Über die Lebensqualität afrikanischer Städte

Laut einer Studie der Economist Intelligence über die lebenswertesten Städte der Welt (PDF des vollständigen Berichts) befinden sich sechs der zehn am wenigsten lebenswerten Städte der Welt in Afrika.

Allerdings zeigt eine andere Rangliste der New Economics Foundation, dass in Bezug auf den HPI (Happy Planet Index) die Bewohner in bestimmten afrikanischen Ländern glücklicher sind als die mehrerer europäischer Länder [fr]. Worum geht es also genau bei der urbanen Lebensqualität in Afrika?

Stadtleben gegenüber Landleben

Sabine Cessou weist darauf hin, dass der Happy Planet Index grundsätzlich subjektiv ist und zugunsten afrikanischer Länder ausfällt, wenn es um die Achtung vor der Umwelt geht. Sie erläutert [fr]:

Le cas de Madagascar illustre bien la particularité des mesures de HPI. Ce pays, plongé depuis 2009 dans une profonde crise politique et sociale, glisse chaque jour un peu plus dans le gouffre de la pauvreté. Ce fléau touche 76% de sa population, contre 68% en 2010, selon le rapport Perspectives économiques de l’Afrique de l’OCDE [..] Mais le respect de l’environnement et le relatif optimisme de ses habitants jouent en faveur de la Grande île. Avec une empreinte carbone de seulement 1,2, Madagascar se classe avantageusement, dans le palmarès HPI, entre la France et l’Autriche.

Am Beispiel von Madagaskar wird die Besonderheit der Messung des HPI sehr gut deutlich. Dieses Land, das 2009 in eine tiefe politische und gesellschaftliche Krise gestürzt wurde, gerät jeden Tag ein bisschen tiefer in die Klauen der Armut. Laut des OECD-Berichts über wirtschaftliche Perspektiven in Afrika sind 76% der Bevölkerung des Landes von diesem Übel betroffen, während es 2012 noch 68% waren. […] Aber die Achtung vor der Umwelt und der relative Optimismus der Einwohner wirken sich begünstigend auf die Insel aus. Mit einem Carbon Footprint (Energieverbrauch) von nur 1,2 nimmt Madagaskar eine günstige Stellung innerhalb des HPI ein und befindet sich zwischen Frankreich und Österreich.

Doch der gesamte Carbon Footprint der Nation von nur 1,2 steht in krassem Gegensatz zu Madagaskars Hauptstadt Antananarivo, die oft unter den am stärksten verschmutzten Städten der Welt rangiert [fr]:

En deuxième position, on trouve la capitale du Bangladesh, Dacca, qui s'illustre par une pollution de l'air au plomb. Les deux autres villes suivantes sont Antananarivo et Port-au-Prince, capitales respectives de Madagascar et de Haïti, “confrontées à une croissance rapide de la population urbaine et à des besoins toujours plus importants en matière de gestion des déchets et de l'eau”.

Auf dem zweiten Platz findet sich Dhaka, die Hauptstadt von Bangladesch, deren Luft mit Blei kontaminiert ist. Die folgenden beiden Städte sind Antananarivo und Port-au-Prince, die Hauptstädte von Madagaskar bzw. Haiti, “die mit einem rasanten Bevölkerungswachstum und einem kontinuierlich ansteigenden Bedarf an Wasserversorgung und Abfallbewirtschaftung konfrontiert sind”.

Dieses Video, das am 30. Juni 2012 von auf Youtube hochgeladen wurde, ist von der Weltbank in Madagaskar für den gesellschaftlichen Schutz in malegassischen Städten [fr]. Das Video beschreibt die tägliche Mühsal der malegassischen Bevölkerung auf ihrer Wanderung von ländlichen in städtische Gebiete:

http://www.youtube.com/watch?v=nGZjEHKW5GE

Das ist das paradoxe Leben in Afrika; die urbanen Hauptstädte werden trotz ihrer endemischen Armut immer größer und sind von großzügigen Naturlandschaften umgeben, die den besonders starken Kontrast zwischen Stadt- und Landleben illustrieren.

The capital city of Windhoek in Namibia by Bries on Wikipedia. License CC-Attribution-Share Alike 2.5.

Namibias Hauptstadt Windhoek von Bries auf Wikipedia. License CC-Attribution-Share Alike 2.5.

Die Situation in Namibia [fr], wie sie unten von Antoine Galindo beschrieben wird, ist eine, die den Bewohnern zahlreicher afrikanischer Städte bekannt vorkommen dürfte:

C’est principalement contre ces violences que mettent en garde les différentes chancelleries. Ces vols peuvent être assorits d'agressions physiques dans les grandes villes. En dehors des agglomérations, le pays reste calme et prisé pour ses paysages spectaculaires et très variés. Seulement, en raison de l’insécurité qui règne encore dans les rues de la capitale, le tourisme piétine, et l’afflux des étrangers demeure faible.

Es ist generell diese Art von Gewalt, vor der die verschiedenen Ministerien warnen. Diese Diebstähle treten in größeren Städten zum Teil gepaart mit körperlicher Gewalt auf. Außerhalb städtischer Gebiete bleibt das Land ruhig und ist aufgrund seiner spektakulären und vielseitigen Landschaft beliebt. Trotzdem macht der Tourismus wegen der Unsicherheit in den Straßen der Hauptstadt kaum Fortschritte, und der Einfluss ausländischer Besucher bleibt gering.

Wachsendes Infrastruktur-Problem

Amel Bouzidi bemerkt bei der Analyse der Studie der Economist Intelligence folgendes [fr] über Algerien:

 Sur les 140 villes passées au crible, Alger arrive à la 135 position, derrière Abidjan (Côte d’Ivoire), Teheran (Iran), Douala (Cameroun) et  Tripoli (Libye). Dacca, capitale du Bandgladesh, ferme la marche.  Le mauvais classement de la capitale algérienne qui compte une population de plus 3 millions d’individus ne surprend guère. Alger est dépourvu de lieux de loisirs, les salles de cinéma se comptent sur les dix doigts de la main, la circulation automobile y est épouvantable et ses habitants se plaignent de la saleté des trottoirs. A tout cela s'ajoutent aujourd'hui les coupures fréquentes du courant électrique ainsi que les coupures en eau potable.

Von den 140 untersuchten Städten rangiert Algiers auf dem 135. Platz, hinter Abidjan (Elfenbeinküste), Teheran (Iran), Douala (Kamerun) und Tripoli (Libyen). Dhaka, die Hauptstadt von Bangladesch, kommt zuletzt. Das schlechte Abschneiden der algerischen Hauptstadt mit einer Bevölkerung von über drei Millionen Menschen ist nicht überraschend. Algiers fehlen Freizeitanlagen, seine Kinos kann man an einer Hand abzählen, der Verkehr ist fürchterlich und seine Bewohner klagen über verdreckte Straßen. Dazu kommen die häufigen Strom- und Wasserausfälle.

In Douala, Kamerun, sind Stromausfälle eines der Symptome einer sehr schlechten wirtschaftlichen Situation [fr]. Die Global-Voices-Autorin Julie Owono beschreibt einen Zustand, in dem die Infrastruktur des Landes nicht mit dem rasanten Bevölkerungswachstum Schritt halten kann:

Laut gewisser Schätzungen haben nur 20 % der kamerunischen Bevölkerung Zugang zu regelmäßiger Stromversorgung. Tatsächlich sind die, die Zugang zu Strom haben, daran gewöhnt, dass alle drei Tage der Strom ausfällt. Strom wird auch immer teurer für die übrige Bevölkerung des Landes. Zum Beispiel kündigte der private Anbieter AES Sonel unlängst eine Preiserhöhung von 7 % ab 1. Juni 2012 an.

Rasante Änderungen der Lebensqualität in städtischen Gebieten

Die Studie über die Lebensqualität in Städten zeigt auch, dass diese Ranglisten rasanten Änderungen unterworfen sind. Eines der berücksichtigten Kriterien, die Wirtschaftskraft einer Stadt, sieht drei chinesische Städte ganz oben. Der Bericht erläutert, dass andere Kriterien wie die Effizienz der Einrichtungen, Humankapital, kulturelle Angebote und die finanzielle Kreditwürdigkeit der Städte in der Bilanz schwerer wiegen.

Was die Zukunft betrifft, nennt der Bericht bestimmte Punkte, die die Städte in aufstrebenden Ländern (einschließlich afrikanischer Städte) verbessern müssen, um ihren Rang zu steigern:

Der Aufstieg der aufstrebenden Märkte wird einer ganzen Reihe eher unbekannter Städte bis 2020 eine größere Bedeutung verleihen. So haben zum Beispiel Bandung, Hangzhou, Lagos und Lima Wachstumsraten von 6 % oder mehr, sind aber außerhalb ihrer Heimatländer heute kaum bekannt. Das wird sich ändern. Eine der Schlüsselfragen ist, mit welcher Geschwindigkeit dies passieren wird. [..] Um dies zu tun, müssen sie ihre Anreizpolitik für ausländische Investitionen anpassen, was aber wiederum grundlegende Änderungen voraussetzt. “Sie haben einen guten infrastrukturiellen Grundstock, aber die Umweltverschmutzung ist sehr hoch und es gibt keine öffentlichen Plätze oder ähnliches. Sie erkennen nun, dass sie mehr auf Qualität setzen müssen.”

2 Kommentare

  • Ich habe mich letztens auch über Afrika, speziell Burundi, informiert und musste auch feststellen, dass dort brechende Armut herrscht und die Menschen trotzdem glücklich sind. Ich denke da spielen ganz andere Werte eine Rolle als hierzulande. Hier ist der Erfolg selbstverständlich geworden und erfüllt man keine Normen, plagt man sich und wird unglücklich.

    In Afrika hingegen ist es keine erfolgsorientierte Gesellschaft. Dort haben andere Werte wie Zusammenhalt und Familie einen größeren Einfluss auf das Wohlbefinden der Bevölkerung. Wünschte, es wäre auch hier zumindest ein wenig so wie in Afrika.

  • Im Prinzip ja, Jörg. Nur der Satz „In Afrika hingegen ist es keine erfolgsorientierte Gesellschaft“ gefällt mir nicht. Jede Gemeinschaft ist erfolgsorientiert, die Frage ist nur, wie man diesen Erfolg definiert. Die europäischen Kolonialherren haben mit ihrem materiellen, entmenschlichenden Erfolgskonzept – Arbeit, Geld, Macht – in Afrika viel Unheil angerichtet. Wie du wünsche ich mir einen umgekehrten Lernprozess hin zu der Erkenntnis, dass der Erfolg als Mensch in einer Gemeinschaft von Menschen das eigentlich wesentliche ist. Nicht nur aus Gründen der Menschlichkeit, sondern auch, weil ich glaube, dass wir die Welt und damit uns nur so vor der totalen Zerstörung bewahren können.

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