China: “Haben Sie noch Erinnerungen an die Zeit vor der Entführung?”

Ein Mädchen spielt Violine für ein paar Münzen in einem Bahnhof in Peking. Bild aus einem Dokumentarfilm aus dem November 2010

Ein Mädchen spielt Violine für ein paar Münzen in einem Bahnhof in Peking. Bild aus einem Dokumentarfilm aus dem November 2010

Wenn Sie schon einmal eine chinesische Stadt besucht haben, haben Sie Kinder in der Nähe von Bahnhöfen oder Hauptstraßen gesehen, die Musik spielen und um Geld betteln. Was Sie gesehen haben, ist aber der nur die Spitze des Eisberges eines ernsten und schwierigen Problems in China: die Entführung und der Verkauf von Kindern.

Anfang des Jahres 2009 haben die Sicherheitsbehörden in China eine Kampagne gegen Entführungen durchgeführt. Ende 2010 haben die amtlichen Zahlen [zh] (nicht unbedingt zuverlässig) gezeigt, dass 9.165 Fälle von Frauenhandel und 5.900 Fälle von Kinderhandel aufgedeckt wurden. 9.388 Kinder und 17.746 Frauen wurden befreit und 3.573 kriminelle Entführungsringe wurden zerschlagen.

Die tatsächliche Zahl von entführten Kindern ist wahrscheinlich viel höher als die Zahl der befreiten. Gemäß Schätzungen [en], werden jedes Jahr mehr als 70.000 Kinder in China entführt.

Was fördert diese Kindesentführungen? Wegen der Ein-Kind-Politik und der chinesischen Tradition, die Familien unter Druck zu setzen, damit sie Söhne haben, werden gestohlene Kinder oft an neue Familien verkauft. Anderseits werden entführte Mädchen oft dahin verkauft, wo es einen Überschuss an unverheirateten Männern gibt. Viele andere werden verkauft, um als Straßenkünstler oder Prostituierte zu arbeiten oder um zu betteln.

Ihre Geschichte erzählen

Das Problem von entführten Kindern ist das Thema eines demnächst erscheinenden Dokumentarfilms “Living with Dead Hearts: The Search for China's Kidnapped Children” [„Mit toten Herzen leben: die Suche nach den entführten Kindern Chinas“] von Charles Custer.

Custer ist ein Amerikaner, der sich sehr für China interessiert. Er wohnt gerade in Peking und betreibt das erfolgreiche Blog ChinaGeeks [en], das Übersetzungen und Analysen der chinesischen Blogosphäre anbietet. Für seinen Dokumentarfilm will Custer über die Statistiken und Analysen hinausgehen. Um das echte Gesicht dieses sozialen Problems zu zeigen, konzentriert er sich auf die emotionalen und persönlichen Facetten der Geschichten.

Ende letzten Jahres startete Custer einen Spendenaufruf auf Kickstarter [en], um seinen Dokumentarfilm zu realisieren. Nach großzügigen Reaktionen von mehr als 100 Leuten hat das Projekt mehr als $8.500 gesammelt und Custer hat fast seine gesamte Freizeit damit verbracht, Eltern und entführte Kinder zu finden, zu interviewen und zu filmen.
Diesen Monat hat das Filmteam ein Update sowie eine Vorschau des Filmes präsentiert:

Ihr Ziel ist, dass die Zuschauer einen Zugang zu Chinesen als Individuen gewinnen können, nachdem sie diesen Film gesehen haben. Sie werden zum Beispiel sehen können, wie sich Eltern von entführten Kindern mit Fragen fühlen wie „Wann haben Sie bemerkt, dass Ihre Tochter fehlte? Können Sie uns mehr über den Charakter und die Hobbys ihrer Tochter sagen? Welche Methoden haben Sie ausprobiert, um nach ihr zu suchen, außer es der Polizei und der Schule zu melden? Wie haben Sie vor, weiter nach ihr zu suchen?“ Oder wie die entführten Kinder sich als Erwachsene fühlen: „Haben Sie noch Erinnerungen an die Zeit vor der Entführung? Erinnern sich Ihre aktuellen “Eltern” daran, bei wem Sie gekauft wurden? Und wie fühlen Sie sich jetzt dabei?“

Wenn du dich für dieses Problem interessierst, kannst du dich auf der speziellen Website www.livingwithdeadhearts.com über Custers Fortschritt informieren. Du kannst auch mehr über die entführten Kinder in dem Sonderteil von ChinaGeeks.org erfahren. Wenn du helfen willst, besuche bitte die chinesischen Organisationen Baby Come Home [zh] und Xinxing Aid [en], die durch verschiedene Methoden den entführten und Straßenkindern helfen.

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