Prednádraží ist eine Straße in Ostrava mit 11 Klinkerbauten. Die meisten der Einwohner sind Roma – gehören also zur größten Minderheit in der Tschechischen Republik. Seit August 2012 wurde mehrmals vom Stadtrat Ostrava Druck auf den Eigentümer und die Bewohner ausgeübt, die Häuser zu räumen. Vorgeblich aufgrund der Baufälligkeit der Häuser und einer kaputten Kanalisation. Mehr dazu hier [en].
Der Stadtrat Ostrava vernachlässigte die Kanalisation in den letzten 10 Jahren, die somit immer mehr verfiel. Im August änderte der Stadtrat seine Strategie und begann, die Bewohner aus den Häusern zu zwingen und ihnen, sowie dem Eigentümer die Schuld an dem schlechten Zustand der Häuser zuzuschieben. Für viele der Roma droht somit Obdachlosigkeit, da ihnen keine angemessenen Alternativen angeboten wurden. Die einzige Möglichkeit, die bisher angeboten wurde, sind überteuerte und überfüllte Herbergen. In dieser Situation, die zu einem historischen Schritt in der Bürgerrechtsbewegung der Roma werden könnte, haben sich die Bewohner mit verschiedenen Aktivisten zusammengetan, um gemeinsam gegen den Druck der staatlichen Institutionen Widerstand zu leisten.
Von den ursprünglich 300 Roma blieben etwa 40; die Hälfte davon Kinder und Jugendliche, im „Haus 8“ zurück. Neben dem Druck des Stadtrats stehen sie auch praktischen Unannehmlichkeiten gegenüber – der Strom wurde abgestellt und Trinkwasser fließt nur aus einem Hahn.
Am 20. September berichtete die Onlinezeitung Romea, dass dem gemeinnützigen Verein Vzájemné soužití [cs], der sich auf Roma-Rechte spezialisiert und dessen Vorsitzender Kumar Vishwanathan sich schon länger für die Roma in Prednádraží einsetzt, ihre Büroräume, die sie von Ostravas Stadtrat mieteten, gekündigt wurden [cs]. Vzájemné soužití erhielt keine Erklärung, warum es zu dieser Kündigung der Räume kam und erwägt gerichtliche Schritte.
Am 29. September starb nach einem langem Kampf gegen Krebs der bekannte tschechische Aktivist Jakub Polák [en]. Polák, der sich seit der Samtenen Revolution für die Bürgerrechte der Roma einsetzte, unterstütze die Roma auch im Fall Prednádraží. Seine Freunde organisierten zu seinen Ehren in Prag ein sogenanntes Anti-Begräbnis, auf dem auch Banner mit der Aufschrift „Der Kampf geht weiter“ (auf Tschechisch und Romani) zu sehen waren. Diese Veranstaltung ist ein gutes Beispiel für die Solidarität zwischen Tschechen und Roma. Es nahmen auch einige Roma-Aktivisten und Gemeindevertreter teil.
Nur zwei Tage nach dem Tod von Polák, am 27. September berichtete Romea [cs] über einen versuchten Selbstmord des Eigentümers der Häuser in Prednádraží, Oldřich Roztočil. Da er sich weigerte, den Räumungsanordnungen nachzukommen, wurde er mehrfach durch die städtischen Behörden unter Druck gesetzt. Die Baubehörde des Stadtrats belegte ihn mit einer Geldstrafe in Höhe von 30 000 CZK [ca. 1.200 EUR] [cs] , und wies ihn zu einigen Reparaturen an den Häusern, sowie zum Abriss eines der Häuser an [cs].
Zu letzt hat die Baubehörde die Häuser abgeriegelt [en]. Alle Bewohner sind in das Haus Nr. 8 umgezogen, in dem sie solange bleiben wollen, bis Mittel zur Renovierung der Häuser und der Instandsetzung der Kanalisation gefunden werden. An den Häusern bedienen sich außerdem Banden, die vor allem (tragende) Metallteile entwenden und so die Häuser noch unsicherer machen, aber auch die eventuellen Instandsetzungskosten erhöhen. Die Polizei hat dabei bisher nichts unternommen, um die Sicherheit in Přednádraží zu gewährleisten.
Des Weiteren wird den Bewohnern mit der Einweisung ihrer Kinder ins Heim gedroht.
So wie der Druck weiter wächst, wächst andererseits auch die Unterstützung für die Bewohner in Prednádraží.
Die neue Bürgergruppe SOS Přednádraží [cs, en] hat eine Petition verfasst, die bisher 296 Personen und Institutionen, so z.B. das Tschechische Helsinki Komitee [en] unterzeichnet haben.
Zur ersten Roma Pride [en] in Prag am 7. Oktober verlasen die Mitglieder von SOS Přednádraží eine Stellungnahme zur Unterstützung der Betroffenen in Prednádraží. Verschiedene Aktivisten aus Prag und Ostrava helfen, die Häuser zu bewachen. Martin Škabraha [cs], Sprecher der Bürgerorganisation ProAlt [de] und Dozent für Philosophie an der Universität Ostrava, plant eine öffentliche Diskussion zum Thema Prednádraží.
Es besteht so Hoffnung für die Betroffenen in Prednádraží. Auch machen sich die Institutionen in Ostrava nicht bewusst, dass die Absurdität ihrer Politik einer immer größer werdenden Anzahl von Menschen deutlicher wird und so auf lange Sicht mehr Unterstützung für die Rechte der Roma bedeuten wird.