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Japan: Obszönität oder Kunst?

Kategorien: Ostasien, Japan, Fotografie, Ideen, Kunst und Kultur, Recht

Am 19. Februar entschied das oberste Gericht in Japan, dass ein Buch von Robert Mapplethorpe [1], das 1999 am Narito Airport auf Basis seines pornografischen Inhalts konfisziert [2] wurde, nicht gegen das Gesetz verstößt. Das Buch heißt “Mapplethorpe” und enthält 384 Seiten mit Fotos von verschiedenen Motiven, 19 zeigen Nahaufnahmen männlicher Genitalien. Asakai Takashi, Herausgeber der japanischen Ausgabe, brachte das Buch 1999 aus den USA mit. Nach der Konfiszierung stellte er den Verkauf in Japan ein, als er 2000 eine Warnung der Polizei von Tokio erhielt. Später zog er vor Gericht. Beispiele für Mapplethorpes Arbeiten gibt es bei der Robert Mapplethorpe Foundation [3] (Achtung, explizite Darstellung von Nacktheit). Viele japanische Blogger haben dieses Thema diskutiert.

Zmgojdha bei Slightly out of fortune kommentiert [4]:

Ich höre zum ersten mal davon, dass so ein Fall vor Gericht entschieden wird. “Rechtstheorie des künstlerischen Werts und Obszönität” könnte ein Begriff werden. Deswegen ist es so lustig, aber auch so unumgänglich.

Ich denke, die Entscheidung ist so gefallen, weil einzelne Teile der Sammlung obszön sein könnten, aber vom Standpunkt der Kunst ist es kein obszönes Buch. Das wirft Fragen auf. Man könnte sagen, das Urteil ist zu Gunsten von Mapplethorpe ausgegangen, weil er ein etablierter Künstler ist.

Karubi [5] freut sich zwar über das Urteil, glaubt aber nicht, dass solche Kontroversen von einem Gericht entscheiden werden können.

Die Richter (oder die Leute, die mit dem Fall befasst sind) sollten mit dem Mapplethorpe Buch auf die Straße gehen und 1000 Passanten fragen: “Halten Sie diese Bilder von männlichen Genitalien für obszön?”. Ich denke ernsthaft darüber nach. Sicher würden mehr als 800 sagen: “Das ist nicht obszön”, oder “das ist schön”, oder “das ist interessant”. Der ‘gesunde Menschenverstand’ (common sense) ist nichts, was von abgehobenen Richtern in ihrem hohen Amt festgelegt werden kann. Er ist er etwas, dass sich natürlich bei ganz gewöhnlichen Menschen herausbildet, die den Zeitgeist spüren.

Auf der anderen Seite kritisieren manche Blogger sowohl das Urteil als auch die Werke des Künstlers.

Kosodatejityan1 [6] sagt, er habe Schwierigkeiten Mapplethorpes Arbeiten zu verstehen.

Wie auch immer, vom Standpunkt des gesunden Menschenverstandes kann ich nicht beurteilen, ob die Werke künstlerische Elemente enthalten, aber ich kann nicht die Psychologie darin verstehen, Nahaufnahmen von diesen Dingen zu machen, um sie zu einer Sammlung zusammen zu stellen (wenn auch nur als Teil einer größeren Sammlung) und sich damit bekannt zu machen.

Es gibt Berge, Flüße, Pflanzen, Tiere und Vögel. Die Natur hat so viele Themen. Ich denke wirklich, dass er sich so als Künstler nicht ausdrücken darf.

Ein weiterer Blogger [7] ist schwer enttäuscht von dem Urteil:

Ich kann das Urteil nicht verstehen, dass Nahaufnahmen von Genitalien Kunst sind, und keine Obszönitäten. Es gibt keinen Zweifel, dass das gegen die öffentliche Ordnung und Moral geht. Zunächst einmal kann ein Gericht so eine Frage gar nicht entscheiden. Das ist doch eine subjektive Wahrnehmung, es gibt also keinen objektiven Standpunkt für die Richter. Es gibt also gar keine andere Wahl, als Fotos von Genitalien kategorisch obszön zu nennen.

Richer Yukio Horigome hat Recht, wenn er sagt: “Bilder, die Genitalien zeigen, sind Pornografie. Es ist unzulässig, ihre obszöne Natur zu negieren, indem man sich auf künstlerische Qualitäten beruft.”

In Japan hat die Ansicht, dass der nackte Menschenkörper Kunst sei, keine Tradition. Das ist eine Gegenreaktion auf die Zeit des Mittelalters in Europa. Ich denke, Bilder von Genitalien sind obszön, und ich liebe die, die Frauen zeigen (haha). Aber ich frage mich, ob man das so offen sehen darf. Die Ausdrucksfreiheit sollte natürlich auf Grundlage der Geschichte, Tradition, der öffentlichen Ordnung und Moral reguliert werden. Wofür brauchen wir ein Gerichtshof, der so etwas nicht unterbinden kann?