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Und noch eine Volksabstimmung über die politische Situation in Puerto Rico

Kategorien: Karibik, Lateinamerika, Puerto Rico (U.S.), Aktuelle Meldungen, Bürgermedien, Politik, Technologie, Wahlen

Puerto Rico war darauf vorbereitet, am 6. November Abgeordnete, Bürgermeister und den Gouverneur zu wählen. Aber diese Wahlen waren etwas anders als die vorherigen. Zusammen mit den Wahlen, gab es eine Volksabstimmung über die politische Lage der Insel.

Das Thema des politischen Status in Puerto Rico ist ein jahrhundertealtes Problem. Seit dem Einmarsch der USA 1898, gegen Ende des Spanisch-Amerikanischen Krieges, war Puerto Rico dem US-Kongress unterworfen. 1952 erreichte die Insel einen gewissen Grad an Selbstständigkeit über interne und wirtschaftliche Angelegenheiten und wurde ein Außengebiet der Vereinigten Staaten [1] [en], in offiziellen Dokumenten auch als Commonwealth [2] [en] bekannt. Auch wenn dieser Status – es ist der aktuelle Status Puerto Ricos – eine Verbesserung der Art von Regierung, die abgelöst wurde, darstellt (der Gouverneur wurde sonst vom Präsidenten und den Kabinettsmitgliedern aus den US-Senaten ernannt), es hat nicht zur völligen Entwicklung Puerto Ricos beigetragen.

Die Insel hat einen Repräsentanten im Kongress, ein Beauftragter der Bürger, der nicht abstimmen darf. Darüber hinaus darf Puerto Rico auch nicht den Präsidenten wählen, obwohl die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und Demokraten dort ihre Vorwahlen halten und Gelder von den Puerto-Ricanern sammeln, damit sie ihre Kampagnen finanzieren können. Weiterhin untersteht das Land der Handelsmarine-Verordnung von 1920, auch bekannt als Jones Act, worin geschrieben steht, dass Puerto Rico US-amerikanische Handelsschiffe nur für Handelszwecke benutzen darf. Dadurch steigen die Lebenshaltungskosten, denn diese Schiffe sind die teuersten weltweit.

Für die Einwohner in Puerto Rico sind Abstimmungen über den politischen Status nichts Neues. Die gesamte politische Geschichte hindurch, wurden drei abgehalten [3] [es]: 1967, 1993 und 1998. Keine von ihnen war imstande, eine Veränderung der existierenden Beziehungen mit der USA herbeizuführen. Die vielfältigen Gründe dafür sind komplex und es scheint so, als ob diese Volksbefragung keine Ausnahme machen wird. Dr. Héctor Pesquera, Vizepräsident Hostosianische Nationale Unabhängigkeitsbewegung [4] (MINH) [es, benannt nach dem Unabhängigkeitsverfechter Eugenio María de Hostos], sagte dies [5] [es] über die Abstimmung:

Para el independentismo, la consulta que se llevará a cabo sobre preferencias de status el próximo 6 de noviembre es un palo embarrao por las dos puntas. Por donde quiera que lo cojas, te embarras.

Für die Unabhängigkeitsbewegung ist die Abstimmung, die am 6. November über die politische Lage vorgenommen wird, ein an beiden Seiten schlammiger Stock. Egal, welcher Seite man sich annimmt, man wird am Ende schmutzig sein.
Logo del Partido Nuevo Progresista. Imagen tomada de Wikimedia Commons. [6]

Logo der Partido Nuevo Progresista. Bild von Wikimedia Commons.

Die Befragung wurde von dem Gouverneur Luis Fortuño der Partido Nuevo Progresista [7] (PNP) [Neue Fortschrittspartei] vorgeschlagen, der sich wünscht Puerto Rico als 51. Staat an die USA anzusiedeln und wird dabei ironischerweise von der Partido Independentista Puertorriqueño [8] (PIP) [es, Unabhängige Puerto-Ricanische Partei] unterstützt. Die Befragung erhielt von vornherein viel Kritik. Eine dieser Kritiken ist die Art zu wählen, indem man zwei Fragen beantworten muss. Die erste fragt, ob der Wähler damit einverstanden ist, die momentanen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten beizubehalten. Die zweite lässt den Wähler zwischen drei Zustandsalternativen entscheiden, unabhängig davon, ob er oder sie JA oder NEIN bei der ersten Frage geantwortet hat: Souveränität (Angliederung), Unabhängigkeit oder Außengebiet der Vereinigten Staaten (auch Freie Assoziation [9] [en] genannt) [im Gegensatz dazu, ist es im Moment kein Außengebiet].

Logo del Partido Popular Democrático. Imagen tomada de pr.kalipedia.com. [10]

Logo der Partido Popular Democrático. Bild von pr.kalipedia.com.

Unnötig zu erwähnen, dass die Art zu wählen vor großen Problemen steht, wenn die Ergebnisse auszuwerten, denn die Möglichkeit besteht, dass die JA-Antworten zusammen mit einer der drei anderen Alternativen gewinnen wird. Ebenfalls ist es überfüssig hinzuzufügen, dass die Definitionen dieser drei Alternativen ausschließlich von der PNP stammen. Dies hat die wichtigste ihnen oppositionelle Partei, die Partido Popular Democrático [11] (PPD) [es, Demokratische Volkspartei], dazu veranlasst zu sagen, dass man die JA-Antworten auf die erste Frage nimmt und die zweite Frage auslässt. Dies wurde vorgeschlagen, um sowohl gegen die Abstimmung nach der Idee von Gouverneur Fortuño aufzubegehren als auch weil sie sich durch die Definition des US-Außengebiets nicht repräsentiert fühlten. Einige innerhalb der PNP drückten Zurückhaltung gegenüber der Befragung aus, weil sie sich an die Misserfolge der Befragungen aus den Jahren 1993 und 1998 erinnert fühlten, die von der PNP auf dem Weg gebracht wurden. Darüber hinaus ist die Abstimmung nichts weiter als eine einfache Erkundigung, die den Kongress gesetzlich nicht bindet zu handeln, egal wie die Ergebnisse aussehen. Im Blog Raciocinio, fragt [12] [es] ljvillanueva:

A parte [sic] de ser bastante confuso, hay que preguntar cual será el efecto de este plebiscito si, por ejemplo, gana la estadidad. ¿El Congreso de los EEUU le hará caso a este resultado?

Abgesehen davon, dass man ziemlich verwirrt ist, muss gefragt werden, was die Folgen dieser Befragung sein werden, wenn zum Beispiel die Souveränität gewinnt. Wird der US-amerikanische Kongress dieses Ergebnis wahrnehmen?
Logo del Partido Independentista Puertorriqueño. Imagen tomada de pr.kalipedia.com. [13]

Logo der Partido Independentista Puertorriqueño. Bild von pr.kalipedia.com.

Das allgemeine Gefühl ist, dass letztendlich der Kongress die Ergebnisse nicht als wichtig empfinden wird, egal welche Option überwiegt, denn diese Abstimmung bekam nicht ihre Bestätigung. Fermín L. Arraiza Navas de Red Betances ist der Auffassung [14] [es], dass:

Dadas las circunstancias muy particulares del caso de Puerto Rico, así como la falta de voluntad del Congreso estadounidense de propiciar un proceso verdaderamente descolonizador, la única alternativa viable con garantías mínimas es propiciar que la controversia sea referida ante la Corte Internacional de Justicia, no como un asunto de derechos civiles, según ha sido planteado por el Dr. Pedro Rosselló [ex gobernador de Puerto Rico] ante la Comisión de Derechos Humanos de la Organización de Estados Americanos (O.E.A.), sino como el derecho colectivo de nuestro pueblo a existir y ser reconocido internacionalmente por la comunidad de naciones como entidad jurídica capaz de participar en las decisiones internacionales que afectan nuestro futuro político, económico, social y cultural.

Angesichts der sehr speziellen Umstände im Falle Puerto Ricos und der Widerwilligkeit des US-Kongresses, einen ehrlichen, entkolonialisierenden Prozess zu fördern, ist die einzige machbare Alternative mit geringen Garantien, ein Verweis des Streits zum Internationalen Gerichtshof zu ermöglichen. Nicht als Streitpunkt der Bürgerrechte, wie es Dr. Pedro Rosselló [ehemaliger Gouverneur von Puerto Rico] vor der Kommission für Menschenrechte der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) vorgeschlagen hat, sondern als ein Kollektivrecht unseres Volkes darauf, in der Völkergemeinschaft zu existieren und von ihr international als eine legale Einheit anerkannt zu werden, um bei internationalen Entscheidungen, die unsere politische, ökonomische, soziale und kulturelle Zukunft betreffen, mitzuwirken.

Carlos Pabón, der für das digitale Magazin 80 grados schreibt, denkt [15] [es], dass es diese Volksbefragungen über die politische Lage eigentlich nicht wert sind und dass sie die Diskussion wirklich wichtiger Probleme erschweren:

El status es una suerte de black hole que se traga todo en el espacio político de la isla. Esto a pesar de que consistentemente las encuestas de opinión indican que la mayoría de los electores no consideran el status un asunto crucial o prioritario. En estas encuestas de preferencias, el status siempre queda relegado ante asuntos como la criminalidad, el narcotráfico, la salud, la educación y otros. Es el paradigma del status uno de los factores fundamentales que obstaculiza proyectos democráticos alternos; y la discusión de temas de vital importancia y extrema urgencia.

Die Debatte über die Situation ist wie eine Art schwarzes Loch, dass alles in der politischen Sphäre der Insel schluckt. Und dies trotz der Tatsache, dass die Meinungsumfragen durchweg anzeigen, dass die Mehrheit der Wähler den politischen Status nicht als ein kritisches oder vorrangiges Problem ansieht. Bei diesen Bevorzugungsumfragen wird der politische Status immer hinter solchen Problemen wie Kriminalität, Drogenschmuggel, Gesundheit, Bildung und anderen bleiben. Das Statusmodell ist einer der grundlegenden Faktoren, die alternative demokratische Projekte und die Diskussion über Themen entscheidender Wichtigkeit und äußerster Dringlichkeit behindern.

Später fügte er hinzu:

El siglo XX se acabó, pero en la isla el debate político sigue centrado en las alternativas político-jurídicas –independencia, autonomía, anexión– del siglo XIX, como si éstas tuvieran plena vigencia en el mundo globalizado contemporáneo. […] De ahí la terrible miseria y el achatamiento del horizonte e imaginario político en Puerto Rico. Habría que preguntarse: ¿qué alternativas proponen las fórmulas tradicionales del status, en tanto imaginarios políticos anclados en el siglo XIX, al mundo del siglo XXI?

Das 20. Jahrhundert ist vorüber, dennoch verbleibt die politische Debatte auf der Insel auf die politisch-legalen Optionen – Unabhängigkeit, Autonomie, Angliederung – des 19. Jahrhunderts konzentriert, als ob sie in voller Gewalt in der gegenwärtigen globalisierten Welt wären. […] Folglich die schreckliche Armut und die Abflachung des Horizonts und der politischen Symbolik in Puerto Rico. Man muss fragen: welche Möglichkeiten bieten die traditionellen Zusammensetzungen der politischen Lage, mit der politischen Symbolik, die so sehr im 19. Jahrhundert verankert ist, der Welt des 21. Jahrhunderts?