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Kuba: Wiki-Kabel sagen aus, Regierung sieht Blogger als “größte Herausforderung”

Kategorien: Lateinamerika, Nordamerika, Kuba, USA, Bürgermedien, Internationale Beziehungen, Internetaktivismus, Meinungsfreiheit, Menschenrechte

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Genauso wie Venezuela, Mexiko und Brasilien so war auch Kuba eines der südamerikanischen Länder, auf welches sich die kürzlich veröffentlichten WikiLeaks am meisten bezogen. Die Kabel bestätigten vieles was bereits über die politische Sackgasse, welche die Beziehungen zwischen den beiden Ländern für mehr als 50 Jahre erschwerte, bekannt war. Sie offenbarten aber auch die tiefe Besorgnis der kubanischen Regierung über die politische Wirkung, über die die unabhängigen Blogger der Insel verfügen.

Kabel, die von der US-Interessenvertretung [1] [2] (USINT) in Havana in 2009 (die wichtigsten davon findet man bei El País [3]) abgesandt wurden, zeigen, dass in den Augen von USINT die kubanische Regierung die traditionellen Dissidenten Gemeinschaft nicht als eine ernsthafte Gefahr für die politische Stabilität der Insel sieht und dass diese Bewegung bei der allgemeinen Bevölkerung nur über eine geringe Resonanz verfügt.

Ein Kabel vom 15. April [3] beschreibt die Dissidentenbewegung in Kuba als “so alt und realitätsfremd mit dem Leben der einfachen Kubaner, wie das Regime selbst.” Die hier genannten Dissidenten sind Führer und Gruppen wie Oswaldo Payá [4] und Agenda para la Transición [5], die einen Teil der kleinen, jahrzehntealten Dissidentengemeinde der Insel repräsentieren, die von USINT beträchtliche Unterstützungen in ihrem Kampf gegen die kubanische Regierung erhalten.

Am April 15, 2009, schrieb Jonathan Farrar von USINT [3] wrote:

…… wir sehen nur wenige Beweise dafür, dass die Haupt-Dissidentenbewegungen bei den einfachen Kubanern eine Resonanz finden. Informelle Umfragen bei den Visa- und Flüchtlings-Bewerbern haben praktisch keine Wahrnehmung von Dissidenten-Persönlichkeiten oder Agenden gezeigt.

Da die USINT Visa- und Flüchtlings-Bewerber befragte, eine Gruppe, welche die Raúl Castro Regierung in einer größeren Proportion als die der allgemeinen Bevölkerung ablehnt, sollte diese Informationen für die Dissidentenführer besonders beunruhigend sein. Ironischerweise schrieb Farrar auch “… die Dissidenten haben und werden auch weiterhin eine Schlüsselrolle als Kubas Gewissen spielen und verdienen unsere Unterstützung in dieser Rolle.” Er ging nicht näher darauf ein, wieso diese Gruppen “Kubas Gewissen” darstellen können, wenn sie, wie bereits erwähnt, “mit dem Leben der einfachen Kubaner kaum Berührungspunkte haben.”

In einem Kabel vom 20. Dezember 2009 wird erwähnt, [6] dass die kubanische Regierung Blogger als “die größte Herausforderung” im Bereich der Zivilgesellschaft sieht.

Ein anderes Kabel beschreibt, dass “jüngere Personen, wie Blogger, Musiker und darstellende sowie plastische Künstler viel besser dazu geeignet sind (als traditionelle Dissidenten), um bei der Bevölkerung eine größere Anziehungskraft für einen rebellischen Standpunkt zu erwirken.”

Das Kabel vom 20. Dezember 2009 liest sich wie folgt:

Die wuchernde internationale Popularität der Blogger und ihre Fähigkeiten den Behörden immer einen technischen Schritt im Voraus sein zu können, verursacht dem Regime ziemliche Kopfschmerzen.Die Aufmerksamkeit, die die Vereinigten Staaten XXXXXXXXXXXX schenkten, zuerst dadurch, dass sie sich öffentlich darüber beschwerten, dass sie schlecht behandelt wurde und später dadurch, dass der Präsident ihre Fragen beantwortete, haben die Befürchtungen, dass das Blogger-Problem außer Kontrolle geraten sei, nur noch weiter angefacht.

Der oben redigierte Name gehört zweifellos der bekannten kubanischen Bloggerin Yoani Sánchez, die im November 2009 entführt und geschlagen wurde [7] und die kurz danach ein E-Mail Interview mit Präsident Barack Obama führte. [8]

Im September 2009, beschrieb ein USINT Kabel [9] ein Treffen zwischen Sánchez und der stellvertretenden Assistentin der US Außenministerin Bisa William in Havanna, bei welchem ihr Sánchez mitteilte, dass “eine Verbesserung der Beziehungen mit den Vereinigten Staaten für eine sich entwickelnde Demokratie [in Kuba] absolut notwendig sei.”

Zusammengenommen lassen diese und andere Kabel darauf schließen, dass für USINT gewisse Blogger eine “nächste Generation” von Regierungskritikern und Aktivisten darstellen könnten, welche die US-Regierung wahrscheinlich versuchen wird zu unterstützen, wenn sie es nicht bereits tut.

Rogelio M. Díaz von Bubusopía [10] [es] schrieb, er sei froh, dass die USA erkannt habe, dass Kubas Zukunft in den Händen der kubanischen Jugend liegt und nicht in denen der “alten Garde” der Dissidentengemeinde.

[Es] cierto que no nos sentimos para nada identificados con los fósiles de la contrarrevolución, los que venden al país por treinta monedas… [mientras] siguen apoyando el bloqueo…

[Es ist] wahr, dass nicht alle von uns sich mit den Fossilien der Gegenrevolution identifizieren, jene, die bereit sind ihr Land für dreißig Groschen zu verkaufen… [die gleichzeitig] die Blockade unterstützen…

Er bezweifelte aber die Rückschlüsse der Kabel, dass diese Blogger irgendwie die traditionellen Dissidenten ersetzen oder denselben Zweck (allerdings vergeblich) erfüllen könnten.

Jóvenes como yo, entonces, preferimos como ídolos…aquellos que…repelieron la vileza mercenaria con las armas en la mano…[y] continuaron trabajando y luchando con sus manos, su intelecto y su amor por construir un futuro mejor…

Junge Leute wie ich, ziehen dann lieber als Idole … jene vor … die die geldgierige Verworfenheit mit Waffen in den Händen bekämpften … [und] weiterhin mit Händen, Intellekt und ihrer Liebe, eine bessere Zukunft aufzubauen, mit der Waffe in der Hand kämpfen…

Man muss aber verstehen, dass sich diese Kabel nur auf solche Blogger beziehen, die die Castro-Regierung kritisieren; die sehr kleine Blogging-Gemeinde der Insel umfasst ein breites Spektrum an politischen Positionen, von denen viele den kubanischen Sozialismus unterstützen und auf eine positive Wende hoffen, welche den Herausforderungen entgegentreten und das System, so wie es besteht, stärken kann. Blogs wie Bubusopía stellen einen wichtigen Teil dieser Gemeinschaft dar. Wenn Sie wirklich daran interessiert sind, “Kubas Gewissen” zu verstehen, wären die USINT-Beamten gut beraten, wenn sie alle diese Blogs ernsthaft durchlesen und die hohe Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen in ihren diplomatischen Diskussionen übernehmen würden.


[1] [11] USINT, eine historisch umstrittene Institution, wird von den Meisten als ein Zentrum für Informationsbeschaffung gesehen und als eine Quelle von (nicht autorisierter) Unterstützung für die Dissidenten und für die Verbreitung von USA Propaganda.

[2] [11] Bezieht sich auf USINT Motive.