Aufsässig nehmen iranische Frauen den Schleier ab

Frauenaktivistinnen in ganz Iran nehmen ihre Schleier ab, um gegen die Frauendiskriminierung der Regierung zu protestieren. Die mehrsprachige Kampagne „Die heimliche Freiheit der iranischen Frauen“ [fa] [en] hat innerhalb der zwei Monate, seitdem es sie gibt, bereits fast 320.000 Anhänger gewonnen. Die Kampagne zeigt, wie iranische Frauen aus dem ganzen Land ihre Schleier abnehmen – eine Tat, die schwerwiegende Auswirkungen für sie aufgrund des Artikels 638 des iranischen Strafgesetzbuches [en] haben könnte. Im Artikel steht, dass Frauen, die sich in öffentlichen Räumen und auf den Straßen befinden, ohne den islamischen Hidschab zu tragen, zu Haftstrafen zwischen zehn Tagen und zwei Monaten verurteilt werden oder eine Geldstrafe zahlen müssen.

Manche Frauen haben sich entschlossen, ihre Gesichter zu verstecken, andere sie zu zeigen.

In einem Video [fa], das auf der Facebook-Seite der Kampagne „Die heimliche Freiheit der iranischen Frauen“ geteilt wurde, entscheidet sich eine Frau, den Weg von ihrem Haus bis zu einer in der Nähe gelegenen Bank ohne ihr Kopftuch zu gehen. Sie erklärt:

My husband recorded this video of me in which I walk the distance between our house door and the nearby Mellat bank. People's reactions were marvelous. A man took hold of the hand of the woman with whom he was walking and changed their direction. You an see them a little bit in the video. A shop keeper asks whether we are recording it for a satellite TV channel. My husband talks to him in the end and this makes the video less stealth.

Mein Mann hat dieses Video von mir aufgenommen, in dem ich den Weg von unserer Haustür bis zur nicht weit entfernten Mellatbank gehe. Die Reaktionen waren großartig. Ein Mann nahm die Hand der Frau, die ihn begleitet hat, und ging mit ihr in eine andere Richtung. Man sieht sie kurz im Video. Ein Ladeninhaber fragte, ob wir fürs Satellitenfernsehen drehen. Am Ende redet mein Mann mit ihm und das macht die Aktion nicht mehr so geheim.

Hier sind noch mehr Bespiele von Frauen, die dem Artikel 638 in der Wüste, am Meer, in der Nähe eines Sees und auf einem Gleisbett trotzen.

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Bild der Facebookseite der Kampagne „Die heimliche Freiheit der iranischen Frauen“

It had been the very fist time I had ever seen the desert. As sun was rising in order to respect her beauty, I took my headscarf off so that she could see me beautiful too.
That feeling was great.. I was..fearless in the desert.. with my head uncovered in the desert.

Es war das erste Mal, dass ich die Wüste sah. Weil die Sonne aufging und ich ihre Schönheit respektieren wollte, nahm ich mein Kopftuch ab, damit sie auch meine Schönheit sehen konnte. Es war großartig… ich war… furchtlos… mit einem unbedeckten Kopf… in der Wüste…

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Bild der Facebookseite der Kampagne „Die heimliche Freiheit der iranischen Frauen“

این هم سهم ما از دریا

 Und unser Beitrag zum Meer.

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Bild der Facebookseite der Kampagne „Die heimliche Freiheit der iranischen Frauen“

آزادی یواشکی من در مازندران. به امید آینده ای آزاد، با عدالت، بی هراس

 Meine heimliche Freiheit in Māzandarān. Mit der Hoffnung auf eine Zukunft, die frei ist, gerecht und ohne Furcht.

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Bild der Facebookseite der Kampagne „Die heimliche Freiheit der iranischen Frauen“

Zarrin-Dasht, not so far from Mazandaran, three months before I left Iran. Unleashing my hair felt much better in my own homeland

 Zarrin-Dasht, nicht weit von Māzandarān, drei Monate bevor ich den Iran verlassen habe. Es fühlt sich viel besser an, meine Haare in meinem Heimatland runterzulassen.

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Bild der Facebookseite der Kampagne „Die heimliche Freiheit der iranischen Frauen“

Freedom is every person's right! Freedom…happiness…colorfulness…is every Iranian woman's right. Freedom is a right; and rights are to be fought for and gained! As they are never offered to you. So we will attain it ourselves… taken on a plage belonging to the government! in Chaboksar

Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit! Freiheit… Glück… Buntheit… sind die Rechte jeder iranischen Frau. Freiheit ist ein Recht. Rechte sind dafür da, damit man für sie kämpft und bekommt, denn sie sind nichts Gegebenes. Deswegen werden wir sie selbst erlangen… Das Foto wurde an einem staatlichen (!) Strand in Chaboksar aufgenommen.

Die Initiatoren der Kampagne machen darauf aufmerksam [en], dass sie nicht grundsätzlich gegen den Schleier sind, sondern die Entscheidung den Frauen überlassen.

Nasrin Sotoudeh, eine Rechtsanwältin für Menschenrechte, verbrachte drei Jahre im Gefängnis wegen der Verteidigung ihrer Klientinnen sowie der Frauen- und Gefangenenrechte im Allgemeinen. Sie nimmt eine andere Haltung gegenüber dem Konzept der Freiheit, die auf eine heimliche Art und Weise gefordert wird, ein und beginnt ihren Beitrag [en] [fa] mit:

I'd rather they chopped off my head right in front of the warden's office door.

„Es wäre mir lieber, wenn sie meinen Kopf vor der Bürotür des Gefängnisdirektors abhacken würden…“

Diese Übersetzung wurde von Danielle Maybee im Rahmen ihres Studiums am FTSK Germersheim für das Projekt „Global Voices“ angefertigt.

2 Kommentare

  • Andreas

    Zunehmend beobachte ich in den Nachrichtenportalen Meldungen über iranische Frauen, die ihren Schleier abnehmen, so auch in Ihrem Artikel “Aufsässig nehmen iranische Frauen den Schleier ab “. Es ist schön zu sehen, dass die Frauen in Iran trotz des eigentlichen Verbotes die Möglichkeit haben, sich zu entschleiern. Das bestätigt nur, dass die Meldungen über die allgegenwärtige Überwachung der Basidschi in Iran übertrieben sind, obwohl bis zu eine Millionen von ihnen mobilisiert werden können.

    Es hat sicherlich nicht erst vor kurzem angefangen, dass Frauen in Iran in bestimmten Orten ihre Schleier abnahmen. Schon immer muss es in der Islamischen Republik Frauen gegeben haben, die mit Freude ihre Kopftücher abgenommen haben, genau so wie es nicht nur in islamischen Ländern, sondern sogar in Europa viele Frauen gibt, die ganz stolz ein Kopftuch tragen.

    Doch nicht immer hat man als religiöse Frau in Europa die Möglichkeit, sich die Freiheit zu nehmen, sich zu verschleiern und damit frei herum zu laufen. Als Anregung verweise auf einen Link, der zeigt, wie viele verschiedene Gesichter Freiheit doch hat, so zum Beispiel Freiheit, das Gesicht zu verschleiern:

    http://www.aquila-style.com/focus-points/frenchman-pays-fines-for-niqab-wearers/13396/

    Dieser Artikel ist ein interessantes Gegenbeispiel zu unserem Verständnis von Freiheit, das sich oftmals auf Kleidung bzw. Entkleidung beschränkt. Doch ebenso gibt es Frauen, die die Freiheit haben wollen, sich zu verschleiern. Gewiss gibt es auch Frauen, die dazu gezwungen werden. Es gibt bei uns auch Frauen, die dazu gezwungen werden, sich sehr freizügig zu kleiden, obwohl sie das nicht wirklich wollen. Ich vermisse in solchen Berichten einfach die Stimmen jener Frauen, die einfach anders denken als wir. Die nehmen wir viel weniger wahr, da sie sich gar nicht erst profilieren wollen, sich in ihren Häusern oder in den Moscheen zurückziehen und einfach ihr Leben leben. Trotz dieser Schwierigkeit, diese Stimmen wahrzunehmen, gab es jedoch neulich erst Proteste iranischer Frauen, die sich für eine strengere Kleiderordnung einsetzten. Wenn sie mich persönlich fragen: Ich bin dafür, dass man frei wählen kann, ob man ein Kopftuch trägt oder nicht. Ich bin aber genauso dafür, dass wir keinen plötzlichen Wandel zu forcieren versuchen, der schon immer in anderen Ländern destabilisierend gewirkt hat. Ich bin dafür, zu differenzieren und nicht bloß auf eine Gruppe von Menschen in Iran den Fokus zu legen.

    Ihre Plattform nennt sich “Global Voices”, was ein repräsentatives Bild der Stimmen weltweit andeutet. Genau hier vermisse ich die Stimmen jener Menschen, die eben ganz anders denken als wir, ansonsten laufen Sie Gefahr, sich zunehmend zu “Western Voices” zu entwickeln. Denn
    Mein Problem mit der Berichterstattung ist, dass mir das Thema “Verschleierung” bzw. “Entschleierung” sehr stark politisiert vorkommt. Zur Völkerverständigung würde man einen starken Beitrag leisten, wenn man beide Seiten gegenüberstellt (z.B. der Artikel, auf den ich mich beziehe und der Artikel, den ich oben erwähnt habe).

  • Regine Sterzing

    Traurig, das auch hier wieder eine Gelegenheit gebastelt wird, zum einen die Situation der Frauen und auch des Landes zu verharmlosen und andererseits die Damen ohne “Schleier” als Opfer zu stilisieren.

    Der Unterschied ist ein ganz gravierender: die Frauen, die so gerne Schleier tragen möchten, haben sehr wohl die Möglichkeiten dies in überwältigender Mehrzahl auch zu tun – und zwar ohne drakonische Strafen dafür zu riskieren!!!

    Im Übrigen sollte man vielleicht mal die Relationen betrachten – wo es die Entscheidungsfreiheit gibt, tragen im Moment noch sehr wenige Frauen Kopftuch – zu Lasten der Freiheit aller anderen Frauen, denn schon gibt es Rufe die Verschleierung auszuweiten, womit auch der Druck auf die anderen Frauen erhöht wird.

    Ich würde daher für generelle Verbote in Schulen und öffentlichen Gebäuden, Banken, Kindergärten usw. begrüssen, und auch das Kopftuch im Beruf nicht zulassen. Religion sollte eine private Angelegenheit sein und bleiben – und überdies hinaus eine komplett freiwillige, ohne Reglementierungen!

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