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Guinea-Bissau: Der Staatsstreich und der angolische Militäreinsatz

Kategorien: Subsahara-Afrika, Angola, Guinea-Bissau, Aktuelle Meldungen, Bürgermedien, Internationale Beziehungen, Kriege & Konflikte, Politik, Regierung, Wahlen

Am Donnerstagabend, den 12. April 2012, haben Dutzende Militärangehörige die Straßen der Hauptstadt von Guinea-Bissau, das Hauptquartier der historischen Regierungspartei PAIGC [1] (Partido Africano para a Independência da Guiné e Cabo Verde, oder afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde) und den nationalen Radiosender eingenommen, womit ein erneuter Staatsstreich in dem Land eingeläutet wurde, in dem sich seit der Unabhängigkeit im Jahr 1974 [2] noch nie ein gewählter Präsident bis zum Ende seiner Amtszeit an der Macht halten konnte.

In den vergangenen Wochen haben zwei Ereignisse die Spannungen im militärischen und politischen Bereich angeheizt: erstens die Wahlbetrugsvorwürfe der Opposition während der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 18. März (vorgezogen aufgrund des Todes von Präsident Malam Bacai Sanhá im Januar 2012 [3]), von denen Global Voices berichtete [4], und zweitens die Ankündigung des Rückzugs des angolischen Militäreinsatzes MISSANG [5] aus dem Land.

Hauptquartier des Präsidentschaftskandidaten Carlos Gomes Junior (PAIGC), auch bekannt als Cadogo, während des Wahlkampfes. Foto von Giuseppe Piazzolla coypright Demotix (12/03/2012) [6]

Hauptquartier des Präsidentschaftskandidaten Carlos Gomes Junior (PAIGC), auch bekannt als Cadogo, während des Wahlkampfes. Foto von Giuseppe Piazzolla coypright Demotix (12/03/2012)

Die Armee und das Streben nach Waffen

Die Nachricht vom Rückzug des Militärs [7] [pt] Anfang der Woche hatte zu Befürchtungen geführt, dass ein Putsch geplant sein könnte. Guineische Militärangehörige hatten politisch Stellung bezogen, indem sie das zusätzliche angolische Kriegsgerät, das MISSANG nach dem gescheiterten Putschversuch im Dezember 2011 erhalten hatte, einforderten – “andernfalls sollten sie es nach Angola zurückschicken”.

Darüber hinaus teilte der Sprecher der guineischen Armee, Daba Na Walna Journalisten mit [8] [pt], dass der angolische Botschafter in Guinea-Bissau, General Feliciano dos Santos, den General António Indjai [9], oberster Befehlshaber der Streitkräfte, zwei Tage nach den Wahlen am 20. März beschuldigt hatte, einen Staatsstreich zu planen.

Die portugiesische Journalistin Helena Ferro de Gouveia schrieb [10] [pt] in ihrem Blog Domadora de Camalões über die “formellen Hintergründe der Position der guineischen Militärs”, und fügte hinzu:

[com] o afastamento dos militares angolanos, que apesar de inúmeras críticas que lhe podem ser feitas têm sido o garante de alguma estabilidade no país, a Guiné mergulharia numa nova espiral de incerteza.

Voting station for military personnel. Photo by Giuseppe Piazzolla copyright Demotix (15/03/2012) [11]

Wahllokal für Militärangehörige. Foto von Giuseppe Piazzolla copyright Demotix (15/03/2012)

durch den Rückzug des angolischen Militärs, das trotz aller Vorwürfe, die man ihm machen kann, eine Art Stabilität im Land garantiert hat, würde Guinea-Bissau in einen neuen Strudel der Unsicherheit geraten.

Am Morgen des 12. April hatte die Nationale Bewegung der Zivilgesellschaft für Frieden, Demokratie und Entwicklung (MNSCPDD) einen friedlichen Marsch angekündigt [12] [pt], “mit dem Ziel, die Werte der Demokratie, den Frieden und die Demokratie selbst zu verteidigen,” und gefordert, dass “die Streitkräfte neutral und unparteiisch bleiben gegenüber dem politischen Konflikt im Land”.

Einige Stunden später begann der Putsch.

Reaktionen auf Twitter und Blogs

Um kurz vor acht Uhr abends berichtete [13] [pt] Journalist António Aly Silva auf seinem Blog Ditadura do Consenso (Diktatur des Konsens), dass “Dutzende Armeeangehörige gerade zum Wohnsitz von Carlos Gomes Jr (Vorder- und Hinterausgang) gekommen sind, und auch zur ECOWAS (Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten), und dass “viele Menschen fliehen, und durch die Stadt Bissau laufen [14]” [pt]. Dann waren die ersten Schüsse zu hören.

Die internationale Gemeinschaft auf Twitter reagierte schnell. InDepth hat eine Reihe von Tweets und verschiedenen Medienquellen auf einer Storify-Seite [15] zusammengefasst. Mehrere Personen, beispielsweise Mel Huang (@mel_huang [16]), erwähnten die Welle von Revolten in Ländern in Guinea-Bissaus Nachbarschaft.

George Ayittey (@ayittey [17]), Wirtschaftsprofessor und Autor aus Ghana, tat seine Meinung kund:

Wir haben die Schnauze voll von diesen militärischen Wüstlingen, Banditen, Vagabunden und Kokos-Köpfen: http://bbc.in/IHyHUv [18]

Worauf Majaliwa (@majaliwa68), aus Tansania, antwortete [19]:

ja, in den selben Ländern… es scheint als ob sie immer wieder in den selben Ländern auftreten, NICHT in ganz Afrika =Vorurteil!

Aly Silva appelliert [20] an die internationale Gemeinschaft:

Der hintere Teil des Wohnsitzes von Premierminister und Kandidat Carlos Gomes Junior. Foto von Aly Silva [21]

Der hintere Teil des Wohnsitzes von Premierminister und Kandidat Carlos Gomes Junior. Foto von Aly Silva

Mais de um milhão de guineenses estão reféns de militares…guineenses. Temos sido sacudidos e violentados, usurpam e tolhem-nos os nossos direitos, até o mais básico. Até quando mais a comunidade internacional vai tolerar que gente medíocre – alguma classe política, e militar faça refèm todo um povo? (…)

Nada justifica o levantar das armas, é intolerável o disparo de armas pesadas numa cidade com mais de quatrocentas mil pessoas. É criminoso, acima de tudo. Tiveram tudo para estancar a hemorragia e a orgia de violência. Sabem há muito que este é um país que nasceu, cresceu e vive sob laivos de militarismo.

(…) Não há tiros, nem feridos nas urgências e menos ainda corpos na morgue resultado de mais uma brutalidade da canalha. Não se sabe quem morreu – espero e desejo que ninguém tenha sido morto. Um país é o último, e único, refúgio seguro para o seu povo. Foi traumatizante ver mulheres e crianças a chorar; é triste ver homens e jovens a fugir de homens e jovens como eles.

Über eine Million Guinea-Bissauer sind Geiseln von Soldaten… guinea-bissauischen Soldaten. Wir wurden durchgerüttelt und angegriffen, sie haben unsere Rechte an sich gerissen und eingeschränkt, selbst die grundlegendsten. Wie lange wird die internationale Gemeinschaft zulassen, dass niveaulose Menschen – eine politische und militärische Klasse, ein ganzes Volk in Geiselhaft hält? (…)

Nichts rechtfertigt den Griff zu den Waffen, und schweres Geschütz abzufeuern in einer Stadt mit mehr als 400.000 Einwohnern ist untragbar. Vor allem ist es kriminell. Sie hatten alles was sie benötigten, um dem Bluten und der Gewaltorgie ein Ende zu setzen. Sie wissen schon lange, dass dieses Land mit dem Militarismus geboren wurde, mit ihm aufgewachsen ist und mit ihm lebt.

(…) Es gibt keine Schüsse, keine Verwundeten in der Notaufnahme und viel weniger Opfer in der Leichenhalle als Ergebnis einer erneuten brutalen Schurkentat. Es ist nicht bekannt wer gestorben ist – ich hoffe und wünsche dass niemand getötet wurde. Das Land ist der letzte, und der einzige, sichere Zufluchtsort für seine Bevölkerung. Es war traumatisierend Frauen und Kinder weinen zu sehen; es ist traurig Männer und junge Menschen flüchten zu sehen vor Männern und jungen Menschen, die doch genau wie sie sind.

Am frühen Freitag, den 13. April, berichtet [22] der Journalist: “es gibt immer mehr Militär auf den Straßen, sogar in zivilen Fahrzeugen. Die Situation ist wieder angespannt, ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt. Währenddessen hat das selbsternannte “Militärkommando” eine (nicht unterzeichnete) Stellungnahme veröffentlicht, laut der die Revolte von einem hypothetischen ‘Geheimabkommen’ zwischen Guinea-Bissau und Angola, von Präsident Raimundo Pereira und Premierminister Carlos Gomes Jr., ausgelöst wurde.”

Der Aufenthaltsort von Carlos Gomes Júnior, Gewinner der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen, und Premierminister zum Todeszeitpunkt des ehemaligen Präsidenten, ist noch unbekannt. Der zweite Wahlgang soll am 29. April stattfinden, mit Ex-Präsident Kumba Yalá als Kandidat, obwohl dieser die Teilnahme verweigert, die Annullierung der Wahlen verlangt, und die nationale Wahlkommission (CNE) aufgefordert hat, seinen Namen und sein Foto aus der zweiten Wahlrunde zurückzuziehen, aus Protest gegen mutmaßliche Unregelmäßigkeiten in der ersten Runde.