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Der pakistanische Blogger, der nicht gehen konnte, aber anderen zum Laufen verhalf

Kategorien: Südasien, Pakistan, Bürgermedien, Gesundheit, Internetaktivismus, Menschenrechte, Technologie
Screenshot of Sarmad Tariq during his speech at TEDxKarachi 2011 [1]

Screenshot von Sarmad Tariq während seiner Rede bei TEDxKarachi 2011.

Alle Links führen, soweit nicht anders angegeben, auf englischsprachige Webseiten.

Im Alter von 15 Jahren hatte Sarmad Tariq [2] einen Schwimmunfall, der eine Querschnittslähmung von der linken Schulter abwärts zu Folge hatte. Seit dieser Zeit war er auf einen Rollstuhl angewiesen. Dies hielt den Mann aus Islamabad, Pakistan, aber nicht davon ab, als Marathonsportler und Motivationsredner die Welt zu bereisen.

In seiner Heimat und im Ausland begeisterte Tariq die Menschen, weil er alles spielend wegsteckte, gleichgültig, welche Steine ihm das Schicksal in den Weg legte.

Tariq, der auch Romane schrieb, starb im Alter von 38 Jahren am frühen Morgen des 30. April 2014 [3] in seiner Wohnung.

Er unterhielt einen Blog und ein Facebookprofil, in dem er den Lesern gegenüber offen über seine Gesundheit und seine Vergangenheit sprach und deutlich machte, dass er nicht auf Mitleid aus war. Am 16. März 2014 beschrieb er seine Zähigkeit auf seiner Facebookseite [4] und in seinem Blog. Es sollte sein letzter Eintrag werden:

Lieber Gott,

Tetraplegie, autonome Dysreflexie, Sepsis, Malaria, chronische Bronchitis, Druckgeschwüre und nur du weißt, was noch alles. Du weißt, dass ich derzeit an mehr Krankheiten leide, als ein gewöhnlicher Mensch aussprechen kann. Allein im letzten Monat musste ich zweimal in kritischem Zustand akut ins Krankenhaus gebracht werden. […] Meine Angehörigen sind dem Nervenzusammenbruch nahe. Regelmäßig verliere ich das Bewusstsein, ich bekomme Atemnot, wenn ich nur spreche, meine Körpertemperatur steigt extrem an und sinkt unglaublich stark ab. […]

Und doch… ich beklage mich nicht. Ich lebe weiter, lächle weiter, mein Glaube ist unerschütterlich, ich weigere mich, die Hoffnung aufzugeben, ich bin ein Überlebender. Du weißt, dass ich mein Bestes gebe.

Aber… lieber Gott, ich weiß, dass du niemandem mehr zumutest als er ertragen kann. Ich weiß, du würdest nie zulassen, dass ich zusammenbreche oder dass mein Glaube ins Schwanken gerät, aber wenn eine solche Bitte nicht zu viel verlangt ist, ich bräuchte wirklich dringend eine Pause!

Als die Nachricht von seinem Tod bekannt wurde, erging eine Flut von Online-Meldungen zur Erinnerung an Tariq.

Awab Alvi, ein Autor von Global Voices und langjähriger TED-Kollege aus Pakistan, erinnerte an Tariqs Auftreten bei TEDxKarachi 2011 in einer Meldung auf Facebook [5]:

Im Vorfeld dieser Veranstaltung hatte ich von seiner Geschichte nur “gehört”. Wir hatten ein paar Mal gemailt, und ich hatte mit ihm telefoniert, um die Logistik und andere Details zu klären. Als er aber auf die Bühne kam, der Querschnittsgelähmte in seinem Rollstuhl, mit einem Think Positive-T-Shirt, einer fetten weißen Armbanduhr und einer Mineralwasserflasche, die er etwas ungeschickt hielt, da war keiner auf das vorbereitet, was er [Tariq] in den folgenden 22 Minuten sagen würde. Am Ende seiner Rede hatte vermutlich jeder der 450 Zuhörer eine Gänsehaut. Man konnte gar nicht anders als diesen fantastischen Menschen mit wohlverdienten stehenden Ovationen zu feiern.

Hier kann seine Rede [6]bei TEDxKarachi angesehen und gehört werden:

Shireen Naqvi, Leiterin der School of Leadership [7]in Karachi, dankte [8] Tariq:

Ich bin nicht nur dankbar für die ungezählten Gelegenheiten, bei denen du in persönlichen Treffen und Zusammenkünften mit dem Team unser Leben bereichert hast. Ich danke dir auch, dass du an unserer Seite, mit uns, warst, immer wenn es darum ging, dass aus den jungen Menschen in unserem Land Anführer mit Mitgefühl, Entschlossenheit und Voraussicht werden. […] Möge dein Vermächtnis fortbestehen!

Isfandiyar Shaheen, ein Nachbar von Tariq, erinnert sich an Tariqs Schlüssel zum Glück [9]:

Sarmad Tariq ist von uns gegangen. Ich kannte ihn schon einige Jahre, bevor er seinen Unfall hatte. Er war unser Nachbar. Meine erste Erinnerung an ihn ist ein Boxkampf bei ihm zuhause und seine Begeisterung für Rocky 4. Er sagte einmal, es braucht vier Dinge um glücklich zu sein: 1. Keine Klagen, 2. keine Reue, 3. keine Angst und 4. Selbstverwirklichung. Ich fragte ihn einmal wie oder warum es möglich war, dass er seinen Unfall nicht bereute. Darauf antwortete er, hätte er nicht in dem Fluss getaucht, wäre er wahrscheinlich zur Armee gegangen und ein mittelmäßiger Offizier geworden. Stattdessen konnte er dank seiner Behinderung sein ganzes Potenzial verwirklichen.

Jehan Ara [10], Präsidentin von Pakistan Software Houses Association for IT & ITES, schrieb auf Twitter:

Es tut mir so leid, vom Tod von Sarmad Tariq zu erfahren. Er hat gezeigt, dass es keine Grenzen gibt, wenn man wirklich etwas im Leben erreichen will. RIP

 Rai M Azlan [14] von Global Voices Urdu Lingua Co- Editor, priess Tariq:

Sarmad Tariq, der “VorSitzende” ist von uns gegangen. Er hat uns alle motiviert und nie zugelassen, dass sein Rollstuhl zu seiner Behinderung wird. #RIPSarmadTariq

Ema Anis, eine Social Media-Editorin der Zeitung The Express Tribune, gab in einer Kolumne im Internet [17] zu,  dass sie von Tariq erst nach seinem Tod erfahren hatte, als Twitter von einer Flut von Trauer-Tweets wie den oben zitierten überschwemmt wurde. Von Neugier angestachelt, begann sie, über ihn zu lesen. Was sie dabei erfuhr verursachte ihr eine Gänsehaut: 

Ich hatte keine Dokumentationen über ihn gesehen, hab ihn auch nie reden gehört und doch war mir innerhalb von Minuten klar, dass er genau die Person war, die ich wenigstens einmal treffen wollte; jemand, der einem begeistert, der einem die Hoffnung vermittelt, dieses Leben meistern zu können und zu lernen, es bis zum Letzten auszukosten.

Mir schien Sarmad jemand zu sein, der wusste, wie das mit dem “Leben” läuft. Er war sich über die Tatsache im Klaren, dass man mit dem Tod jederzeit rechnen muss. Er war darauf vorbereitet und er wollte aus jedem einzelnen Augenblick seines Lebens alles herausholen.

Und das ist ihm gelungen.

Einige Leute haben in den sozialen Medien überlegt, zur Erinnerung an Tariq in Pakistan Lesungen seiner Werke zu organisieren. Wer seine schriftstellerischen Aufzeichnungen selbst lesen möchte kann Tariqs Facebookseite [4] und seinen Blog [18] besuchen.