Pawel Durow — “Russlands Zuckerberg”, Gründer des “russischen Facebook” [Klons] — ist nicht mehr in Russland. Meldungen der Zeitung Iswestija zufolge (die zuvor völligen Blödsinn [ru] über den Gründer von VKontakte geschrieben hatte), habe Durow das Land fluchtartig verlassen und befinde sich jetzt in einem Fünfsternehotel in Dubai. Dort wird der 29-jährige Multimillionär aber wohl nicht sehr lange bleiben. Zumal Iswestija auch berichtete [ru], dass Durow ein bemerkenswertes “Staatsbürgerschaft-für-Investoren” [en] Programm des zum Commonwealth of Nations [de] gehörenden föderalen Inselstaats St. Kitts und Nevis [de] auf den Kleinen Antillen nutzen will. Für den überschaubaren Betrag von 250.000 US-Dollar erwarb Durow angeblich die kittianisch-nevisische Staatsbürgerschaft, die ihm visafreies Reisen in 131 verschiedene Länder ermöglicht.
Diese Meldung der Iswestija ist bislang noch nicht bestätigt worden. Jedenfalls ist klar, dass Durow aus VKontakte virtuell ausgewandert ist. Ein Portal, das er gegründet und mehr als sieben Jahre lang geführt hat, wie man bei Facebook liest, wo er auf Englisch schreibt. Durows plötzliche Aktivität auf Facebook ist ziemlich überraschend, wenn man bedenkt, dass VKontakte lange Zeit gegen die US-Amerikaner konkurriert hat. Im Februar dieses Jahres hatte Durow noch geulkt [en], dass es nichts gibt, was den “langsamen Tod” von Facebook aufhalten kann. Was zwischenzeitlich tatsächlich gestorben zu sein scheint, ist Durows Auflehnung gegen dieses weltweit größte soziale Netzwerk. Wie auch immer: Vorerst hat sein Kampf gegen die Widersacher im Innern Russlands die alte Rivalität gegenüber Zuckerberg überlagert.
In einer kurzgefassten “Lebewohlnachricht” [ru], die er am 28. April 2014 auf seiner VK-Seite veröffentlichte, hat er nochmals die kleine Serie von Cartoons gepostet, die erstmals im Mai 2012 erschien (“auf dem Höhepunkt der russischen Bürgerrechtsbewegung”). In diesen Cartoons werden mehrere liberale Anforderungen an die Politik Russlands versinnbildlicht (ökonomische Selbständigkeit für Russlands Regionen, niedrigere Steuern für die “postindustrielle Volkswirtschaft” und so weiter). Bevor Russland das nicht umgesetzt hat, so Durow, sei “eine Rückkehr zwecklos”.
Seit dem 24. April hat Durow zweimal etwas auf seiner Facebook-Seite gepostet. Zuerst bat er die Leser um Vorschläge für ein “neues Heim” [en] für sich [und seinen Bruder] und für sein Team von Softwareentwicklern. Danach, am 28. April, machte er keinen Hehl aus seiner Schadenfreude [en] über die von den Vereinigten Staaten verhängten Sanktionen [en] gegen den Rosneft Geschäftsführer Igor Sechin. Er ist ein enger Vertrauter von Staatspräsident Putin und Durow gibt ihm die Schuld dafür, aus VKontakte herausgedrängt worden zu sein. Gerüchte über Sechins Einfluss auf Russlands größtes soziales Netzwerk sind seit mehr als einem Jahr im Umlauf, seitdem Ilja Sherbowichs United Capital Partners Mitte April 2013 48 Prozent der Geschäftsanteile an VKontakte erwarb.
Durows formale Abberufung in der letzten Woche nahm die Tageszeitung Wedomosti [ru] zum Anlass, mit eigenen Recherchen wegen möglicher Verbindungen zwischen Sherbowich und Sechin zu beginnen. Man wollte herausfinden, ob die Behauptung des Gründers von VKontakte richtig ist, wonach seine Webseite von jetzt an unter der “totalen Kontrolle” des letztgenannten sei. Die Ergebnisse dieser Nachforschungen sind unplausibel. Die Reportage [ru] legt nahe, dass Sherbowich [früherer Direktor bei Rosneft] eine gewisse Rolle dabei gespielt haben mag, den 2007 durch Rosneft erfolgten Ankauf einiger Vermögenswerte am ehemaligen Yukos-Konzern [Sechin hat den 2006 von einem Moskauer Gericht für Bankrott erklärten Yukos-Konzern abgewickelt] zu rechtfertigen. Aber der Zusammenhang ist ziemlich dürftig und das Ganze ist wohl eher auf seltsame Aktivitäten eines alten Schulfreunds von Sherbowich zurückzuführen. Sechs Jahre später, so wird von anonymen Quellen aus dem Hause VKontakte berichtet, soll Sechin den Kauf von Geschäftsanteilen durch Sherbowich befürwortet haben, obwohl es ein Konkurrenzangebot durch Konstantin Malofeew gab, einem weiteren russischen Unternehmer. Sherbowich verneint, dass Sechin irgendetwas mit dem Kauf von VK-Anteilen durch UCP zu tun hatte.
Die Reportage von Wedomosti beginnt mit plakativen Fragen zu Sechins möglicher Rolle beim Rauswurf von Durow und endet mit einer dümmlichen Darstellung des Fliegenfischens, das Sherbowich liebt. So ist es nämlich, liebe Leser, Sherbowich hat am russischen Ponoi sogar ein luxuriöses Anglerresort [en]. Dort empfängt er zu besonderen Anlässen hochgestellte Persönlichkeiten, wie Dmitri Medwedew oder Dick Cheney.
Und ganz woanders: Pawel Durow, vielleicht in Berlin oder in Dubai, schreibt ausgerechnet bei Facebook und auf Englisch über seine Entwurzelung, applaudiert den Vereinigten Staaten, weil sie Sanktionen gegen einen Mann verhängt haben, der ihm anscheinend nicht nur eine empfindliche Niederlage beigebracht, sondern ihn auch aus Russland vertrieben hat. Wedomosti, das führende liberale Blatt des Landes, hat die teuflische Allianz, die “Russlands Zuckerberg” zu Fall brachte, intensiv analysiert und dabei entdeckt, dass Ilja Sherbowich ausgesprochen gerne Angeln geht.
Einst sagte Durow im Spaß [Global Voices Bericht auf Englisch], falls er jemals bei VKontakte aufhört, würde er die berühmte Redewendung von Douglas Adams zitieren: “Mach's gut und danke für den Fisch!” Vielleicht wäre Durow heute noch in seinem Job, wenn er sich mit Sherbowich tatsächlich mal einen Fisch aus dem Ponoi geteilt hätte.
Mach's gut, Herr Durow, und danke für den Fisch [Global Voices Bericht auf Deutsch].