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Das Leid körperlich und geistig behinderter Menschen in Pakistan

Kategorien: Südasien, Pakistan, Bürgermedien, Gesundheit, Humanitäre Hilfe, Internetaktivismus, Menschenrechte

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Jeder auf dieser Welt strebt nach Vollkommenheit und trotzdem geraten viele im gnadenlosen Rattenrennen um unsere Existenz ins Hintertreffen. Das Leben körperlich und geistig behinderter Menschen in Pakistan ist äußerst leidvoll, da es die Gesellschaft extrem schwierig findet, Menschen zu akzeptieren, die ein wenig anders sind, die ein wenig Hilfe benötigen. Sie werden in der Regel dermaßen gemieden, dass sie sich ausgestoßen fühlen.

Das erste Problem ist jedoch das der Zugänglichkeit. Weniger als 10% aller Gebäude, Restaurants und öffentlicher Plätze in Pakistan haben richtige Rampen und Einrichtungen für Behinderte. Erum Sangji [1], eine in Karachi ansässige Finanzmanagerin in der Bekleidungsindustrie, äußert sich zum Thema der nicht vorhandenen Zugangsmöglichkeiten mit Blick auf ihre an Autismus leidende Nichte:

Furhan Hussain kommentiert auf Twitter:

@FurhanHussain [3]: Man beachte, wie Schulen/Universitäten der Jugend durch ihr Versäumnis, auf dem Campus Rampen und andere Zugangshilfen zur Verfügung zu stellen, keinerlei Problembewusstsein vermitteln.

Disabled protesters set a wheelchair on fire during demonstrations against social welfare cuts [4]

Behinderte Demonstranten zünden während Demonstrationen gegen Kürzungen der Sozialhilfe einen Rollstuhl an. Sie fordern außerdem besondere Job-Quoten am International Disability Day. Hyderabad, Pakistan. Bild von Rajput Yasir. Copyright Demotix (3.12.2011)

Bisma Askari, ein Architekt, der in Karachi arbeitet, sagte:

bismAskari: [5] Selbst wesentliche Einrichtungen wie Rampen werden mit den falschen Proportionen gebaut. Damit eine Rollstuhlrampe für Rollstuhlfahrer einfach zu benutzen ist, sollte sie ein Größenverhältnis von 1:10 haben (ein Beispiel dafür sind die Fußgängerbrücken auf der Sharah e Faisal. Orte wie das Dolmen-Einkaufszentrum und Port-Grand-Einkaufszentrum sind zwar seit Kurzem rollstuhlgerecht, haben aber oft wie im Falle von Port Grand keinen geeigneten Bodenbelag für Rollstühle und keinen Zugang zu den Geschäften/dem Einkaufszentrum, da man gezwungen ist, Treppen zu benutzen.

Samra Muslim sagte:

@samramuslim: [6] @faisalkapadia Ältere Leute werden angemacht: ‘Warum musst du überhaupt nach draußen – du bist alt und stirbst bald’ … Wir haben echt eine traurige Mentalität …

Ein weiteres großes Hindernis im Leben körperlich und geistig behinderter Menschen in Pakistan ist das soziale Stigma, mit dem sie gezeichnet sind, sowie der Mangel an richtig ausgestatteten Bildungsanstalten.

Taimur Mirza, ein Abenteurer und Fan von Geländewagen, der einen 23-jährigen behinderten Sohn namens Shehryar großzog, äußert sich zu diesem Thema:

Ameenah bemerkte folgendes über die mangelhafte Beteiligung des Staates:

@ameenahtobani [7]: Habe keine einzige Einrichtung für sie entdeckt Sie fühlen sich wirklich behindert. Keine Bemühung von Seiten der Regierung, ihnen das Gefühl der Unabhängigkeit zu schenken!

Faizan Lakhani schaltete sich ins Gespräch ein mit Beobachtungen über den Mangel an behindertengerechten Einrichtungen:

@faizanflkhani: [8] Wir haben keine speziellen Parkplätze für sie. Keine besonderen Hilfeleistungen in öffentlichen Verkehrsmitteln. #gv #Pakistan

Dies ist jedoch nicht das einzige Kapitel in diesem Buch. Trotz all dieser Probleme und Hindernisse sind Pakistaner mit Behinderungen äußerst bestrebt, Erfolge zu erzielen und haben auf Gebieten wie Sport und Bildung große Verdienste erlangt.

Die Paralympics Association [9] wurde 1998 in Pakistan gegründet und trainierte behinderte Sportler, die in diversen internationalen Wettbewerben fantastische Erfolge erlangten und 16 Gold-, 19 Silber- und 20 Bronzemedaillen gewannen. Das folgende Video ruft uns diese Leistung ein wenig in Erinnerung:

Mehrere Organisationen und NRO in Pakistan kämpfen für die Rechte körperlich und geistig behinderter Menschen. Schulen wie Manzil, das Autism Institute [10], Dar ul Sakoon [11] in Karachi sowie die Rising Sun school [12] und das Thevenet Centre [13] in Lahore ziehen am selben Strang. Dies sind nur einige Beispiele im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Demütigung. Eine der neusten Errungenschaften auf diesem Gebiet ist eine bemerkenswerte Rikscha, die von NOWPDP [14] entwickelt wurde und allein mit den Händen gelenkt werden kann.

Imran Ghanchi spricht im Unique Pakistan [15]-Blog über die außergewöhnliche Rikscha für Behinderte:

‘Diese Rikscha hat eine bessere Ausstattung als meine vorherige’, erklärte Ghanchi. ‘Ich ermutige andere Menschen mit Behinderungen, mit dem Fahren anzufangen.’ Seine Motivation wird durch die Unterstützung des Netzwerks angefacht.

Zafar Ullah Khan, ein 40-Jähriger mit einer Behinderung, schreibt in seinem Blog [16]:

Die pakistanische Regierung [17] sollte wenigstens konkrete Schritte unternehmen, um Regierungsjobs für gebildete Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Leute mit gefälschten Hochschulabschlüssen schaffen es ins Parlament. Wir haben echte Hochschulabschlüsse, werden aber unser Rechte beraubt. Außerdem ist dies eine klare Verletzung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD [18]), die von 153 Ländern einschließlich Pakistan unterschrieben wurde. Am 5. Juli war Pakistan [19] eines von 107 Ländern, die den Vertrag ratifizierten. Der wichtigste Grundsatz der Konvention ist es, die Gesellschaft inklusiver, barrierefreier und rechtsbasierter zu machen und so die Haltung der Gesellschaft gegenüber Behinderten zu ändern.

Die Regierung hat durchaus einige Schritte unternommen, wie zum Beispiel die Einführung einer separaten NIC (national id card) [20] [dt. Personalausweis] für Menschen mit verschiedenen Behinderungen im Land, was ihnen wenigstens die Chance gibt, einige der Unterstützungsleistungen zu fordern, die ihnen eigentlich automatisch zustehen sollten. Die Integration solcher Menschen in die Gesellschaft ist jedoch ein Ziel, für das Betroffene und teilnahmsvolle Bürger des Landes Tag ein, Tag aus kämpfen.