Demokratische Republik Kongo: Neue Massentötungen – die Medien berichten kaum darüber

Während die Kämpfe in Nord-Kivu – durch die 250000 Menschen im Jahr 2008 vertrieben wurden – in letzter Zeit abgeflaut sind, gibt es jetzt Berichte über Massentötungen in einem anderen Teil Kongos. Die Widerstandsarmee des Herrn (Lord's Resistance Army – LRA), eine ugandische Rebellengruppe, hat sich in der Region Haut-Uélé in der Nähe der Grenze zum Sudan ausgetobt. Die Angriffe kamen als Antwort auf Militäroperationen gegen LRA-Stützpunkte in der Umgebung des Garamba-Nationalparks, die ugandische, südsudanesische und kongolesische Truppen im Dezember begonnen hatten. Wie die Nichtregierungsorganisation Caritas berichtet [en] wurden seit dem 25. Dezember über 400 Menschen im Umkreis der Städte Faradje, Duru, Bangade, Gurba und Doruma getötet:

The Director of Caritas Dungu-Doruma says that the Ugandan rebels attacked a Christmas Day concert in Faradje City organised by the Catholic church there. He says the rebels returned the next morning to continue their killing spree. He says approximately 150 people were killed over the two days.

At the same time, another attack was perpetrated in Duru, north of Dungu. Caritas reports 75 people killed and the Church burned down.

Caritas reports that the killing continued along the Sudan border, including in Bangadi, Doruma and Gurba. Caritas reports 48 dead in Bangadi and that in Gurba 213 people were killed. Approximately 6,500 people have found refuge in the area with the Catholic church.

Caritas also reports that children are being abducted by the LRA, who use them as child soldiers.

Der Direktor der Caritas Dungu-Doruma sagt, dass die ugandischen Rebellen ein Weihnachtskonzert in der Stadt Faradje angegriffen haben, dass von der dortigen katholischen Kirche veranstaltet worden war. Er sagt, die Rebellen kamen am nächsten Morgen zurück um lustig weiter zu morden. Er sagt, dass im Laufe der zwei Tage ungefähr 150 Menschen getötet wurden.

Zeitgleich wurde ein weiterer Angriff auf Duru, nördlich von Dungu verübt. Die Caritas berichtet über 75 Tote und darüber, dass die Kirche niedergebrannt worden sei.

Die Caritas berichtet, dass die Tötungen sich entlang der sudanesischen Grenze fortsetzten, was Bangadi, Doruma und Gurba miteinschließt. Die Caritas berichtet über 48 Tote in Bangadi und dass in Gurba 213 Menschen getötet worden seien. Ungefähr 6500 Menschen hätten durch die katholische Kirche einen Unterschlupf in der Gegend erhalten.

Die Caritas berichtet auch, dass die LRA Kinder entführt hat um sie als Kindersoldaten zu benutzen.

Das Team der MSF (Ärzte ohne Grenzen) in Dungu erhielt folgenden Bericht [en] aus der Stadt Faradje:

First information on the attack on Faradje, a city of 25,000 people in northeastern DRC, reached the MSF team in Dungu on the evening of Christmas Day. […] On the following morning, a nurse form Tadu, a small town 20 km south of Faradje, signaled by radio the arrival in his area of thousands of people fleeing the attack, probably around 15,000. The nurse confirmed that Faradje’s head physician and another civil servant had been killed in the attack. According to him, many seriously wounded victims were still stuck in the city’s hospital, which was left without proper equipment following looting by LRA soldiers.

Die ersten Informationen über den Angriff in Faraje, einer Stadt von 25000 Einwohnern in Nordost-Kongo erreichten das MSF-Team am Abend des Weihnachtsfeiertags. […] Am Morgen darauf gab ein Krankenpfleger aus Nadu, einer kleinen Stadt 20 km südlich von Faradje, per Funk die Ankunft von tausenden von Menschen durch, wahrscheinlich ungefähr 15000. Der Krankenpfleger bestätigte, dass der leitende Arzt in Faradje und ein weiterer Beamter bei dem Angriff getötet wurden. Wie er berichtet, sitzen viele schwerverletzte Opfer im städtischen Krankenhaus fest, das wegen der Plünderungen der LRA-Soldaten ohne adäquate Ausrüstung ist.

Der Caritas-Blog zeigt drei Bilder von Überlebenden der Morde an Weihnachten in Faradje von Emmanuel Bofoe:

(Foto: Emmanuel Bofoe von Caritas International)

Der Naturschutz-Blog des Netzwerks WildlifeDirect berichtet über einen LRA-Angriff [en] auf die Zentrale des Garambe-Nationalparks am 2. Januar:

Despite strong resistance by the park rangers together with elements from the Congolese Armed Forces, numerous casualties and material damages have been incurred. A first report mentions 8 people killed, including two park rangers and two wives of wardens, and 13 injured, most of them by bullets. An unconfirmed number of rebels have also been killed or wounded.

Several essential buildings of the headquarters have also been destroyed, along with many items of transport and communications equipment, and stocks of fuel and food rations.

Trotz starken Widerstands der Ranger des Parks zusammen mit Einheiten der kolongesischen Streitkräfte erlitten wir zahlreiche Todesfälle und Materialschäden. Ein erster Bericht erwähnt die Tötung von 8 Menschen, darunter zwei Park Ranger und zwei Ehefrauen der Wächter und 13 Verletzte, die meisten davon durch Schusswunden. Eine unbestätigte Anzahl Rebellen wurden auch getötet oder verwundet.

Verschiedene unverzichtbare Gebäude der Zentrale wurden auch zerstört, zusammen mit vielen Teilen der Transport- und Kommunikationsausrüstung und Treibstoffvorräten und Lebensmittelrationen.

In einem anderem Post beschreibt der Baraza-Blog [en] die Situation in dem Gebiet als „viel schlechter als vorher“:

One person has described the outcome of this failed military offensive against the LRA as the equivalent of “stirring up a hornets nest”

Eine Person hat das Ergebnis dieser gescheiterten Militäroffensive gegen die LRA beschrieben als ein Äquivalent zum „Aufrühren eines Hornissennests“.

Dahee Nam berichtet [en] auf Impunity Watch Africa, dass am Sonntag, dem 4. Dezember in der Region ein weiterer Angriff gestartet wurde, es aber keine Todesfälle gab, da die Angriffsziele schon vor der Ankunft der Rebellen geflohen waren.

Michael Kleinman vom Humanitarian Relief Blog kommentiert die humanitäre Situation [en] in dem Gebiet:

In addition, as many as 30,000 villagers have fled the area. According to a recent IRIN article – Deadly LRA attacks prompts exodus in northeastern Congo – aid agencies are struggling to reach those in need: “The military operations and the LRA presence make it very difficult for humanitarian agencies to operate, and some areas are currently totally inaccessible to aid workers.”

Außerdem sind mindestens 30000 Dorfbewohner aus dem Gebiet geflohen. Nach einem vor kurzem erschienen IRIN-Artikel – Todbringende LRA-Angriffe erzeugen Exodus in Nordost-Kongo – kämpfen die Hilfsorganisation darum die Bedürftigen zu erreichen: „Die Militäroperationen und die LRA-Präsenz erschweren die Arbeit der Hilfsorganisationen sehr, und manche Gebiete sind vollständig unzugänglich für ihre Mitarbeiter.“

Kakaluigi, ein italienischer Missionar, der in Ost-Kongo arbeitet, vergleicht die Medienreaktion auf diese Massaker in Ost-Kongo mit denen im Gaza der letzten Zeit in einem Post unter dem Titel „Skandal!“ [fr]:

À Gaza ( Palestine) les Israeliens viennent de massacrer 400 personnes en l'espace d'une semaine, il y'a eu manifestation à travers le monde et les mèdias de tout genre ne font que nous bombarder avec leurs images de sang et de morts.

À Dungu- Faradje (RDC) c'est en presence de la Monuc que la Rébellion Ougandaise vient d'assassiner plus de 400 personnes en l'espace d'une journée, mais silence total à travers le monde, pas une image et même pas une journée de deuil au pays concerné.

In Gaza (Palästina) haben die Israelis gerade 400 Menschen massakriert im Laufe einer Woche, es gab Demonstrationen auf der ganzen Welt und die Medien aller Art machen nichts anderes, als uns mit ihren Bildern von Blut und Toten zu bombardieren.

Im kongolesischen Dungu-Faradje haben gerade in Anwesenheit der MONUC ugandische Rebellen 400 Menschen an einem Tag ermordet, aber Stille herrscht auf der ganzen Welt, kein Bild und nicht einmal ein Trauertag in dem betroffenen Land.

In einer ähnlichen Stimmung fragt sich [fr] Hugues Serraf, der auf La tribune du vaticinateur auf Rue 89 bloggt:

Si un mort israélien vaut plusieurs morts palestiniens, combien faut-il de cadavres congolais pour un linceul gazaoui?

[…] Comment un conflit qui a déjà fait quatre millions de morts en dix ans, et tue encore plus d’un millier de civils chaque jour du fait du chaos alimentaire et sanitaire qu’il entraîne, peut-il être aussi peu couvert? Comment les 271 victimes de la LRA (hypothèse basse, rappelons-le) de ces dernières semaines ont-elles pu échapper à la vigilance de nos reporters, de nos analystes, voire de nos manifestants?

Wenn ein israelischer Toter mehrere palästinensische Tote wert ist, wieviele kongolesische Leichen braucht man für ein Leichentuch aus Gaza?

[…] Wie kommt es, dass über einen Konflikt, der in zehn Jahren schon vier Millionen Menschen getötet hat und immer noch mehr als tausend Zivilisten jeden Tag tötet als Folge des Lebensmittel- und Gesundheitschaos, immer noch so wenig berichtet wird? Wie konnten die 271 Opfer der LRA (nicht vergessen: eine vorsichtige Schätzung) in den letzten Wochen der Aufmerksamkeit unserer Reporter, ja sogar unserer Demonstranten entgehen?

Beendet den Krieg in Nord-Kivu, ein Blog eines Mitarbeiters einer internationalen Hilfsorganisation in Ost-Kongo, denkt nach [en] über das „Ignorieren von afrikanischen Kriegen in der westlichen öffentlichen Meinung und den westlichen Medien“:

I am convinced that the thunderous silence of Western media regarding horror in African conflicts entails an enormous, and unavoidable, ethic question. If five million people die in a given place, we as human beings have the obligation to know that this has happened. It is a moral obligation. We must know, the same way that we all know that millions of Jewish men, women and children were exterminated in Germany in the Second World War. However, we don´t know that more than five million Congolese have died as a result of the war since 1998.

Citizens of an information age have a right to know about it, and victims have a right for their suffering to be told, and known.

Ich bin überzeugt, das die donnernde Ruhe der westlichen Medien in Bezug auf den Horror in den afrikanischen Konflikten eine riesige und unvermeidbare ethische Frage nach sich zieht. Wenn fünf Millionen Menschen an einem wohldefinierten Ort sterben, haben wir als menschliche Wesen die Verpflichtung, zu wissen, dass das passiert ist. Es ist eine moralische Verpflichtung. Wir müssen es wissen, genauso wie wir alle wissen, dass Millionen von jüdischen Männern, Frauen und Kindern in Deutschland während des zweiten Weltkriegs vernichtet wurden. Aber wir wissen nicht, dass mehr als fünf Millionen Kongolesen seit 1998 in der Folge des Krieges gestorben sind.

Die Bürger eines Informationszeitalters haben das Recht, darüber Bescheid zu wissen, und die Opfer haben das Recht, dass über ihr Leiden berichtet und Bescheid gewusst wird.

2 Kommentare

  • Pingback: TheDelayTimes

    […] ich erst am 20. Januar 2009 im letzten Satz eines FAZ-Artikels gefunden, wobei es schon vorher auf privaten Seiten zu entdecken war.  Deshalb habe ich dies mit in die Grafik eingetragen. ▶ Comment /* 0) […]

  • Wir möchten einen Reporter in den Kongo schicken, um über eine kirchliche Orga zu berichten. Wie gefährlich könnte das sein. Danke für eine schnelle Antwort.

    Karl-Peter Kress

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