donezk. Rechts: Semjon Semjonschenko, Kommandeur des Freiwilligenbattalions Donbass. 

Alle Links in diesem Artikel führen, soweit nicht anders gekennzeichnet, zu russischsprachigen Webseiten.

Während die Gewalt in der Ostukraine keinerlei Anzeichen des Abflauens erkennen lässt, sind die militärischen Konfliktparteien – das proukrainische Freiwilligenbatallion “Donbass” und die bewaffneten Streitkräfte der Volksrepublik Donezk – nach wie vor in den sozialen Netzwerken aktiv, um Neuigkeiten über ihre militärischen Operationen zu verbreiten. 

Semjon Semjonschenko vom Batallion Donbass nutzt Facebook, um seinen fröhlichen Schlachtenlärm zu verbreiten. Vor Kurzem ist er damit beschäftigt gewesen, auf dem Maidanplatz Kämpfer für seine Truppe zu rekrutieren. Genau an der Stelle in Kiew, wo es im Winter zu Gewalttätigkeiten kam. Einige der Aktivisten [des Maidan] sitzen zu Hause und sind jetzt offenbar fest entschlossen, Semjonschenko in die Schlacht zu folgen. Ihm zufolge [1] hat “Donbass” mehr als 800 Freiwillige, die auf einem Stützpunkt der ukrainischen Nationalgarde in Nowi Petriwzi ausgebildet werden. 

Semjonschenkos Nachrichten sind in einer ideologisch gefärbten Sprache formuliert. Gestern hat er folgendes berichtet [2], als Reaktion auf mögliche Verhandlungen mit den Separatisten in Donezk:

Батальон Донбасс против проведения переговоров с террористами, признания похитителей людей, убийц, наемников воюющей стороной и любых переговоров о ” прекращении огня” . Это путь в никуда. Не верим что подобное возможно. Надеемся что имеем дело с фейком. Это наше мнение как граждан Украины.

Das Donbass Battalion verhandelt nicht mit Terroristen und führt auch keinerlei Gespräche über einen Waffenstillstand. Entführer, Mörder und Söldner erkennen wir nicht als Kombattanten [3][de] an. Dieser Weg würde in die Irre führen. Wir glauben nicht daran, dass so etwas möglich ist. Wir hoffen, das ist eine Zeitungsente. Dies ist unsere Meinung als Bürger der Ukraine. 

Angesichts der auf beiden Seiten erlittenen Verluste – irgendwo zwischen ein paar Hundert und vielen Hundert – wären ein Waffenstillstand und Verhandlungen selbstverständlich eine vernünftige Strategie. Es ist nicht ganz klar, ob Semjonschenko tatsächlich daran glaubt, dass die Lage ohne bilaterale Gespräche bereinigt werden kann. Wenn überhaupt etwas passiert, werden die Anführer der Separatisten, wie der ewig griesgrämig dreinblickende Separatistenführer Igor Strelkow,  wahrscheinlich ihre Gewaltanstrengungen noch verdoppeln.

Strelkow veröffentlicht weiterhin kurze Lageberichte in einem befreundeten LiveJournal Blog, die dann allerdings durch Facebook und VKontakte im RuNet verbreitet werden. In den letzten paar Tagen waren diese Aktualisierungen ereignisreich. Besonders, seitdem die ukrainischen Regierungstruppen anscheinend den Druck auf das Zentrum der Rebellen in der kleinen, jedoch strategisch günstig gelegenen, Stadt Slawjansk erhöht haben. Strelkow hat beispielsweise “bestätigt”, dass die Streitkräfte der Volksrepublik Donezk einige Kampfflugzeuge und Hubschrauber abgeschossen [4] hätten, wofür Flugabwehrgeschütze und MANPAD Flugabwehrraketen verwendet worden seien. Zuletzt sei ein militärisches Aufklärungsflugzeug getroffen worden (die ukrainische Seite gab an, es habe sich um einen Transport mit humanitären Hilfsgütern gehandelt). 

Strelkow hat auch [in ironischer Anspielung auf Jen Psaki] gesagt [5], dass verschiedene Regimenter der “Cossacks [6]” [de], die in Slawjansk angelandet sind, um die separatistische Bewegung aus Russland sowie aus anderen Orten der Ukraine zu unterstützen, ihr Schiff verlassen hätten und die Soldaten sich bis zur russischen Grenze zurückstauten (anscheinend waren es dieselben Regimenter, denen der berühmt-berüchtigte Tomaten-Terrorist [7] [Global Voices Bericht auf Deutsch] vor einigen Wochen in die Arme gelaufen war). 

Wieder ernsthafter behauptete Strelkow den Einsatz von “Grad” Panzerartillerie gegen die Stellungen von Separatisten in der Stadt Semjonowka. Das ist eine gravierende Anschuldigung, weil “Grad” ein notorisch ungenaues Waffensystem ist, das für großflächige Zerstörungen zum Einsatz kommt (es erlangte traurige Berühmheit, als Grosny im Kaukasuskrieg 2008 dem Erdboden gleichgemacht wurde). Strelkow räumte jedoch ein [8], dass diese Waffen bis jetzt nicht mit voller Wucht zum Einsatz gekommen sind:

Градами 3 июня они по Семеновке действительно стреляли. Но пускали по одной ракете, не залпами

Am 3. Juni haben sie doch tatsächlich “Grad” in Semjonowka eingesetzt. Aber sie verwendeten nur Einzelfeuer, keinen Dauerbeschuss.

Wird die Gewalt weiter zunehmen und wenn ja, wann ist der kritische Punkt erreicht, an dem die ukrainische Antiterror-Operation in einen Krieg mündet? 

[Donbass ist die Bezeichnung des Donezbeckens, das beidseits der ukrainisch-russischen Grenze verläuft].

Der ukrainische Krieg in Echtzeit [9] [Global Voices Bericht auf Deutsch]

Jen Psaki, Staatsfeind Nummer 1 in Russlands Internet [10] [Global Voices Bericht auf Deutsch]