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Schwangerschaft und Gefängnis: Gesundheit und Rechte der Frauen hinter Gittern

Kategorien: Lateinamerika, Nordamerika, Ost- und Zentraleuropa, Ostasien, Argentinien, Brasilien, Ecuador, Laos, Peru, Russland, Spanien, USA, Bürgermedien, Fotografie, Gesundheit, Humanitäre Hilfe, Jugend, Menschenrechte, Conversations for a Better World

Verdienen alle schwangere Frauen gleiche menschliche Rechte oder haben schwangere Frauen im Gefängnis diese Rechte verloren?

Denkt man darüber nach, so tauchen immer ein paar Fragen auf, ob eine Frau, die für irgendwelche Kriminalitäten verurteilt worden ist, ein Recht darauf hat ein Leben zu führen und ihr Kind aufzuziehen:

⁃ Wie fühlen sie sich hinter Gittern, wenn sie schwanger sind und ein Kind erwarten?
⁃ Sollte es Vorrechte geben, wenn es auch andere Frauen außerhalb der Vollzugsanstalt
gibt, die keine medizinische Hilfe erhalten?
⁃ Sollte Schwangerschaft alle andere legalen Bedingungen außer Kraft setzen, um die Menschenrechte einer schwangeren Frau zu wahren?

USA: In Wehen liegende Frauen nicht mehr fesseln.
Können Sie sich eine Frau bei der Geburt eines Kindes vorstellen, mit den Händen in Handschellen und die Füße an die Bettpfosten gekettet? Malika Saada Saar [1], Gründer und Direktor von Rebecca Project for Human Rights [2] erzählt uns von dieser Praxis, die es in den Vereinigten Staaten immer noch gibt, wo Frauen, die im Gefängnis sitzen, routinemäßig während der Wehen und Geburt angekettet werden, eine allgemeine Vorgehensweise in einigen Vollzugsanstalten, obgleich dies für die Gesundheit der Mutter und des Kindes gefährlich ist. Es folgt ein Video Interview [3], das in dem gleichen Artikel für RH Reality Check erschienen ist, eine online Gemeinschaft über sexuelle und reproduktive Rechte, die Informationen und Analysen für reproduktive Gesundheit gibt:

Was geschieht mit dem Kind der Insassin nach der Geburt?

Jedes Land hat unterschiedliche Vorschriften über Kinder im Gefängnis. In Argentinien zum Beispiel, gemäß Ajintem, einem Informations-Portal für Migrations-Informationen, wurde letztes Jahr ein Gesetz erlassen [4], das vorschreibt, schwangere Frauen, Frauen mit Kindern unter 5 Jahren und solche mit behinderten Kindern dürfen ihre Gefängnisstrafe unter Hausarrest ableisten. Dieses Gesetz hilft nicht nur der Mutter, die während ihrer Schwangerschaft im Gefängnis nicht die richtige Pflege erhält, sondern auch dem Kind, dass entweder in einer unsicheren Umgebung, beraubt jeder Freiheit und unzureichender Gesundheitskontrolle und Nahrung, aufwachsen würde, oder von seiner Mutter getrennt aufgezogen würde, was wieder eine ganz andere Serie von Problemen aufwerfen würde. Die Richter sollen jedoch dem Geist dieses Gesetzes folgen und diese Erlaubnis nur jenen Frauen gewähren, die nicht in brutale Verbrechen verwickelt sind, damit der Rest der Zivilbevölkerung Schwangerschaft nichts als eine Freikarte für einen Gefängnisaufenthalt ansieht.

In den Kanarischen Inseln, gemäß dem ‘Prisiones y Penas’ Blog, der über Fragen in Bezug auf Gefängnisse und Zuchthäuser schreibt, dürfen die Frauen ihre Kinder bis zum Alter von 3 Jahren [5] in ihren Zellen behalten, aber in Begleitung anderer Insassen, welches nicht gerade das beste Umfeld ist. Schwangeren Frauen oder Frauen mit Kindern unter 3 Jahren wird deshalb beim Eintritt in das Gefängnis gesagt, dass es für das Kind nicht gut ist, hinter Gittern aufzuwachsen, und ihnen wird die Möglichkeit angeboten, das Kind an Familienmitglieder abzugeben. In Peru [6] und Russland [7] wird genauso gehandelt. In den Vereinigten Staaten gibt es nur zwei Vollzugsanstalten, die das erlauben, eine in New York und die andere in Nebraska. Darüber berichtet die berühmte Fotografin Jane Evelyn Atwood [8] in ihrer dreiteiligen Foto-Dokumentation ‘Amnesty International, called Too Much Time [9]’, in der sie über Ihre Besuche von Dutzenden von Gefängnissen in der ganzen Welt berichtet und das Leben der Insassen dokumentiert.

Warum verbietet das Strafvollzugsystem in den USA den Frauen ihre Babies zu behalten? Atwood erklärt, dass dies aufgrund der Geisel-Gefahr nicht erlaubt ist. In dem Gefängnis-Fotografie Blog [10] wird diese Behauptung aufgegriffen:

Kinder werden in dem meisten US-Gefängnissen nicht aufgenommen. Als Grund wird die Sicherheits-Bedrohung genannt: Ein Kind in einem Gefängnis sei ein ständiges, verletzbares Ziel für Leben und Geiselnahme. Diese Behauptung erscheint etwas fingiert, wenn man die Strafvollzugsysteme in anderen Ländern in Erwägung zieht.

Die Atwood Dokumentation auf der Webseite von Amnesty International hat einen Abschnitt über die Geburt in Ketten, wie in Vanessas Baby [11] erzählt wird, und einen anderen über Gefängnissysteme und Mutterschaft [8], mit Fotos von Frauen, bei denen die Fotografin aus ihren Essays über ihre Erfahrungen bei dem Besuch von Gefängnissen und ihre Fotografien vorliest.

Schwangerschaft zum Verhandeln?
Warum sind die Rechte von schwangeren Frauen im Gefängnis so umstritten? In ‘Russia Today’, einer Radiosendung, wird dieses Thema [7] bei der Diskussion über Kinder behandelt, die in dem russischen Strafvollzugsystem geboren und aufgezogen werden.

Skeptiker glauben einige Mütter werden absichtlich schwanger, nur um ein einfacheres Leben im Gefängnis zu haben: Krankenhaus-Aufenthalt, viel Zeit mit ihrem Kind – ist alles viel besser, als in einer steinernen Zelle zu sitzen, behaupten sie.

Und es gibt Frauen, die glauben, Schwangerschaft ist die einzige Möglichkeit einer Verurteilung zu entgehen. Das war der Fall im letzten Juni, als eine Engländerin in Laos für Drogenschmuggel eingekerkert und zu Tode verurteilt worden war, im Gefängnis schwanger wurde und damit der Hinrichtung entkam, weil die Regierung in Laos eine schwangere Frau nicht hinrichtet. Es wurde behauptet [12], gemäß dem ‘Daily Express’, einer englischen Tageszeitung, dass sie künstlich befruchtet wurde “um einen milderen Urteilsspruch zu erreichen”.

Mit eigenen Worten: Frauen erzählen von ihren Kindern und dem Gefängnisleben
Geraldin Rodríguez, eine Argentinierin, die ihre Zeit in einem Gefängnis von Ecuador für Drogenschmuggel verbringt, erzählt Marcos Brugiati [13], dem Autor der mit Kunst verbundenen online Publikation Plastica-Argentina [14], ihre Geschichte über Schauspielerei und Aufführungen im Gefängnis, über schwanger werden und ihr Kind im Gefängnis zur Welt zu bringen. Es wurde ihr erlaubt, ihr Kind bei sich zu behalten, doch entschied sie sich dafür, dass das Kind frei aufwachsen sollte:

“Decidí que salga para vivir, tenía miedo que sufra de grande los traumas que hoy tengo. Se lo llevó al año mi hermano quien se hice cargo con su esposa”.

Ich entschied mich, er sollte mich verlassen um leben zu können. Ich befürchtete, er würde unter den gleichen Traumas leiden, die ich heute habe. Nach einem Jahr nahm mein Bruder ihn mit und zieht ihn zusammen mit seiner Frau auf.

Juvinete ist in einem spanischen Gefängnis [15] und war schwanger, als sie wegen Drogendelikten eingesperrt wurde. Sie erzählte der spanischen Zeitung NorteCastilla [15] ihre Geschichte. Drei Jahre, nachdem sie ihr Baby im Gefängnis zur Welt gebracht hatte, musste das Kind sie verlassen und wurde an eine Pflegefamilie übergeben. Juvinete sieht ihre Tochter alle 15 Tage und jeden zweiten Monat erhält sie 2 Wochen Urlaub um mit ihr zusammen zu sein. Alles sieht jedoch nicht so rosig aus: es besteht die Möglichkeit, dass Juvinete in ihr heimatliches Brasilien deportiert wird und sie befürchtet die Folgen, die das für ihr Kind haben könnte. Sie hat einen Rat für jede Frau, die im Gefängnis schwanger werden will:

-Intento convencerlas para que no se queden en estado dentro porque ver a un niño privado de libertad es muy duro, es irresponsable. Ellos no tienen que pagar nuestros errores.

Ich versuche sie davon zu überzeugen nicht schwanger zu werden, solange sie drinnen sind, denn zusehen zu müssen, wie ein Kind seiner Freiheit beraubt wird, ist sehr schwer, es ist unverantwortlich. Sie sollten nicht für unsere Fehler zahlen müssen.

In Woman and Prison [16] (Frauen und Gefängnis), eine Webseite, welche die Erfahrungen der Frauen im Strafvollzugsystem sichtbar machen will, spricht Kebby Warner über ihre eigene Schwangerschaft [16] in einem Gefängnis in den Vereinigten Staaten und wie sie während ihrer Schwangerschaft, den Wehen und danach behandelt wurde, als ihr das Kind weggenommen wurde. Hier ist ein Auszug, wo sie über den Geburtsvorgang schreibt:

Während der Wehen darf niemand in den Entbindungssaal. Meine Familie wusste noch nicht einmal, dass ich in den Wehen lag oder sie hatte, bis nachdem ich das Krankenhaus verließ. In diesen drei Tagen blieben einige der Wächterinnen im Zimmer, aber wenn die Krankenschwester sie darum bat, draußen zu sitzen, folgten sie meistens dieser Bitte. Ich habe Schauergeschichten gehört in denen Frauen an das Entbindungsbett gekettet wurden. Ich bin so dankbar, dass ich diese Erfahrung nicht machen musste. Die meisten Krankenschwestern behandelten mich wie einen Menschen, nicht wie eine Gefangene.

In Women and Prison [17] können Sie weitere Zeugenberichte lesen, sowie über das Aufwachsen mit Eltern im Gefängnis und die verschiedenen Auswirkungen, die eingekerkerte Frauen auf ihre Kinder haben.
So, was denken Sie? Auf der ganzen Welt gibt es schwangere Frauen, die keine Gesundheitspflege irgendwelcher Art erhalten. Ist es richtig, dass speziellen Anstrengungen zugunsten von Frauen in Gefängnissen gemacht werden? Gibt es einen Unterschied zwischen den Frauen, die eine Strafe in einer Strafanstalt absitzen, und denen die draußen sind? Sollen sie unterschiedlich behandelt werden?

Das Bild, welches diese Post illustriert, stammt aus “17. November” von daquella manera. [18]