Von Monique Doppert
Ich traf Bassel das erste Mal 2009 beim Arab Bloggers Meeting in Beirut. Das erste Mal habe ich ihn in Aktion erlebt, als er einem Vortragenden dabei half, eine technisches Thema von Englisch ins Arabische zu übersetzen. Er musste improvisieren, da sie ihn erst in letzter Minute um Hilfe gebeten hatten. Während der Kaffeepause erzählte er mir dann, dass er einen Hackerspace [ein Raum, in dem sich Hacker treffen und austauschen können] in Damaskus plane. Ich wusste, dass er ein sehr besonderer Mensch ist.
Nach dieser historischen Konferenz trafen wir uns einige Male in Beirut und Damaskus. Und natürlich besuchte ich auch seinen Hackerspace Aikilab.
Niemand hatte damit gerechnet, dass die arabischen Aufstände so bald und so schnell ausbrechen würden. Seit Beginn der Revolution im März 2011 blieb ich in Kontakt mit Bassel und einiger seiner Aikilab-Freunde. Ich erzählte ihm von einem Storytelling-Projekt, das ich umsetzen wollte und das sich auf eine Gruppe von Freunden in der Region fokussieren sollte. Mit der Zeit verwandelte sich diese ursprüngliche Idee in einen journalistischen Bericht über eine Hauptfigur – Bassel. Als es schwieriger wurde, Damaskus zu besuchen, hielten wir Kontakt über Email, Skype und über Posts und Twitternachrichten (und das waren einige).
Bassel ist ein erfolgreicher Internetunternehmer. Vor seiner Verhaftung arbeitete er für internationale Betriebe, lebte gut und feierte mit seinen Freunden aus der Welt der syrischen Kunst und des Films bis tief in die Nacht Parties. Als ein Reporter der BBC ihn bat, Videos des syrischen Aufstands zu machen und außer Landes zu schmuggeln, veränderte sich das Leben für Bassel dramatisch. Er wies ein Team Freiwilliger an, die nur mit ihrem Mobiltelefon bewaffnet die syrische Revolution dokumentierten und die Nachrichten über die sozialen Medien verbreiteten. Insgeheim hat Bassel diese Arbeit für den Widerstand genossen. Er hat Freundschaften fürs Leben geschlossen und die Frau seiner Träume getroffen. Aber der Kampf verschärfte sich. Freunde flohen, wurden inhaftiert oder getötet. Bassel selbst blieb erstaunlich lang unversehrt. Seine Freunde fingen an, sich zu fragen, wer ihn wohl schützt. Dann, am 15. März 2012, zeitgleich mit dem ersten Geburtstag der syrischen Revolution, riss die Glückssträhne ab. Er wurde verhaftet und gefoltert. Bis zum heutigen Tag bleibt er in Haft.
Nach seiner Inhaftierung wurden meine Nachforschungen systematischer. Bassel hat in dem ersten Jahr der Revolution Bemerkenswertes vollbracht. Ich bin überzeugt davon, dass das, was ich berichte und was oben kurz umrissen wurde, nur die Spitze des Eisbergs darstellt.
Eine Geschichte als Außenstehende zu schreiben ist zwar kompliziert, hat aber viele Vorteile. Es ist leicht, dumme Fragen zu stellen und weil ich kein Arabisch spreche, habe ich mich dabei erwischt, dass ich genauer beobachtet und verstärkt Gesichtsausdrücke, Körpersprache und andere Details studiert habe. Auch wenn einige Aspekte einer Geschichte zwangsläufig verloren gehen, hilft die Distanz, sie in eine weitere und manchmal deutlichere Perspective einzubetten.
Ich habe meine Familie, Freunde und Experten zu den Risiken befragt, die Geschichte zu veröffentlichen. Die meisten gingen davon aus, dass die Bedeutung der Veröffentlichung der Geschichte alle potenziellen Risiken aufhebe. Dies ist eine kurze Geschichte über eine Gruppe von Freunden – jung, urban, Mittelschicht – ein Teil Syriens jüngster Geschichte. In vielerlei Hinsicht ähnelten sich ihr Lebensstile und ihre Träume mit denen anderer städtischer Jugendlicher, und doch änderten sich ihre Leben auf dramatische Weise während der Revolution und dem darauf folgenden Bürgerkrieg.
Ich denke, es ist wichtig, die frühen, friedlichen Ideale der Revolution hervorzuheben. Ich hoffe aufrichtig, dass ein wenig von dem Licht dieser Zeit durch den gegenwärtigen Bürgerkrieg scheint und die Gewalt und Zerstörung überdauert, die zur Zeit das Land verzehren.
Alles was ich tun kann, ist zu hoffen, dass Bassel ganz ganz bald wieder ein freier Mann sein wird. So dass er zu seiner Frau zurückkehrt, zu seiner Familie und seinen Freunden. Und diesen Bericht auf seinem Smartphone lesen kann.
Monique Doppert ist Autorin, spricht für die Medien und ist Projektleiterin bei Hivos. Sie lebt in den Niederlanden.