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Fatwa mit Schneeballeffekt: Kaschmirs erste Mädchenband singt nicht mehr

Kategorien: Indien, Bürgermedien, Flüchtlinge, Frauen & Gender, Kunst und Kultur, Medien & Journalismus, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Musik, Politik, Protest

Nach der Stille ist es die Musik, die das Unaussprechliche am ehesten auszudrücken vermag. (Aldous Huxley)

Die erste weibliche Rockband aus dem vom Krieg zerrütteten indischen Kaschmir [1] löste sich auf, nachdem ein wichtiger islamischer Rechtsgelehrter der Region ein Edikt erließ [2] [en], in dem er das Verhalten der Mädchen als unislamisch bezeichnete.

Die Band mit dem Namen Pragaash [3] [en], der so viel wie „aus der Dunkelheit ins Licht“ bedeutet, war erst im Dezember 2012 gegründet und bei dem Musikwettbewerb Battle of the Bands in der Stadt Srinagar, dem Verwaltungssitz des gleichnamigen Distrikts, für die beste Performance ausgezeichnet worden. Seitdem wurden die Mädchen sowohl online als auch im realen Leben beleidigt und bedroht.

Die indischen Medien stürzten sich auf die Geschichte [4] [en]. Und doch sei die Presse nicht wirklich an Themen wie Meinungsfreiheit oder Bürgerrechten interessiert, schreibt Mohamad Junaid in einem Artikel für das politische Magazin Tehelka [5] [en]:

Die Band Pragaash

Die Band Pragaash

Es ist wirklich tragisch, dass ein paar vereinzelte Beleidigungen der Band durch einige anonyme Jugendliche in den sozialen Medien – die sich zu einer heftigen Kontroverse aufschaukelten, nachdem der äußerst unbeliebte „Großmufti“ von Kaschmir eingriff und eine Fatwa gegen Musik und Frauen auf der Bühne verhängte – jetzt die musikalische Zukunft dieser Teenager gefährden. Die Fernsehsender berichteten über die Ereignisse, um die Gesellschaft Kaschmirs entweder als Gefahr für Indiens Säkularismus oder als frauenfeindlich darzustellen. Die meisten Kaschmiris haben keinen Zugang zu sozialen Medien. Durch die vereinheitlichende Verallgemeinerung, gepaart mit Vorurteilen gegen muslimische Gesellschaften, werden sie jedoch kollektiv als extremistisch abgestempelt.

Eine Reihe [6] von [7] Facebook-Seiten [8] [en – alle drei Links] wurde zur Unterstützung von Pragaash erstellt und auch in den Online-Diskussionen über die Ungerechtigkeit sind die Stimmen zugunsten der Bandmitglieder Aneeqa Khalid, Noma Nazir und Farah Deeba klar herauszuhören. Zwischenzeitlich wurden einige der Personen, die die Band mutmaßlich online beschimpft und bedroht hatten, von der Polizei verhaftet [9] [en].

Die Journalistin barkha dutt (@BDUTT) [10] schrieb auf Twitter [en] über die Unbeliebtheit des Mufti:

@BDUTT: [11]Tatsache ist, dass die Fatwa des Mufti [islamischer Rechtsgelehrter] Kaschmirs eigene Traditionen untergräbt. Der Widerstand gegen ihn kommt passenderweise von den Kaschmiris selbst #pragaash

Der Künstler Karsh Kale (@karshkalemusic) [12] twitterte [en] über die Macht der Gitarre:

@karshkalemusic: [13]Sie haben Angst, dass ein Mädchen mit einer Gitarre mehr Macht haben könnte als ein Mann mit einem Gewehr … und sie haben Recht … #fatwa

Screenshot einer Facebook-Seite zur Unterstützung von Pragaash [6]

Screenshot einer Facebook-Seite zur Unterstützung von Pragaash

Die offizielle Facebook-Seite [14] [en] der Band wurde am 3. Februar zum letzten Mal aktualisiert: In zwei verschiedenen Posts hieß es, dass die Bandmitglieder Noma und Farah die Band verließen, was von Tausenden Benutzern kommentiert wurde.

Debashis Das bat die Mädchen inständig, nicht aufzugeben [15] [en]:

Bitte hört nicht auf … Die indische Nation ist in Bezug auf Meinungsfreiheit intolerant geworden … nur wenn du Politiker bist oder Muskelkraft hast, wirst du gemocht, was immer du tust … ich denke, die MEINUNGSFREIHEIT STEHT AUF DEM SPIEL … deshalb GEBT bitte bitte nicht AUF …

Saba Danawala bekundete ihre Solidarität [16] [en] mit den Mädchen:

Ehrlich gesagt würde ich wirklich gern mehr Stimmen muslimischer Frauen hier hören. Und ich verstehe zwar, warum ihr Mädchen aufhört, doch bitte macht wieder Musik, wenn ihr euch stark genug dafür fühlt. Die muslimischen Frauen auf der ganzen Welt und in Südasien brauchen Frauen wie euch, nicht Frauen, die einfach nur den Status quo aufrechterhalten.

Pelin Ariner verlieh ihrer Bewunderung für die Band [17] [en] Ausdruck:

Ich bin eine muslimische Türkin und bewundere euch dafür, dass ihr eine reine Mädchenband gegründet habt. Selbst in der westlichen Welt passiert das nicht oft. Ihr seid wunderbar und ihr opfert NICHTS von eurem Wert und eurer Schönheit dadurch, dass ihr Musik machen und euch ausdrücken wollt. Lasst euch nicht von all den altmodischen Leuten vorschreiben, was ihr zu tun und zu lassen habt.

manoj pattat [18] untersuchte [19] [ml] die Gründe für die religiös motivierte Ablehnung von Pragaash in einem Beitrag auf Google+:

പൗരോഹിത്യത്തിന്റെ ഉത്പന്നമായ മതമൗലികവാദം പൊതുവേ എല്ലാ കലകള്ക്കും എതിരാണ്. അതിന് കലകളില് ഉള്ളടങ്ങിക്കിടക്കുന്ന സ്വാതന്ത്ര്യദാഹം പൊറുപ്പിക്കാനാവില്ല. അവയില് പുലര്ന്നുപോരുന്ന പാരമ്പര്യനിഷേധം അനുവദിക്കാനാവില്ല. അവയില്നിന്ന് പുറപ്പെട്ടുവരുന്ന ആനന്ദം അംഗീകരിക്കാനാവില്ല. രാജാവിന്റെയും പുരോഹിതന്റെയും പുരുഷന്റെയും എന്നുവേണ്ട, ആരുടെയും അധികാരത്തെ വെല്ലുവിളിക്കുന്ന ഏതോ ഒരംശം ഓരോ കലയിലും കുടിപാര്ക്കുന്നുണ്ട്.

Religiöser Fanatismus richtet sich stets gegen jede Art von Kunst. Sie können die Freiheit nicht zulassen, die Kunst mit sich bringt. Sie können die Rebellion der Kunst nicht zulassen. Sie können auch die reine Freude nicht zulassen, die sie ausstrahlt. Kunst entzieht sich dem Chauvinismus der Reiche, der Staaten, der Männer und Priester – aller Formen der Macht.

Sahar Lotfi, Mitglied einer iranischen Frauenband, äußerte ihr Mitgefühl für Pragaash und erklärte der Presse, sie wünschte, die Mädchen würden wieder auftreten [20]. Die Band, die derzeit zu Gast in Indien ist, kommentierte [en]:

Es tut uns so leid (was mit der Mädchenband Pragaash aus Kaschmir passiert). Wir freuen uns so, in Indien auftreten zu können. Warum dürfen sie das nicht?

 

Miniaturbild mit freundlicher Genehmigung der inoffiziellen Facebook-Seite von Pragaash [7]