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Iran: Islamischer Cyber-Militarismus auf dem Vormarsch

Kategorien: Nahost & Nordafrika, Iran, Fotografie, Internetaktivismus, Menschenrechte, Politik, Regierung, Technologie

Das Internet wird im Allgemeinen als ein Bereich für Dialog und friedlichen Austausch angesehen, aber im Fall von Iran, hat sich der politische Konflikt in eine neue Form des Online-“Krieges” verwandelt, in dem die stärksten Waffen diejenigen sind, die die freie Meinungsäußerung zum Schweigen bringen.

Es folgen drei Initiativen – sowohl fehlgeschlagen als auch erfolgreich – die wir wohl als Innovationen des Militarismus im Internet bezeichnen können.

Politisches Hacking

Die iranische Cyber-Armee [1] ist nur ein Beispiel von mehreren militant-islamischen Initiativen, die seit den Wahlen im Juni 2009 [2] nur noch hemmungsloser wurden. Diese Hacker [3]-Gruppe ist vielleicht das stärkste iranische oder mit dem Iran verbundene militante islamistische Projekt im Internet. Sie haben erfolgreich mehrere Webseiten in verschiedenen Ländern ins Visier genommen und zeigen damit, dass das Internet wirklich keine Grenzen hat und dass sogar Webseiten mit berühmten Namen gegen unbekannte Angreifer anfällig sein können.

Die Opfer dieser Armee sind mehr als nur die üblichen Ziele, wie unabhängige iranische Nachrichten-Webseiten Zamaneh [4], oder Green-Movements (Grüne Bewegung), Jaras [5] und Kalameh [6]. Am 18. Dezember 2009 war es ihnen möglich, die internationale Mikro-Blogging-Site Twitter abstürzen zu lassen. Dieser Service wurde von vielen iranischen Demonstranten benutzt, um Schlagzeilen [7] zu schaffen. Die Botschaft [8], die die Gruppe eine Stunde lang hinterlies als Twitter gehackt wurde, zeigt ihre Ideologie:

DIESE (WEB) SEITE WURDE VON DER IRANISCHEN CYBER-ARMEE GEHACKT iRANiAN.CYBER.ARMY@GMAIL.COMU.S.A Denken Sie Kontrollieren Und Managen Internet Durch Ihren Zugang, Aber SIe Tun's Nicht, Wir Kontrollieren Und Managen Internet Durch Unsere Macht, So Versuch Nicht Iranische Menschen Zu Stimulieren … SO, WELCHES LAND AUF EMBARGO LISTE? IRAN? USA?

Auf ihrer eigenen Webseite hat die iranische Cyber-Armee verschiedene Nachrichten und Warnungen hinterlassen [1], unter anderem, dass ausländische Server für iranische (Web) Seiten und Blogs keine Garantie bilden; dass persönliche Informationen über die Webseiten-Eigentümer veröffentlicht werden; und außerdem warnten sie die pro-Grün Webseite Mowjcamp [9]. Schließlich drohten sie damit, dass die virtuelle Attacke nur der erste Schritt sei, doch über weitere Schritte sagten sie nichts.

Aus unbekannten Gründen hackte die iranische Cyber-Armee im Januar 2010 auch die beliebte chinesische Suchmaschine Baidu [10]. Viele Online-Kommentatoren vermuten, dass es etwas mit der Unterstützung der iranischen Grünen-Bewegung durch chinesische Netizen zu tun hat.

Ein fehlgeschlagenes Blogging-Erweiterungs Projekt

Ende 2008 veröffentlichte die islamische Revolutionsgarde [11] (IRGC) eine historische Ankündigung, sie wolle 10.000 Blogs [12]zur Unterstützung der paramilitärischen Basij [13]-Streitkräfte starten. IRGCs offizielle Zeitschrift Sobh Sadegh schrieb, die IRGC betrachten das Internet und andere digitale Geräte einschließlich SMS als eine Bedrohung, die kontrolliert werden muss. Es wurde angekündigt, die 10.000 Blogs würden revolutionäre Ideen fördern. Die IRGC hält das Internet für ein Instrument der “velvet revolution [14]” (samtene Revolution) (gewaltloser Sturz der Regierung durch ausländische Einflüsse) und warnte, feindliche Nationen hätten in dieses Tool investiert, um das islamische Regime zu stürzen. Das Projekt wurde niemals verwirklicht, doch wäre es das größte militärische Blogging-Projekt gewesen.

Sourcing Identitäten bei der Volksmenge

Im März 2009 ging die IRGC hart [15] gegen mehrere Gruppen vor, die anti-islamische und pornografische Internetseiten eingerichtet hatten. Etwa zur gleichen Zeit, begann die Einheit im Kampf gegen organisierte Verbrechen der IRGC eine Webseite namens Gerdab [16] (bedeutet ‘Vortex’) zu starten, auf welcher Nachrichten und Fotos von festgenommenen Personen veröffentlicht wurden. Im Laufe der Proteste nach den Wahlen in 2009 veröffentlichte Gerdab Fotos von Demonstranten [17] und bat die iranische Bevölkerung bei der Identifizierung zu helfen. Islamisten durchforschten die virtuelle Welt, [18] um reale Menschen zu finden.

Die iranische Cyber-Armee hat einige der Gerdab Charakteristiken, doch gibt es keine wirklichen Beweise einer offiziellen Verbindung zwischen beiden. Irans offizielle Nachrichten/Propaganda-Agentur, IRNA, behauptete einmal [19], die iranische Cyber-Armee sei ein IGRC-Projekt, aber das wurde nie bestätigt. Es ist unbekannt, wer die Hacker sind oder wo sie ihren Sitz haben, nur, dass sie die “Webseiten der iranischen Opposition” im Blickfeld haben.

Zwei iranische Blogger, die darum baten anonym zu bleiben, spekulierten sogar, dass die iranische Cyber-Armee ihren Sitz in China haben könnte oder dass sie von chinesischen Hackern unterstütz würde, und dass der Angriff auf Baidu ein Versuch gewesen sein mag, dies zu vertuschen.

Der Tod des Dialogs

Der Traum des Internets ist doch, dass es eine virtuelle Umgebung schaffen sollte, wo Islamisten und Nicht-Islamisten Dialoge führen könnten und nicht aufeinander schießen. Wir haben einige kleinere Beispiele davon gesehen. Zum Beispiel diskutierten islamistische und nicht-islamistische iranische Blogger vor ungefähr dreieinhalb Jahren Online die Vor- und Nachteile des Martyriums [20]. Heute liegt der Schwerpunkt auf beiden Seiten bei der Verstärkung sowohl die virtuelle als auch die reale Welt zu beseitigen.

Es ist nur fair zu erwähnen, dass die Anhänger der iranischen Opposition ähnliche Angriffsmethoden angewandt haben. Eine Gruppe, die sich die ‘Green Cyber-Army’ [21] nennt, griff in 2010 eine Basij-Militia Webseite an (moghavemat.ir [22]) und hat andere bedroht; mehrere Pro-Oppositions Blogger haben Fotos von Leuten hochgeladen, die angebliche [17] Undercover-Sicherheits-Agenten seien; und das Hacken von staatlichen Webseiten durch anonyme Gruppen gehört zur Tagesordnung.

Die Opfer all dieser Aktivitäten sind nicht nur die gehackten Webseiten, sondern auch das Zukunftspotenzial der Kommunikation und besseren Verständigung zwischen iranischen Bürgern Online.