Anfang April hat das RuNet Echo über einen Moskauer Stadtrat berichtet [Global Voices Bericht auf Deutsch], der von allen wichtigen sozialen Netzwerken forderte, die Daten russischer Nutzer auf russischem Boden zu speichern. Wie es aussieht, wurde diesem Gesuch entsprochen, oder zumindest denkt der russische Gesetzgeber genauso. Wie aus einem Teil der Neufassungen eines Gesetzentwurfs hervorgeht, der kürzlich die untere Kammer des russischen Parlaments passierte, wird mit Wirkung vom 1. August 2014 von jedem, der Inhalte im Internet verbreitet, verlangt, die Daten russischer Nutzer sechs Monate lang zu speichern.
Diese Regulierungsbestimmungen [ru] gehören zu einem Paket von “Anti-Terror-Gesetzen”, durch das die Regierung eine bessere Kontrolle über das russische Internet ausüben kann. Das neue Gesetz [Global Voices Bericht auf Deutsch], wonach sich Blogger mit mehr als 3.000 eindeutigen Besuchern [pro Tag] genauso registrieren lassen müssen, wie die großen Medienhäuser, gehört zu demselben Gesetzespaket. Der Grund für die Klausel zur sechsmonatigen Vorratsspeicherung ist einfach erklärt: Ausländische Internetunternehmen sollen dazu gezwungen werden können, Informationsersuchen der russischen Regierung Folge zu leisten. Nach der neuen Regulierung muss jede Webseite in eine gesetzliche Durchführungsbestimmung einwilligen, wonach alle Informationen über die Nutzer zu protokollieren sind. Solange die Daten nicht physisch in Russland gespeichert sind, werden Internetriesen, wie Facebook und Twitter, kaum bereit sein, einer [faktischen] Beschlagnahme russischer Daten zuzustimmen.
Bei Nichtbefolgung ist es der Verwaltung gestattet, den ersten Verstoß durch Organisationen und Unternehmen mit einer Geldstrafe zwischen 50.000 und 300.000 Rubel zu ahnden. Unternehmen wie Google können das zwar aus der Portokasse bezahlen (ungefähr 8.500 US-Dollar), aber nach jedem weiteren Verstoß kann die Webseite blockiert oder gefiltert werden [Contentfilter, de].
Als Staatspräsident Putin am 24. April das neue Gesetz unterzeichnete und verkündete, war er anschließend zu einem Medienforum eingeladen. Dort sagte [ru] er unverblümt, dass ausländische Server, die russische Informationen speichern, in Russland stehen sollten. Teilweise mag dies auf Sicherheitsbedenken zurückzuführen sein. Während derselben Pressekonferenz hatte er bekanntlich angemerkt, dass das Internet von der CIA erfunden worden sei und nach wie vor von diesem Geheimdienst kontrolliert werde (vermutlich wollte er damit sinngemäß die Mitwirkung der [amerikanischen] DARPA [de] bei der Entwicklung des Internets zitieren).
Durch das neue Gesetz sind die Zukunftsaussichten für RuNet [russisches Internet] besonders trüb, zumindest nach Auffassung einiger russischer Blogger. Die Anforderungen seien im Grunde genommen unmöglich zu erfüllen, wenn man die globale Natur des Internets in Betracht ziehe, schreibt Igor Kotkin [ru]. Deshalb befürchtet er, dass die Einführung des Gesetzes möglicherweise bloß eine vorbereitende Maßnahme ist, um das RuNet vom Rest der Welt abzuschotten – gewissermaßen eine Art neuer Eiserner Vorhang [de]. Der russische Internetguru [und bekannte Netz-Journalist] Anton Nosik sieht das genauso. In einem kürzlichen Interview mit TV Rain sprach er über die Strenge der neuen Internetgesetze:
В России устанавливается северо-корейская модель. Это не китайская, эта другая модель. Мы сейчас едем на полном ходу в Пхеньян, мы в Пекин не заезжаем по дороге.
Russland implementiert ein nordkoreanisches Modell. Das ist kein chinesisches Modell, es ist ein anderes. Jetzt geht es volle Kraft voraus nach Pjöngjang, ohne Zwischenstopp in Peking.