Am 14. Dezember 2011 entschied die Stadt Florenz in Italien auf Initiative des Bürgermeisters Matteo Renzi, als Protest gegen Rassismus alle Gewerbetätigkeit zehn Minuten lang ruhen zu lassen. Ladenbesitzer schlossen aus Solidarität ihre Geschäfte den ganzen Tag über. Der Auslöser für diese Aktionen? Ein tragisches Ereignis, das am Vortag stattgefunden hatte.
Am 13. Dezember eröffnete Gianluca Casseri, ein 50-jähriger Jäger, rechtsextremer Aktivist und Autor von Büchern, die den Holocaust leugnen, auf zwei Freiluftmärkten in Florenz das Feuer auf eine Gruppe Senegalesen. Das schreckliche Ereignis [it] führte zum Tod zweier Straßenverkäufer aus dem Senegal; der Täter beging nach einer kurzen Schießerei mit der Polizei Selbstmord. Bei dem Vorfall wurden auch drei weitere Afrikaner verletzt, die in kritischem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Medienberichten [it] zufolge hat der Vorfall Chaos und Angst im Herzen von Florenz verursacht, und vehemente Reaktionen und Spekulationen über die Motive von Casseri provoziert. Ging es um Rassismus oder um Wahnsinn?
Ein Video bespricht den Mord [it] und zeigt die Reaktionen eines Senegalesen; seiner Meinung nach war es ein Fall von Rassismus. In dem Video werden auch Kommentare eines Mitglieds einer rechtsextremen Gruppe namens Casapound gezeigt, die Casseri zu ihren Anhängern zählte.
Tiziano Rugi kommentiert [it] den Vorfall:
Il giorno dopo la strage di Firenze, restano solo mazzi di fiori e ceri dove ieri sono morti due venditori ambulanti senegalesi. Lì, in una delle bancarelle del mercatino di piazza Dalmazia tutti i giorni, dalle otto del mattino fino a tarda sera, lavoravano Samb Modou e Diop Mor. Uccisi dall’odio razziale di Gianluca Casseri, cinquantenne pistoiese vicino agli ambienti di estrema destra che credeva nella purezza della razza bianca.
Samu äußert seine Meinung [it] auf qn.quotidiano.net im Kommentarbereich eines Blogbeitrags über die Ereignisse:
Provo orrore per quello che è successo, ma la situazione immigrati in Italia sta diventando insostenibile e se oggi a fare certe cose è un pazzo fanatico,un caso isolato, domani, tra qualche anno, non so se certi avvenimenti succederanno per mano di pazzi. A noi italiani ci viene chiesto sempre di più e vediamo diminuire i benefici e le nostre ricchezze,la nostra libertà, i nostri figli non trovano lavoro, e questi immigrati vengono quà e fanno ciò che vogliono, impunemente, alla luce del giorno; ”poverini devono pur mangiare” dicono i soliti buonisti. Bene, quando poverini come loro lo diventeremo anche noi, e se continua così non ci vorranno tanti anni perchè questo si verifichi, allora diventerà una guerra tra poveri e non sò come andrà a finire, penso molto male.
Die Meinungen im Kommentarbereich gingen weit auseinander. Ein Kommentator verglich den Vorfall mit einem Massaker, das am selben Tag in Liège (Belgien) stattfand, obwohl Maria 1 nicht mit dem Vergleich einverstanden war [it]:
Non mi meraviglio che tu non capisca in cosa consista la differenza: il PAZZO in Belgio ha sparato sulla folla , il PAZZO RAZZISTA a Firenze ha sparato SOLO su persone con la pelle nera!!!
Ein anonymer Kommentator stimmte ihr zu [it]:
credo di no. ma poverini l'unica cosa che gli dice il cervello è che la violenza sia il giusto mezzo per evadere dall'ignoranza e dalla loro depressione mentale.
FATE LA VITA DA IMMIGRATO IN ITALIA PER UN SOLO MESE, poi vediamo da che parte state!
o forse credete che solo per essere nati nella parte “fortunata” del pianeta avete più diritti o sentimenti degli altri?
VERSUCHE, NUR EINEN MONAT LANG DAS LEBEN EINES IMMIGRANTEN IN ITALIEN ZU FÜHREN, und dann werden wir sehen, auf wessen Seite du bist.
Oder vielleicht denkst du, nur weil du als einer der “vom Glück begünstigten” geboren wurdest, hättest du mehr Rechte oder Gefühle als die weniger begünstigten?
Auf seiner Facebookseite, die mehr als 1,5 Millionen Fans hat, schreibt [it] Roberto Saviano, Autor des Bestsellers Gomorra:
La morte di Samb e Diop a Firenze mi ha ricordato la strage dei ragazzi africani a Castelvolturno di tre anni fa. Ricordo anche, come fosse ora, la morte di Jarry Masslo a Villa Literno nel 1989 e la strage di Pescopagano nel 1990… l'Italia è il Paese europeo con più stragi di africani e questo dovrebbe farci riflettere.
In Dakar (Senegal) hat eine ausgewanderte italienische Soziologin eine originelle Art gefunden, dem senegalesischen Volk ihre Entschuldigung anzubieten [fr]. Ein Videobericht von Serigne Diaw auf der Website leral.net sagt darüber:
Chiara Barisson, eine italienische Soziologin mit Wohnsitz in Senegal, hat 200 Flugblätter auf den Straßen von Sandaga verteilt, um ihr Bedauern und ihr Beileid auszudrücken, nicht nur den Familien der Opfer aus Florenz gegenüber, sondern dem senegalesischen Volk in seiner Allgemeinheit. Von ihren italienischen Freunden umgeben bestand sie darauf, sich für die rassistische Handlung zu entschuldigen, berichtete The Observateur. Man sagt, dass Ladenbesitzer sehr berührt von dieser Geste der Soziologin gewesen seien.
Dieser Kommentar im Video von de schwarzeraal [fr] hingegen lässt die Tat des Mörders in einem anderen Licht erscheinen:
Afrikaner von der Elfenbeinküste waren dafür bekannt, ihre senegalesischen Nachbarn auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen; ein senegalesischer Mann hat einen Afrikaner aus Mali wegen eines Streits um Müll und Gott weiß worum sonst noch getötet, während er vorgab zuständig zu sein… auf der Straße hat ein Malier einen Mann aus Senegal im Streit über einen Platz vorm Fernseher getötet, und so weiter… verrückte Leute gibt es überall…
Am 17. Dezember haben die Freiluftmärkte mehrerer italienischer Städte Protestmärsche organisiert, wie im Meinungsteil des Blogs corriereimmigrazione berichtet wurde [it]:
La manifestazione, che si svolgerà in contemporanea in varie città, sarà l'occasione per rilanciare i problemi che attualmente vivono le comunità migranti in Italia: “il bisogno di una nuova sanatoria, la risoluzione del problema delle truffe, il rifiuto al permesso di soggiorno a punti, il diritto al voto e alla cittadinanza per i figli degli immigrati, la problematica di chi è scappato della guerra in Libia e la denuncia dei centri di detenzione come luoghi da chiudere”. L'evento sarà inoltre occasione per iniziare il cammino che porterà verso il primo marzo 2012, lo sciopero degli stranieri
Nach Milan sind Proteste für Caltagirone, Messine, Florenz, Rom, Imola, Legnano und Cinisello Balsamo vor CARA di Mineo (CT) geplant.
@Doubangar, Félicité Doubangar, hat bei Twitter ihren Eindruck der Teilnehmerzahl in Florenz geteilt:
Letzten Samstag sind in Florenz tausende Leute zum Protest gegen die Handlung eines rechtsextremen Aktivisten erschienen, der letzten Dienstag zwei Straßenverkäufer senegalesischen Ursprungs getötet hat.
Und dieser Bericht erschien auf der Facebookseite Senegal 24.7 [fr]:
Senegalesen in Florenz getötet: Protest gegen Rassismus — Mindestens 10.000 Menschen haben letzten Samstag am Protestmarsch gegen Rassismus in Florenz (Zentrum) teilgenommen, wo ein rechtsextremer Aktivist am vorigen Dienstag zwei Straßenverkäufer senegalesischer Herkunft erschossen und drei weitere Personen verletzt hat.
Wir wollen eine neue Ära der Hoffnung einläuten, sodass unsere zwei Brüder nicht umsonst gestorben sind, teilte Pape Diaw, ein Sprecher der senegalesischen Gemeinschaft, der Presse mit.
Wir müssen härter für friedliches Zusammenleben und Respekt arbeiten. Es ist zu einem echten Kampf geworden, das ist nicht nur Fassade, fügte er hinzu.
Die Zahl der Demonstranten wurde von der Polizei auf über 10.000 geschätzt; die Organisatoren des Protests berichteten von 12.000.
Viele fragten sich, ob dies ein Fall von politischer Ausbeutung oder ein Beweis für Mitgefühl ist.
blogunugalsene.com veröffentlichte [fr] das folgende Update:
Während dies veröffentlicht wird, nimmt Me Aïssata Tall Sall am Protest in Florenz teil, um der beiden ermordeten Senegalesen zu gedenken. Auch der italienische Premierminister, der Präsident des Regionalrats und der Vorsitzende der Demokratischen Partei (Opposition zu der momentan regierenden Partei) werden erwartet. Die Anwältin der Sozialistischen Senegalesischen Partei wird eine Gruppe französischer und amerikanischer Anwälte anführen, die die Opfer verteidigen werden. Am 18. Dezember soll sie weitere italienische Anwälte treffen, bevor sie Italien verlässt.
Die italienische Obrigkeit hat, ebenso wie die senegalesische Gemeinde und die italienische Zivilgesellschaft, mit überzeugenden Erklärungen und Handlungen auf die Tragödie reagiert.