Marokko: SlutWalk fasst Fuß

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers SlutWalks 2011.

“Fallt auf, behauptet euch und verlangt Respekt. Scham muss die Seiten wechseln!” Das ist der cri de guerre von Majdoline Lyazidi, der 20-jährigen Gründerin von SlutWalk Marokko [en], einer Facebook Seite die darauf abzielt, das Bewusstsein für sexuelle Belästigung in der marokkanischen Gesellschaft zu schärfen. Die Idee scheint gut anzukommen; mehr als 3.000 Mitglieder haben sich in weniger als 15 Tagen seit Entstehen der Seite angeschlossen.

Die SlutWalk-Protestmärsche haben am 3. April 2011 in der Stadt Toronto [en] in Kanada als Protestbewegung gegen die Erklärung angefangen, das Aussehen einer Frau würde eine Vergewaltigung entschuldigen. Die Bewegung wurde ausgelöst von einer umstrittenen Aussage eines Polizisten der Stadt, der einer Gruppe junger Studentinnen erzählte, dass “Frauen vermeiden sollten sich wie Schlampen anzuziehen” um sich vor Vergewaltigern zu schützen. Sie wurde schnell zu einer weltweiten Bewegung mit Versammlungen und Märschen von Sydney bis London. Siehe auch die Global-Voices-Berichterstattung über SlutWalks in Costa Rica [en], Indien [en], Brasilien [en] und Australien [en].

"Respect" - Bild von der SlutWalk Marokko Facebook Seite

"Respect" – Bild von der SlutWalk Marokko Facebook Seite

Die Idee fand in der arabischen Welt nicht viel Anklang. Manche machen eine kulturell beladene, westliche Kampagne dafür verantwortlich. Andere erklären, dass die Region ohnehin mit dem Kampf für einen größeren Wandel beschäftigt ist. Aber es gibt solche wie Majdoline, die der Meinung sind, dass ein wirklicher Wandel auch den Kampf gegen geschlechterbasierte Gewaltformen und eine Veränderung in der Art, wie Frauen in der Gesellschaft behandelt werden, beinhalten muss.

 

In einem Interview mit dem marokkanischen Bloggerkollegen Hind [en] erklärt Majdonline was sie ursprünglich inspiriert hat:

[The SlutWalk movement] was a wake-up call for me. Growing up, I’ve never really understood why society kept teaching us the “don’t get raped” mentality instead of a “don’t rape” one, anchoring that way a never-ending victim blaming process of “she was asking/looking for it”.

I think it’s time to change this mentality, we’ve got to give a chance to the next generations to walk the moroccan streets feeling SAFE & RESPECTED, a feeling moroccan women are missing today.

[Die SlutWalk Bewegung] war ein Weckruf für mich. Als ich aufgewachsen bin, habe ich nie wirklich verstanden, warum die Gesellschaft uns die “lass dich nicht vergewaltigen”-Mentalität anstelle von einer “vergewaltige nicht”-Einstellung beigebracht hat, wodurch sich ein nie endender Prozess der “sie wollte es doch/sie hat es darauf angelegt” Opferbeschuldigung verankert hat.

Ich denke es ist an der Zeit, diese Mentalität zu verändern, wir müssen für die nächsten Generationen die Möglichkeit schaffen, sich SICHER & RESPEKTIERT zu fühlen wenn sie über die Marokkanischen Straßen laufen, ein Gefühl, das die Marokkanischen Frauen von heute nicht haben.

Majdoline erkennt [en] auch, dass der Name der Kampagne ein Problem sein kann:

We want this to be a Moroccan version of SlutWalk and we want it to be 100% moroccan, suiting our society, our community’s beliefs & values. But to tell you the truth, it’s hard to find a name as catchy as “SlutWalk”!

Wir wollen, dass dies eine marokkanische Version des SlutWalk wird, und wir wollen, dass es 100% marokkanisch wird, passend zu unserer Gesellschaft, den Überzeugungen & Werten unserer Gemeinschaft. Aber um ehrlich zu sein ist es schwierig, einen Namen zu finden der so einprägsam ist wie “SlutWalk”!

Die Gründerin der Gruppe hat sich mit Freunden, jungen Männern und Frauen, zusammengetan um die Idee voranzubringen. Sie haben eine unmittelbar bevorstehende Namensänderung der Gruppe angekündigt. Vorschläge beinhalten WomenShoufoush, ein Wortspiel, das im marokkanischen Arabisch auf Verführung anspielt, aber auch als Aufruf verstanden werden kann, eine Lösung für ein Problem zu finden.

Reaktionen auf die Initiative SlutWalk-Marokko waren größtenteils unterstützend, aber es gibt auch Kritiker. Die Tatsache, dass die Gruppe mitten im heiligen muslimischen Monat Ramadan gegründet wurde, scheint Blogger Youssef Boukhouya verärgert zu haben. Er schreibt [fr]:

[C]ette petite communauté pointe son nez le mois sacré de Ramadan, ce qui représente un manque de respect envers les marocains, et pour exceller dans la bêtise mis à part qu’ils ont choisi un mauvais timing, ils ont pris un très mauvais exemple pour exprimer leurs soi-disant bonnes intentions avec « le mouvement SlutWalk » ou la marche des salopes tout simplement ! alors imaginez une foule de filles marocaines défiler dans les rues à moitié nues, et nous dire que c’est pour la bonne cause… eh ben C’EST DE LA FOUTAISE rien de plus ! et c’est une chose que je trouve personnellement horrible et inacceptable !

Diese kleine Gemeinschaft hat ihr Gesicht im heiligen Monat Ramadan gezeigt. Das ist ein Mangel an Respekt für Marokkaner. Und nicht genug dieser Dummheit, sie haben nicht nur einen schlechten Zeitpunkt gewählt, sie haben auch ein sehr schlechtes Beispiel gewählt, um ihre sogenannten guten Absichten auszudrücken: mit der “SlutWalk-Bewegung”, oder auch den laufenden Schlampen! Stellt euch eine Ansammlung marokkanischer Mädchen vor, die halbnackt durch die Straßen stolzieren und behaupten, es wäre für einen guten Zweck… Nun, lasst mich euch sagen – das ist Schwachsinn! Dies ist etwas was ich persönlich schrecklich und inakzeptabel finde!

Moroccans For Change (Marrokaner für Veränderung) stellen ihrerseits die Weisheit des Imports von bereits fertigen Protestmethoden aus dem Westen infrage. Sie schreiben [en]:

Some of us feel the same way about the Moroccan version of SlutWalk. While we condemn violence against women, we wonder about blindly borrowed activism methods. Clearly, “No” means “No” means “No”. But what’s the Slutwalk have to do with Morocco?

Einige von uns sehen die Marokkanische Version von SlutWalk auch so. Wenngleich wir Gewalt gegen Frauen verurteilen, finden wir blind geliehene Aktivismusmethoden fraglich. Es ist deutlich, “Nein” heißt “Nein” heißt “Nein”. Aber was hat der SlutWalk mit Marokko zu tun?

Blogger Mahmoud Khattab ist einer der Unterstützer von SlutWalk Marokko. Er erklärt [fr], warum er die Idee mag:

Personnellement j’adhère au mouvement, par conviction, et par peur. J’ai peur pour ma mère, mes sœurs, mes tantes, ma grand-mère […], et puis j’adhère parce que je vois une lueur d’espoir, même petite mais qui mérite d’être supportée, pour une société qui respecte vraiment les femmes, nos femmes, vos femmes.

Ich persönlich unterstütze die Bewegung aus Überzeugung und auch aus Angst – Angst um meine Mutter, meine Schwestern, meine Tanten, meine Großmutter. Ich bin auch dafür, weil ich einen Hoffnungsschimmer sehe, so klein er auch sein mag, der unterstützt werden sollte, damit unsere Gesellschaft wahrhaftig respektvoll gegenüber unseren Frauen, euren Frauen ist.

In einem Interview mit der lokalen Presse [fr] sagt Majdoline, dass ihre Gruppe unabhängig bleiben will, aber dass es Feministen und Menschenrechtsgruppen in Marokko freisteht, der Gruppe bei der Organisation eines Marsches für Frauenrechte zu helfen.

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers SlutWalks 2011.

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