Pakistan: “Chayn”, eine neue Website für Opfer häuslicher Gewalt

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Häusliche Gewalt stellt für pakistanische Frauen eine ernsthafte Bedrohung dar. Laut Human Rights Watch sind nach Schätzungen lokaler NGOs 70 bis 80 Prozent der pakistanischen Frauen verbalem, sexuellem, emotionalem oder physischem Missbrauch zu Hause ausgesetzt.

Anstrengungen der Regierung diese Problematik stärker ins Bewusstsein zu rücken oder strengere Gesetze einzuführen, waren bisher nicht ausreichend. Es wird geschätzt, dass jährlich rund 5.000 Frauen auf Grund häuslicher Gewalt sterben, tausende andere überleben, aber sind verletzt. Es gibt nur wenige Orte, an denen sie Zuflucht finden können und der Rechtsweg ist oft keine realistische oder mögliche Option.

Screenshot of Chayn Website

Screenshot der Webseite “Chayn”

Chayn, eine Website, die durch Crowdsourcing ins Leben gerufen wurde und von Freiwilligen betrieben wird, versucht diese Situation jedoch zu ändern, indem sie Frauen in Pakistan unterstützt, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Das Ziel von Chayn ist es, die Problematik von emotionalem und physischem Missbrauch ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, Informationen im Umgang mit Missbrauch zur Verfügung zu stellen und pakistanische Frauen über ihre Rechte zu informieren. Das Portal dient auch als Online-Unterstützungssystem, das es Frauen ermöglicht ihre Erfahrungen von Missbrauch und Trauma mit anderen zu teilen.

Die Gründerin Hera Hussain, Diplompsychologin und Wirtschaftswissenschaftlerin sowie Social Entrepreneur, erklärt den Hintergrund in einem Blogartikel:

Ich wollte schon immer etwas tun, um Frauen in Pakistan zu unterstützen. [..] Da ich monatelang im Internet nach Informationen und Hilfsangeboten für Opfer häuslicher Gewalt gesucht hatte, da zwei meiner Freundinnen versuchten gewalttätigen Situationen zu entfliehen, wusste ich, dass eine solche Seite nicht existierte. [..] Ich wusste auch, dass es für Frauen schwierig war Sachinformationen im Hinblick auf die Gesetzeslage in Pakistan und online verfügbare Hilfe zu finden. [..] Hinzu kommt, dass Frauen in solchen Situationen extrem depressiv sind und deswegen nicht rational über die Möglichkeiten nachdenken können, die ihnen zur Verfügung stehen. Ich sage immer, depressiv zu sein, ist vergleichbar damit eine Sonnenbrille zu tragen – die Welt erscheint in anderen Farben. Alles kommt einem anders vor. Es ist wichtig, dass Frauen Informationen zur Verfügung stehen, damit sie Dinge wie Depressionen, Angstzustände und Selbstmordgedanken erkennen und verstehen können. Und dann ist da das Problem, dass man wissen muss, was Scheidungsgesetze sind und welche Möglichkeiten es gibt in Pakistan zu studieren oder zu arbeiten.

Die Internetseite richtet sich in erster Linie an gut ausgebildete Frauen in Pakistan und Hussain hofft, dass sie von der Webseite profitieren und etwas “Chayn” (Urdu für Frieden und Ruhe) vor häuslicher Gewalt finden können.

islamconsentIn einem Interview mit dem Onlinemagazin The Diplomat erklärt Hussain die Zusammenstellung des Teams von Chayn:

Chayn wird ausschließlich von engagierten und passionierten Freiwilligen betreut, die in Teilzeit an diesem Projekt arbeiten. 70 Freiwillige aus der ganzen Welt haben daran mitgewirkt, die Chayn-Webseite auf die Beine zu stellen. Jetzt arbeiten 35 Freiwillige weiterhin an der Seite. Bei Chayn gibt es keine Manager. Wir arbeiten über Landesgrenzen und Zeitzonen hinweg zusammen und benutzen dazu Facebook, Skype, GooglePlus und Google Docs. Der Großteil des Teams ist sehr jung, aber sehr talentiert.

Über die Aktualisierung von Chayn sagt sie:

Wir arbeiten mit einem Wiki-Modell, wir fordern die Besucher unserer Website also dazu auf, uns Verbesserungsvorschläge oder neue Ideen zum Inhalt mitzuteilen. Der Inhalt der Seite ändert sich ständig.

domDie Website dient auch als Plattform zum Geschichten erzählen. Hussain versichert, dass das anynome Erzählen von Geschichten und Erlebnissen im sogenannten Katharsis-Raum andere dazu ermutigen kann, eine gewalttätige Beziehung zu verlassen.

Die Bloggerin Saniya Mujahid weist auf ein einzigartiges Feature der Website hin:

Mir ist aufgefallen, dass die Seite auch einen “Seite verstecken”-Tab hat, der immer in der Mitte der Seite zu sehen ist. Wenn man ihn anklickt, wird man auf eine harmlos wirkende Seite der Daily Times weitergeleitet. Das ist ziemlich praktisch für diejenigen Frauen, die Angst haben von ihrem Peiniger beim Lesen einer Website ertappt zu werden, die sie dazu ermutigt aus einer gewalttätigen Beziehung auszubrechen.

Twitter-Nutzer sind voll des Lobes für die Seite. Tanya Dlima (@TanyaDlima1) schreibt:

Einfach eine großartige Quelle für jede pakistanische Frau, die häuslicher Gewalt und Missbrauch ausgesetzt ist. Ich ermutige alle, die Seite zu benutzen und die Information weiterzuverbreiten.

Meera Ghani (@MeeraGhani) appelliert eindringlich an alle, Informationen über die Website weiterzuverbreiten:

Erzählt davon, vielleicht helft ihr damit vielen anderen, von denen ihr nicht einmal wisst, dass sie Opfer von Missbrauch sind.

Chayn plant zudem schon bald einige Offline-Initiativen ins Leben zu rufen. Hussain möchte außerdem Chayn in Indien und Bangladesch, ein sogenanntes Popup-Schutzprogramm sowie ein Partnerschaftsprogramm für Stipendien gründen.

Folgt dem Projekt auf Twitter (@chaynorg).

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