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Madagaskar: 1,3 Millionen Hektar an südkoreanischen Konzern verpachtet?

Kategorien: Bürgermedien

Südkorea hat vor kurzem die Hälfte alles bebaubaren Landes in Madagaskar gepachtet, wie die Financial Times berichtet. Das hat eine ziemliche Debatte in der Blogosphäre Madagaskars über die Souveränität des Landes und die ökonomische Entwicklung ausgelöst. Es steht noch nicht fest, ob der Pachtvertrag wirklich schon von beiden Seiten unterzeichnet wurde. In der Zwischenzeit diskutieren Blogger, ob ein solcher Vertrag als „Neokolonialismus [1]“ betrachtet werden müsse.

Hier eine Übersicht über die bisher bekannt gewordenen Tatsachen:

Am 19. November berichtete [2] die Financial Times über den Vertrag zwischen dem südkoreanischen Unternehmen Daewoo Logistics [3] und der Regierung Madagaskars.

Auf dem Blog Global Dashboard fasst Alex Evans die Befunde zusammen [4]:

South Korea has just struck a 99 year deal with Madagascar to lease an area half the size of Belgium to grow palm oil and no less than half of South Korea’s corn demands [..] Carl Atkins, of consultants Bidwells Agribusiness, said Daewoo Logistics' investment in Madagascar was the largest it had seen. “The project does not surprise me, as countries are looking to improve food security but its size it does surprise me.”

Südkorea hat gerade einen Vertrag abgeschlossen, eine Fläche halb so groß wie Belgien zu pachten, um Palmöl und mindestens die Hälfte von Südkoreas Bedarf an Mais anzubauen. […] Carl Atkins von der Consulting-Firma Bidwells Agribusiness sagte, die Investition von Daewoo Logistics in Madagaskar sei die größte ihm bekannte. “Das Projekt überrascht mich nicht, weil [die] Länder versuchen, die Sicherheit ihrer Lebensmittel[versorgung] zu verbessern, aber seine Größe überrascht mich.”

Einige Stunden später ergänzte ein Folgeartikel [5] in der Financial Times, dass Daewoo Logistics keine Pachtgebühren zu zahlen brauche, sondern stattdessen die Mittel zur Bearbeitung und zur Entwicklung des Landes bereitstellen würde.

Alex Evans zitiert aus dem zweiten Artikel und sagt dazu es sei noch schlimmer, als er gedacht hätte [6]:

A few hours later, a truly astonishing new angle on the story emerged. Guess how much South Korea had paid for its 99 year lease? Answer: Zip. Zero. Nada. Not a cent. The sum total of the benefits for Madagascar, according to a Daewoo spokesman? “We will provide jobs for them by farming it, which is good for Madagascar.” This in a country where 3.5% of people are on WFP food aid…

The benefits for South Korea, on the other hand:

“We want to plant corn there to ensure our food security. Food can be a weapon in this world,” said Hong Jong-wan, a manager at Daewoo. “We can either export the harvests to other countries or ship them back to Korea in case of a food crisis.”

Ein paar Stunden später kam ein wirklich erstaunlicher Blickwickel der Sache zutage. Ratet mal, was Südkorea für seine 99 Jahre Pacht gezahlt hat? Antwort: Klick. Nichts. Nada. Keinen Cent. Der Nutzen unterm Strich für Madagaskar, nach einem Daewoo-Sprecher? „Wir werden Arbeitsplätze bereitstellen, indem wir es bebauen, und das ist gut für Madagaskar.“ Das in einem Land, wo 3,5% der Menschen von Lebensmittelhilfe des WFP (Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen) leben…

Der Nutzen für Südkorea, auf der anderen Seite:

„Wir möchten dort Mais pflanzen, um unsere Lebensmittel[versorgung] zu sichern. Lebensmittel können eine Waffe sein auf dieser Welt,“ sagt Hong Jong-wan, ein Daewoo-Manager. „Wir können die Ernte entweder in andere Länder exportieren, oder sie im Fall einer Lebensmittelkrise zurück nach Korea transportieren.“

Foto: Foko-Madagascar [7]

Die Regierung Madagaskars muss erst noch eine offizielle Stellungname zum Thema bekannt geben. Reuters berichtet [8], dass das Geschäft noch lange nicht abgeschlossen sei. Daewoo Logistics hat hingegen verschiedene Stellungnahmen herausgegeben, die die Glaubwürdigkeit der Artikel anfechten.

Robert Koelher, bloggt aus Seoul auf The Marmot’s Hole und beschreibt die Argumente des südkoreanischen Unternehmens [9]:

In another report [10], the Maeil Gyeongje said experts believe the FT report, with its provocative talk of “neo-colonialism” and “pirates,” was intended as a warning against an increased Asian presence in Africa, long considered Europe’s backyard. The piece did include a quote from a Daewoo Logistics official, however, who said Madagascar was quite sensitive about this issue because when China invests, it only goes after its own profits [..]

The JoongAng Ilbo, meanwhile, released an editorial blasting the FT [11], asking why the paper was turning a blind eye to British Jatropha farms in Madagascar (used for biodiesel fuel) and French plantations on the island while going after a Korean company only. And besides, the land Daewoo is acquiring is undeveloped, the new farms will provide employment, and the Madagascar government will be taking a 30% cut of the farm profits in taxes.”

In einem weiteren Bericht [10] sagte die [südkoreanische Wirtschaftszeitung] Maeil Gyeongje, dass Experten denken, der Bericht der Financial Times mit seiner provokanten Wortwahl von „Neokolonialismus“ und „Piraten“ ziele darauf ab, vor einer stärkeren asiatischen Präsenz in Afrika zu warnen, das lange als Hinterhof Europas angesehen worden sei. Der Artikel zitiert jedoch einen leitenden Mitarbeiters von Daewoo Logistics, der sagte, Madagaskar sei sehr empfindlich in dieser Hinsicht, denn wenn China investiere, würde es sich nur nach den eigenen Profiten richten […]

Die [südkoreanische Zeitung] JoongAng Ilbo veröffentliche zwischenzeitlich einen Kommentar, der die Financial Times hart angriff [11] und die Frage aufwarf, warum die Zeitung die Augen verschließe vor britischen Jatropha-Farmen und französischen Plantagen und sich unterdessen nur auf ein koreanisches Unternehmen stürze. „Außerdem ist das Land, das Daewoo erwirbt, nicht entwickelt, und die Regierung Madagaskars wird 30% Steuern auf die Gewinne der Bewirtschaftung auf erheben.“

Die Reaktionen in der madagassischen Blogosphäre auf die Pachtverträge fielen hitzig und sehr verschieden aus:

Die Website der madagassischen Diaspora Sobika berichtete über den Geschäftsabschluss [12] (Französisch, mit Info-Karte) einige Augenblicke nach der Financial Times und forderte ihre Leser auf, zu handeln. In einem Folgeartikel [13], spekuliert Sokiba, dass der im Internet geäußerte Zorn das Unternehmen veranlasst habe, die Vertragsbedingungen zu leugnen [Fr].

Der Zorn ist aber weit davon entfernt, einstimmig zu sein. Einige Bloggers glauben, dass der Pachtvertrag Madagaskar nutzen könnte, da er die Produktivität [mancher] Landstriche erhöhe. Aiky sagt dazu [14] [Mg] auf dem Blog Malagasy Miray:

Ny tombontsoa indray kosa raha jerena amin’ny saina tsy miangatra dia :

– ny fanomezana asa ireo tantsaha eny ambanivohitra ka miteraka fidiram-bola maharitra ho azy ireo izany.

– ny fanajariana ireo tany izay tsy noeritreretina fa afaka ambolena na ihany koa tany ngazana ka rahatrizay vita ny fifanarahana izany hoe afaka zato taona dia mba ho moramora ho an’ireo taranaka fara aman-dimby ny hampiasa sy hamboly azy (raha tsy lasa fanan’olom-bitsy indray avy eo)

– raha misy fidiram-bola maharitra ireo tantsaha dia mety ho hita ihany koa ny fiatraikan’izany ka mahasoa ho an’ny manodidina na “effet d’entraînement”. […]

-Asa na tafiditra ao anaty fifanarahana fa mety hihatsara ihany koa ireo lalana sy tambanjotra misy any amin’ireo faritra.

– afaka mifehy ny fiakarana an-tanandehibe ny mpitondra raha misy asa eny ambanivohitra (maîtrise de l’exode rural)

Die Vorteile aus einer weniger emotionalen Perspektive:

– Die neuen Beschäftigungsaussichten für Bauern, die in der Folge zu einer zusätzlichen Quelle von Einkünften führen.

– Die Bewirtschaftung von Ländereien, von denen man bisher gedacht hatte, sie seien von geringem Wert und die nach der Pacht weiterhin bearbeitet werden können.

– die Kettenreaktion eines solchen Zuwachses an Einkünften […]

– die eventuelle Verbesserung des Zustands von Hauptstraßen und anderer Infrastruktur in diesem Landesteil.

– Ein Anreiz, der möglicherweise den Exodus aus den ländlichen Gebieten stoppt.

Auf The Cyber Observer, hatte ein Jurist und Blogger aus Antananarivo, Andrydago die erstaunliche Voraussicht [15], die juristische Frage der Souveränität des Landes und ausländischer Investitionen aufzugreifen, im Oktober, einen ganzen Monat vor der Kontroverse. Es fällt auf, dass die Gesetze, die diese Pacht erlauben, dieses Jahr geändert wurden:

Recently, the new Malagasy investment law: act 2007-036 of January 14th, 2008, has brought a very key change concerning the possibility for foreigners to own their land in Madagascar. This law provided that foreign companies or foreign investors (individuals who have been granted with investor visa), can buy Malagasy land under the following conditions:

1. the land has to be used exclusively for professional exploitation. Any personal use and exploitation which is different from the nature of exploitation he “promised” to the Malagasy governement, are forbidden. If there is a breach of such condition, the governement can legally withdraw its title of land ownership;

2. the foreign company or investor has to submit its business plan (investment planning in Madagascar) to a public body named EDBM (Economic Development Board Madagascar). Such plan has to describe and detail its intended business and its pertaining investment in Madagascar;

3. the foreign company or investor has to apply for a formal approval named “authorization for land acquisition” before the EDBM in order to be allowed to purchase legally a Malagasy land. Such authorization if granted, gives to the foreign company or investor the same rights as for a Malagasy entity to purchase and to own land in Madagascar.

Vor kurzem hat das neue madagassische Investitionsgesetz (Act 2007-036 vom 14. Januar 2008) eine grundlegende Änderung in Bezug auf den Besitz von Land durch Ausländer gebracht. Dieses Gesetz bestimmt, dass ausländische Unternehmen oder ausländische Investoren (Individuen mit Investor-Visum) madagassisches Land unter folgenden Bedingungen kaufen können:

1. das Land darf ausschließlich für geschäftliche Zwecke genutzt werden. Jeder persönliche Gebrauch und jede Nutzung, die sich von der Art der Nutzung unterscheidet, die er der Regierung Madagaskars „versprochen“ hat, sind verboten. Sollte diese Bedingung verletzt werden, kann die Regierung den Landbesitztitel zurückziehen;

2. die ausländische Gesellschaft oder der ausländische Investor müssen einen Businessplan einem öffentlichen Gremium namens EDBM (Economic Development Board Madagascar, Ausschuß für die ökonomische Entwicklung Madagaskars) vorlegen. Ein solcher Plan muss das Geschäftsvorhaben und die zugehörigen Investitionen in Madagaskar detailliert beschreiben;

3. die ausländische Gesellschaft oder der ausländische Investor müssen bei der EDBM eine formale Zustimmung namens „Zulassung zum Landerwerb“ beantragen, um madagassisches Land legal zu erwerben. Wenn eine solche Zulassung erteilt wird, gibt sie der ausländischen Gesellschaft oder dem ausländischen Investor dieselben Rechte wie einer madagassischen Person, Land in Madagaskar zu besitzen.