Chile: Isabel Allende und der Nationale Literaturpreis

Isabel Allende, Autorin von Büchern wie  Das Geisterhaus und dem kürzlich erschienenen Die Insel unter dem Meer, neben zahlreichen anderen Romanen, ist eine der bekanntesten und meistgelesenen lateinamerikanischen Schriftstellerinnen. Dieses Jahr ist sie Kandidatin für den Nationalen Literaturpreis Chiles, eine Auszeichnung, die von der Regierung, dem Bildungsministerium und dem Nationalen Rat für Kunst und Kultur vergeben wird. Ihre Kandidatur rief unter Literaturkritikern, Schriftstellern sowie in der chilenischen Gesellschaft allgemein eine breite Debatte hervor.

Isabel Allende kam in Peru zur Welt als ihr Vater dort als Diplomat tätig war; der Cousin ihres Vaters war Salvador Allende, der Präsident Chiles, der 1973 von Augusto Pinochet durch einen Staatsstreich gestürzt wurde. Isabel Allende lebt heute in Kalifornien. Wie es in der Latin American Herald Tribune heißt, „wurden ihre Bücher in mehr als zwei Dutzend Sprachen übersetzt und 51 Millionen Exemplare ihrer Romane verkauft.“ Dennoch sind manche Kritiker und sogar auch einige Leser nicht der Ansicht, das ihre Popularität allein die Vergabe des Preises an sie rechtfertige.

Isabel Allende auf der TED 2007, von Flickr-Account advencap, unter Verwendung einer CC Lizenz der Attribution-ShareAlike 2.0 Generic

Elizabeth Subercaseaux [es], Journalistin und Schriftstellerin, ist der Meinung, Allende verdiene den Preis und geht folgendermaßen auf die Argumente der Kritiker ein:

Dos son los argumentos que suelen esgrimir unos pocos escritores chilenos para negarle el Premio Nacional de Literatura a Isabel Allende: que es una escritora de tono menor y que sus libros son best-seller, insinuando que ella se ha entregado al mercado.

(….)

En Chile a Isabel Allende la hemos tratado mal, hay a su alrededor una envidia que da vergüenza. La primera vez que se presentó para este premio la insultaron, y hace poco salió un pequeño escribidor por ahí diciendo que premiarla sería como premiar a una hamburguesa. Vergüenza para él.

El Premio Nacional de Literatura es un premio que da el Estado, todos nosotros. Y si hay alguien de quien debemos estar orgullosos es de Isabel Allende, una escritora con sobrados méritos literarios que además posee una estatura moral e intelectual que ningún personaje de nuestro país tiene en la actualidad.

Vor allem zwei Argumente werden von einigen wenigen chilenischen Schriftstellern üblicherweise angeführt, wenn es darum geht, Isabel Allende den Nationalen Literaturpreis zu verwehren: Sie sei eine doch eher triviale Autorin und ihre Bücher seien Bestseller, womit sie andeuten wollen, sie sei den Versuchungen des Marktes erlegen.

(….)

In Chile haben wir Isabel Allende nicht besonders gut behandelt, um sie herum herrscht ein Neid, der beschämend ist. Als sie sich zum ersten Mal für diesen Literaturpreis vorstellte, wurde sie beleidigt, und vor nicht allzu langer Zeit kam ein kleiner Schreiberling von irgendwo daher und behauptete, sie mit einem Preis auszuzeichnen sei so, als würde man einen Hamburger auszeichnen. Schande über ihn.

Der Nationale Literaturpreis ist eine Auszeichnung, die vom Staat vergeben wird, von uns allen. Und wenn wir auf jemanden stolz sein sollten, so ist es Isabel Allende, eine mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Schriftstellerin, zudem von einem moralischen und intellektuellen Format wie heute niemand sonst in unserem Land.

Auf dem Blog Alaraco Bocasuelta [es] wird auch über die Ansichten derjenigen geschrieben, die gegen eine Verleihung des Preises an Allende sind:

Que se discuta la calidad de los candidatos a dicho premio es perfectamente lícito, aunque en estricto rigor ha de ser el Jurado, quien dirima el asunto.

Pero lo que llama la atención es la odiosidad que levanta Isabel Allende en ciertos críticos

(….)

Tan manifiesto es el tono insidioso de ciertas opiniones respecto de nuestra escritora, que pareciera que el éxito ajeno – más aún si aquél es internacional -, en Chile, es un pecado imperdonable.

Es ist völlig angemessen, die Qualität der Kandidaten für die Auszeichnung zu diskutieren, auch wenn es streng genommen die Jury ist, die die Entscheidung trifft.

Was aber bemerkenswert ist, ist der Hass, den Isabel Allende in bestimmten Kreisen hervorruft.

(…)

Die Heimtücke kommt in manchen Äußerungen über unsere Autorin so stark zum Ausdruck, dass es scheinen mag, dass in Chile der Erfolg anderer – umso stärker, ist dieser auf internationaler Ebene – eine geradezu unverzeihliche Sünde ist.

Die Autoren des auf satirische Weise regierungsfreundlichen Blogs Los Libros Buenos [es] veröffentlichen eine Liste mit Gründen, warum sie Allende nicht mögen. Darunter sind auch zahlreiche politische Gründe aufgeführt, die sich im Rahmen der Diskussion um den „Wiederaufbau“ Chiles nach dem Erdbeben 2010 unter der neuen Regierung des rechtskonservativen Präsident Sebastián Piñera bewegen. Hier ist ein Beispiel für einen dieser Gründe:

Su carácter “entretenido”. Se habla mucho de que los libros de Isabel Allende son “entretenidos”. Aunque nosotros valoramos la entretención, creemos que el delicado momento nacional requiere seriedad. Seriedad para trabajar por un Chile nuevo. Trabajar por una cultura reluciente y enchapada de futuro. Los libros de Isabel Allende propenden a la evasión del lector, y no a la difusión y el abrazo de valores, que son el tejido más sensible de una sociedad en forma. No queremos más de eso. No necesitamos más de eso. La patria no necesita más de eso

Ihr „Unterhaltungscharakter“. Oft heißt es, dass Isabel Allendes Bücher „unterhaltsam“ seien. Auch wenn wir Unterhaltung durchaus wertschätzen, denken wir doch, dass die heikle Lage, in der sich unsere Nation momentan befindet, Ernsthaftigkeit erfordert.  Ernsthaftigkeit, um für ein neues Chile zu arbeiten. Arbeiten für eine glänzende Kultur voller Zukunft. Isabel Allendes Bücher neigen dazu, den Leser zu einer Flucht vor der Wirklichkeit anzuregen, anstatt dazu, Werte zu verbreiten und zu verinnerlichen, was doch das empfindlichste Gewebe einer im Aufbau befindlichen Gesellschaft ausmacht. Mehr als das wollen wir nicht. Mehr als das brauchen wir nicht. Mehr als das braucht das Vaterland nicht.

Chilenische Twitter-User nahmen auch an der Debatte teil. Leonardo Zuñiga (@Guileo) findet, Allende verdiene den Preis, aber Sebastián Salazar (@sebsalazar) stimmt nicht mit ihm überein:

no estoy ni ahi con Isabel Allende y el premio Nacional de Literatura…ademas es como q a la JK Rowling le entregaran el simil britanico

Ich bin überhaupt nicht einverstanden mit Isabel Allende und dem Nationalen Literaturpreis… Außerdem ist das so, als würde man JK Rowling die vergleichbare britische Auszeichnung verleihen.

Sebastián Gómez (@SebastianGomezA) meint, er könne besser schreiben als Isabel Allende, und Alejandro Torres (@alejanbarrett) mag es nicht, dass sie sich offenbar so viel Gedanken um den Preis macht. Ähnliche Bedenken äußert Henry Northcote (@henrynorthcote) zu dem scheinbaren Druck ihrer Kandidatur und er fragt sich:

Cual será la agencia de comunicaciones de Isabel Allende. Su lobby para el premio nacional literatura es muy evidente.

Wer ist wohl Isabel Allendes Kommunikationsagentur? Ihre Lobby für den Nationalen Literaturpreis ist sehr offensichtlich.

Tania Soledad Opazo (@Cosalina) schreibt, dass sie genug hat von Isabel Allendes Klagen darüber, dass sie nie den Preise erhält, aber Monica (@monicasanhueza) fragt, warum Chile Allende immer noch nicht mit dem Preis ausgezeichnet hat:

Por que les cuesta tanto darle el premio nacional de literatura a isabel allende? Nadie es profeta en su tierra.

Warum ist es so schwierig, Isabel Allende den Nationalen Literaturpreis zu verleihen? Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.

Schließlich veröffentlicht die Bürgerzeitung El Observatodo [es] die Meinung von Iris Aceitón, einer Frau, die sich selbst mit den Worten vorstellt: “Ich bin keine Künstlerin, Journalistin oder Akademikerin (…) Ich bin die Frau, die viel weniger liest, als ich gerne möchte. Bücher sind wegen ihres Preises auch ein Privileg für ein paar Wenige.” Sie schreibt darüber, dass sie sich mit Isabel Allendes Literatur identifiziert und sagt:

Soy la heroína, valiente, luchadora e imperfecta de cada una de tus novelas. Soy esa mujer chilena que te agradece porque has sabido contarle al mundo los desgarros de tu patria. .

Isabel Allende, en el nombre de las mujeres simples de este Chile nuestro, yo te concedo inapelablemente el Premio Nacional de Literatura.

Ich bin die mutige, kämpferische, unvollkommene Heldin all deiner Bücher. Ich bin diese chilenische Frau, die dir dankt, weil du der Welt vom Leiden deines Landes zu erzählen weißt.

Isabel Allende, im Namen aller einfachen Frauen unseres Chiles, ich verleihe dir unanfechtbar den Nationalen Literaturpreis.

4 Kommentare

  • […] den Nationalen Literaturpreis.” Dieser Beitrag erschien zuerst auf Global Voices. Die Übersetzung erfolgte durch Christina Ruf, Teil des “Project Lingua”. Die Veröffentlichung auf […]

  • Vielen Danken Christina für deine Übersetzung!
    Chilenische pseudo Intellekuelen kritisieren Isabel Allende, ich möchte dich nicht kritisieren sondern looben.
    Ein Zweifel bleibt trotzdem bei mir:
    Als Iris Aceitón das Perfekt-Modus benutzte um auszudrucken wann und wie lange Isabel Allende vom Leiden ihres Landes zu erzählen gewust hat, wir Chilenen (vielleicht anders als Argentiniern, die das Perfekt kaum benutzen) deutlich vestehen: sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Also nicht nur als Isabel das Geisterhaus verfaste, sonder stets bis heute.
    Meine Frage:
    Druckt in der deutsche Sprache das Präteritum “wusstest” die gleiche Bedeutung aus?

  • Le roncmieedo leer a Sábato y a Jorge Luis Borges si le interesan buenos autores de habla hispana.Saludos

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