China: Empörung – Gesetz zur “Prostitution Minderjähriger” schützt Kindervergewaltiger

Vier Funktionsträger der chinesischen Regierung und der Kommunistischen Partei Chinas, die im Oktober dieses Jahres ein zwölfjähriges Mädchen in einer kleinen Stadt in der Provinz Shaanxi vergewaltigt haben, werden wegen “Prostitution einer Minderjährigen” angeklagt. Die örtliche Polizei macht geltend, dass die Beschuldigten im September und Oktober sexuellen Verkehr mit dem Mädchen hatten, dies jedoch nicht den Tatbestand einer “Gruppenvergewaltigung” erfülle (obwohl das Mädchen zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde).

In China reichen die Strafen für die Vergewaltigung von Kindern von zehn Jahren Gefängnis bis hin zur Todesstrafe. Sexueller Verkehr mit minderjährigen Prostituierten hingegen wird lediglich mit einer Gefängnisstrafe zwischen drei und zehn Jahren geahndet. In manchen Fällen wird der Geschlechtsverkehr mit minderjährigen Mädchen nicht als Straftat verfolgt.

Öffentlicher Aufschrei

Der Fall aus Shaanxi ist nicht der erste seiner Art. Schon zuvor haben Offizielle der chinesischen Regierung sich vor harten Strafen schützen können, indem sie ihre Straftaten “umdeklariert” haben. Allein im Jahre 2009 hat eine große Anzahl von Regierungsvertretern aus Guizhou, Fujiang, Zhejiang und Sichuan [zh] diese Taktik angewendet, um ihre eigenen Kindervergewaltigungsfälle vor Gericht zu verteidigen.

Seit 2008 fordern [zh] Volksvertreter den Straftatbestand des sexuellen Verkehrs mit Minderjährigen durch den Tatbestand des Kindesmissbrauchs zu ersetzen. Anfang des Jahres führte die “All China Women Federation” während des Volkskongresses (dem Treffen der Kommunistischen Partei Chinas) eine Unterschriftenkampagne durch. Ihr Anliegen wurde von offizieller Seite jedoch nicht Ernst genommen. Es gab nicht einmal eine öffentliche Erklärung von jenen, die eine solche Gesetzesänderung ablehnen.

Universitätsprofessorin Xiao Xuehui setzt sich ungeachtet dessen im Rahmen eines öffentlichen Forums, welches von Netease nach den Vorkommnissen in Shaanxi ins Leben gerufen wurde, für die Aufhebung des Gesetzes zur Prostitution Minderjähriger ein. Der folgende Auszug stammt von einer Mitschrift einer ihrer Vorträge auf “China Elections” [zh]:

嫖宿幼女罪恐怕是本朝一大发明。这个罪名含有一个混帐前提:幼女心智成熟、有完全行为能力。逻辑的结论就是:把受到性侵犯的幼女贴上“卖淫女”标签。这是以国家法律之名对受害幼女进行的再次伤害。

‘Prostitution Minderjähriger’ ist eine weitere Erfindung dieser imperialen Dynastie. Die geradezu lächerliche Grundannahme dieser Straftat ist, dass ein minderjähriges Mädchen ein mündiges Individuum ist, welches in der Lage ist, Entscheidung ohne äußere Manipulation zu treffen. Das Ergebnis besteht darin, dass dem Opfer der Stempel aufgedrückt wird, es sei eine Prosituierte. Das ist eine doppelte Diskriminierung des Kindes im Namen des chinesischen Gesetzes.

值得注意的是,无论此次陕西案件,还是之前出现在贵州、四川、福建的若干起以这个罪名定案的案件,犯罪人都是公职人员:法官、国税局长、校长、镇长等等。这个罪名的设立似乎在实践中呈现出跟“利益逢官递增”规律相对应的规律:罪名逢官递减。恐怕很难避免人们对立法意图的猜测。

Wir sollten der Tatsache mehr Aufmerksamkeit schenken, dass alle Personen, die unter diesem Straftatbestand angeklagt wurden, Offizielle der chinesischen Regierung waren: ein Richter, der Vorsitzende einer Steuerbehörde, der Rektor einer Schule, ein Bürgermeister usw. Der neueste Fall aus Shaanxi und die früheren Vorfälle in Guizhou, Sichuan und Fuijan haben alle das gleiche Muster. Sinn und Zweck dieses Gesetzes scheint es zu sein, Regierungsvertretern dahingehend zu helfen, dass ihre Verantwortung für Straftaten gemindert wird. Dies ist unter einfachen Leuten eine logische, verbreitete Annahme.

Geschichte des Gesetzes

Einige Unterstützer der Regierung haben im Internet versucht die Polizei in der Provinz Shaanxi durch den Verweis auf frühere Gerichtsurteile in Schutz zu nehmen. Kritische Internetnutzer haben daraufhin damit begonnen zu recherchieren, wer für diese Gesetzgebung und ihre Auslegung verantwortlich ist. Das Onlinemagazin ACFun hat eine Spezialausgabe unter dem Titel „Abschaffung des Gesetzes der Prostitution Minderjähriger“ veröffentlicht und hat das Gesetz auf die Reform des Strafrechtssystems 1997 [zh] zurückverfolgt. Durch diese Reform wurde die Prostitution Minderjähriger von Kindesvergewaltigung unterschieden.  

Weibo-Nutzer Pu Can hat Gerichtsaufzeichnungen durchforstet und Folgendes [zh] herausgefunden:

1997年“嫖宿幼女罪”单独入刑后性侵案明显增多,3年之间猛增20多倍。2003年1月,前最高法院副院长黄松有针对嫖宿幼女罪出台司法解释:“行为人确实不知道对方是不满14周岁的幼女,双方自愿发生性关系,未造成严重后果,情节显著轻微的,不认为是犯罪。”——天朝威武,免得误了各位官人采补

Seit 1997 wurde eine hohe Zahl von Fällen unter der Anklage „Prostitution Minderjähriger“ verhandelt. Innerhalb von drei Jahren hat die Zahl ähnlicher Fälle um das zwanzigfache zugenommen. Der frühere stellvertretende Vorsitzende des obersten Gerichtshofs Chinas, Huang Xiongyao, interpretierte das Gesetz 2003 noch weiter: „Wenn der Beschuldigte nicht weiß, dass das Mädchen jünger als 14 Jahre ist und sexueller Verkehr in beiderseitigem Einvernehmen stattfindet, sollte es nicht als Straftat angesehen werden.“ Die imperiale Dynastie ist entschlossen ihren Vertretern die besten Gesundheitsleistungen zukommen zu lassen [eine alte chinesische Überlieferung besagt, dass Sex mit jungfräulichen Mädchen das Leben eines Mannes verlängert].

Girssonlin, ein Nutzer des Forums Tianya, nimmt Huang’s Rechtsstandpunkt genauer unter die Lupe [zh]:

让我们来看看司法解释中最邪恶的一段文字:“本罪的犯罪对象是特殊对象,不仅特殊在其是不满十四周岁的幼女,而且特殊在其为卖淫的幼女,如果行为人以欺骗手段对非卖淫的幼女实施奸淫行为的,则构成强奸罪。需指出的是,这里的卖淫的幼女,如果是幼女自愿或主动卖淫的,则一般地说明了幼女认识到其行为的卖淫性质,如果幼女是被他人(而非嫖宿者)引诱或强迫卖淫,则不要求其认识到行为的卖淫性,只要求客观上是在卖淫即可。”
简单的可解释为,不管幼女是否自愿,即使她受到威胁和强迫,只要有老鸨,就算卖淫。显而易见,这个司法解释保护的是犯罪者而非未成年少女。

Lasst uns einen Blick auf den hinterlistigsten Teil dieser Auslegung werfen: „Der Gegenstand dieses Verbrechens ist sehr speziell. Diese Mädchen sind nicht nur jünger als 14 Jahre sondern darüber hinaus auch minderjährige Prostituierte. Wenn der Beschuldigte sexuellen Verkehr mit einem minderjährigen Mädchen hat, welches keine Prostituierte ist, sprechen wir von Vergewaltigung. Es muss betont werden, dass wenn diese minderjährigen Mädchen den Geschlechtsverkehr freiwillig haben, sie sich natürlich über ihre Prostitution im Klaren sind. Wenn die Mädchen unter äußerer Kontrolle stehen oder in die Prostitution gezwungen wurden, und selbst wenn sie sich der Folgen ihrer Handlung nicht bewusst sind, können die äußeren Umstände trotzdem darauf hindeuten, dass es sich um Prostitution handelt.“
Einfach ausgedrückt heißt dies also: es ist egal ob ein minderjähriges Mädchen zu sexuellen Handlungen gezwungen wird oder nicht, wenn es einen Freier gibt, wird es als Prostitution angesehen. Es ist offensichtlich, dass die rechtliche Auslegung dem Schutz der Täter dient und nicht den minderjährigen Mädchen.

Wie kann sich solch eine lächerliche Auslegung in China durchsetzen? Die Antwort ist wohl bei Huang Xiongyao zu finden, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs Chinas von 2002 bis 2008, der 2010 der Korruption für schuldig befunden und im März 2010 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Das Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas in Hongkong, Tai Kung Daily, hat aufgedeckt, dass Huang ein „spezielles Interesse“ an minderjährigen Mädchen hatte. (via Xinhuanet [zh]).

Natürlich, erklären die genannten Fakten immer noch nicht warum die chinesische Regierung sich weiterhin weigert das Gesetz zu ändern. Die Zahl der Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern hat sich laut dem Letter Petition Office of the All China Women Federation [zh] von 135 im zweiten Halbjahr 1997 auf 2.948 im Jahr 1998 und auf 3.619 Fälle 1999 erhöht. Im Jahr 2000 wurden 3081 solcher Fälle gezählt. In den vergangenen Jahren ist die Zahl weiterhin stark angestiegen.

Das Titelbild eines kleinen chinesischen Mädchens von Flickr-Nutzer jani rocafort (CC BY-NC-ND 2.0).

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