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Griechenland: Vertrauensfrage und das geplante Referendum

Kategorien: Griechenland, Aktuelle Meldungen, Bürgermedien, Internationale Beziehungen, Medien & Journalismus, Politik, Regierung, Wirtschaft & Handel

Dieser Artikel wurde von Anna Maria Basouri, Theodora Feleri, Maria Litsios, Hanna Schreiber, Andreas Seidel, Nadezda Sergeevna Syrovatko, Evangelia Tsogka, Maria Vasileiadou und Iouliana Zisi Tegou, Studierende des FTSK Germersheim, in einer Veranstaltung von Dr. Doris Kinne im Rahmen des Projektes „Global Voices“ übersetzt.

Dieser Bericht ist Teil unseres Dossiers über Europa in der Krise [1].

Gestern Abend machte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou einen politisch höchst riskanten Schritt [2]: Im Rahmen der Fraktionssitzung der Regierungspartei PASOK kündigte er die Vertrauensfrage innerhalb der nächtsen Tage [3] und ein Referendum zur Abstimmung über die Sparmaßnahmen an. Obwohl er Spekulationen über vorgezogene Wahlen zurückwies, bleibt diese Möglichkeit dennoch offen, sollte das Referendum negativ ausfallen.

[4]

Titelthema der Zeitung The Guardian: „Griechenland stürzt den Euro-Rettungsplan
in eine neue Krise“. (Quelle: @guardiannews)

Die Nachricht überraschte europäische und internationale Kreise, wie The Guardian, [5] The New York Times [6], CNN [7], Reuters [5] und andere Nachrichtenagenturen berichteten. 

In seiner Rede [8] auf der Fraktionssitzung der PASOK erklärte Finanzminister Evangelos Venizelos, dass das Referendum eine Chance für unkonventionelle institutionelle Initiativen sei: 

Natürlich müssen in der Zeit bis zum Referendum zahlreiche Initiativen institutioneller und politischer Art erfolgen. Es ist eine Chance, dass unsere Initiativen für ein neues institutionelles System, für einen neuen Staat, für eine moderne repräsentative Regierungsform nicht konventionell, sondern revidierbar sind.

Venizelos übertrug dem Bürger die Verantwortung über die Entscheidung Euro und PASOK oder Rückkehr zur Drachme und zur wirtschaftlich schwierigen Zeit der Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg:

Nachdem die parlamentarische Mehrheit der Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen haben wird, werden die Bürger aufgerufen auf logische und konsequente Weise dazu Stellung zu beziehen:  Sind wir für Europa? Sind wir für die Eurozone? Sind wir für den Euro? Ziehen wir eine positive Bilanz? Sind wir der Meinung, dass wir in dieser Gruppe der entwickelten Länder bleiben und nicht zum Griechenland der Drachme oder sogar der 60er, 50er Jahre zurückkehren sollten?

Die Ankündigung Papandreous wurde im Allgemeinen negativ aufgenommen. Man übte Kritik sowohl am Zeitpunkt der Bekanntgabe des geplanten Referendums als auch an den eventuellen vorzeitigen Wahlen. Auf Twitter finden sich zahlreiche Kommentare über die Hashtags #dimopsifisma [9] und #referendum [10]:

Aus dem offiziellen Webportal der Nea Dimokratia [11], der konservativen Oppositionspartei:

@neademokratia [12]: Einzige Lösung – Wahlen! http://ht.ly/7eoU6 [13] [el]

Diane kommentiert [14] [en] die Äußerung des Pressesprechers der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE):

@dianalizia [15]: Jetzt fängt der Spaß in #Griechenland erst richtig an. Die kommunistische Partei lehnt das Referendum ab und fordert stattdessen Wahlen.

Foivos Panagopoulos aus den Niederlanden kommentiert [16] [en] die Auswirkungen des Referendums auf die Weltwirtschaft:

@suorm [17]: Das griechische #Referendum wird die Schneeflocke sein, die die Lavine auf die Märkte Europas, Asiens und der USA auslösen wird. Adieu EU!

Währenddessen kommentieren [18]
[en] Eliana und Cyberela aus Athen in zwei Nachrichten [19] die Ankündigung Papandreous an sich:

@Cyberela [20]: Viel Demokratie heute in #Griechenland. #Referendum

@ElianaVou [21]: Die heutigen Ergebnisse als „surreal“ zu bezeichnen ist noch untertrieben. Entweder hat PASOK völlig den Verstand verloren oder PASOK hat völlig den Verstand verloren #dimopsifisma

Kyriakos Pierrakakis [22] und Maria Katsikovordou [23] fragen nach den Kosten des Referendums jetzt in der wirtschaftlich schwierigen Zeit:

@Pierrakakis [24]: Mit wessen Geld soll das Referendum finanziert werden?

@mariakatsme [25]: Guten Morgen, ich möchte ein wenig „Populismus“ betreiben: 110 Mio. Euro wird uns das #dimopsifisma [el] kosten. Vielleicht sollten wir es sein lassen und den Familien nicht den Strom abdrehen. #christmas

Sofia Mandilara lässt die sofortige Reaktion der nationalen Märkte [26] kommentarlos stehen:

@the sspirit [27]: Der Dow Jones ist innerhalb weniger Minuten um 275 Zähler gefallen. No futher comments.

Es folgten viele ähnliche Kommentare, die ironisch und humoristisch waren. Sie ließen eine ältere
Twitter-Meldung über mögliche Alternativen, wie die Frage des Referendums lauten könnte, wieder aufleben:

@YBoyio [28]: #42 ist die Antwort auf das momentan größte Problem der Griechen. Die Frage des Referendums ist noch nicht bekannt! [Anm. d. Übers.: „42“ ist die Antwort auf die unbekannte Frage des Lebens, des Weltalls und der Ewigkeit in Douglas Adamsʼ Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“]

@arkoudos [29]: Ich schlage vor, ein Referendum zu machen, um die Frage des Referendums herauszufinden. #dimopsifisma

@jasongrig [30]: Alles ertragen oder schuldig sein? #dimopsifisma

@IrateGreek [31]: Bankrott oder Konkurs? #dimopsifisma

In diesem Jahr waren die Feierlichkeiten des 28. Oktober von Unruhen überschattet. Dieses Datum markierte 1940 den Eintritt Griechenlands in den 2. Weltkrieg, als die Griechen sich mit einem historischen „NEIN“ gegen die Italiener stellten. 

Das letzte Mal fand im Jahr 1974 in Griechenland ein Referendum [32] -über die Regierungsform- statt. Man wählte zwischen parlamentarischer Monarchie und parlamentarischer Republik. 

Dieser Bericht ist Teil unseres Dossiers über Europa in der Krise [1].